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Ressourcen in der Traumatherapie

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Dieser Artikel stellt verschiedene mögliche Ressourcen vor und benennt darunter einige, um eine Übersicht und Anregung zu geben, wo Kraftquellen überall verborgen sein können. Einzelne davon werden exemplarisch vertiefend vorgestellt – in einem traumatherapeutischen Kontext, mit dem Ziel, dass Menschen wieder einen ressourcevollen Zustand erleben können.

Im täglichen Sprachgebrauch

fotolia©fflyDas Wort „Ressource“ wird häufig in unserem Sprachgebrauch benutzt und ist daher oft in aller Munde. Das erklärt sich anhand dessen, dass in den verschiedenen Fachbereichen dieses Substantiv häufig als ein Sammelbegriff zur Beschreibung der fachspezifischen Quellen oder Grundlagen gebraucht wird.

In der Volkswirtschaft ist die Rede von Arbeit, Boden, Kapital u. a., in der Wirtschaft wird von finanziellen Ressourcen, humanen Ressourcen, wie Facharbeiter, Ingenieure, Führungskräfte u. a., physischen Ressourcen, wie Gebäude, und auch von technologischen Ressourcen, wie Qualitätsstandards, Markennamen, Fachwissen u. Ä., gesprochen.

Im Bereich der Beratung, des Coachings und der Therapie kennen wir ebenfalls den Begriff der Ressource. In dem Wort Ressource findet sich das Wort Source (engl. Quelle). Es gibt verschiedene Quellen oder Ursprünge, aus denen sich ressourcevolle Zustände für Klienten schöpfen lassen, wenn diese erst wieder aktiviert und integriert worden sind. Daher ist es sinnvoll, Ressourcen zu erkennen und zu nutzen.

Ressourcen im Überblick

Leistungsressourcen sind im Allgemeinen sehr bekannt und für viele zu Anfang leichter zugänglich. Hierzu zählen gute bis sehr gute Leistungen in der Schule, in der Ausbildung, im Studium, im Beruf und z. B. auch im Sport.

Existenzielle Ressourcen finden sich in der Biografie in Gestalt überstandener Krisen, gemeisterter Lebensabschnitte, bestandener Prüfungen, gewonnener Lebenserfahrung, Verwurzelung in einer Religion, besonderer existenzieller Erlebnisse wie z. B. Nahtod-Erlebnisse.

Zu den äußeren Ressourcen gehören die Familie, Freunde, gute Bekannte, allgemein ein soziales Umfeld, der Arbeitsplatz, die Kita sowie auch Selbsthilfegruppen oder Therapien.

Zu den inneren Ressourcen zählen der Verstand und die Reflektion, die Antizipation und generell alle Körperempfindungen positiver Art, die als angenehm, wohltuend, kraftvoll, stärkend, entspannend usw. beschrieben werden – und vor allem die Fähigkeit, diese auch aus sich selbst heraus herstellen zu können. Auch reife Abwehrmechanismen im Sinne des Schutzes und der Filterung von Sinneseindrücken können hier genannt werden.

Im Bereich der inneren Ressourcen, die auf Symptomebene pathologisch bewertet werden, sind weiter zu finden: Dissoziationen, Depersonalisationen, Selbstverletzungen und die verschiedensten Symptome aus dem Bereich der Psychosomatik.

Luise Reddemann beschreibt die Dissoziation ursprünglich als einen Schutz vor unerträglichen Gefühlen. Die Dissoziation, oder die dissoziativen Symptome, die dazu dienen auf psychologischer Ebene eine Trennung von z. B. Gedächtnisinhalten und Gefühlen herzustellen, werden als Schutz unbewusst aktiviert, wenn Klienten ein unzureichendes Gefühl von basaler Sicherheit spüren und über keine ausreichenden Möglichkeiten der eigenen Affektkontrolle verfügen.

Die therapeutische Beziehung ressourcenvoll gestalten

fotolia©contrastwerkstattLuise Reddemann betont besonders die Herstellung eines guten, funktionsfähigen Arbeitsbündnisses in der Therapie mit traumatisierten Patienten. Da traumatisierte Menschen eine Erfahrung von extremer Ohnmacht verbunden mit Handlungsunfähigkeit und Kontrollverlust erlebt haben, ist es nicht verwunderlich, dass diese Menschen sehr darauf bedacht sind, Kontrolle über die Dinge zu haben. Dieses Bedürfnis nach Kontrolle unterscheidet sich definitiv von den Bedürfnissen anderer Menschen im therapeutischen Kontext. Luise Reddemann betont, die Beziehungen auf der Basis von Selbstkontrolle und Selbstbestimmung zu gestalten und die Menschen in der Therapie mit ihren Bedürfnissen vor allem ernst zu nehmen, sodass sich „zwei Erwachsene von heute um den verletzten jüngeren Teil kümmern können“ (1), der das Trauma erlebt hat. Dies erinnert an den Kernsatz „Ich bin okay, du bist okay“ von Eric Berne, dem Entwickler der Transaktionsanalyse.

Bei Gottfried Fischer ist dazu u. a. nachzulesen, dass die therapeutische Begegnung sich durch besondere Höflichkeit, Rücksichtnahme und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Klienten auszeichnet.

Diese Haltung ist umso verständlicher, je mehr sich Therapeuten bewusst sind, dass auch in einer therapeutischen Beziehung empfundene Ohnmacht und Hilflosigkeit Trigger sein können. Hier ist das subjektive Empfinden der betroffenen Person jeweils entscheidend.

Oft taucht in diesem Zusammenhang die Frage nach der Gestaltung des Prozederes der Anamneseerhebung auf. Bei traumatisierten Menschen hat die Gestaltung eines tragfähigen Arbeitsbündnisses Vorrang und „das traumatische Erleben en détail gleich zu Beginn zu erheben, hat sich nicht bewährt“. (2)

Bei der Anamnese kann durch das Betrachten aus der Beobachterperspektive mehr Sicherheit entstehen und es kann die Einladung ausgesprochen werden, Fragebögen oder Fragen aus dieser Perspektive heraus zu beantworten. Luise Reddemann empfiehlt, keine Anamnese oder Fragebögen zu traumatischen Situationen/Symptomen mit nach Hause zu geben, sondern diese in der Therapie zu beantworten. Bei Anzeichen von aufkommenden Stresssymptomen kann hier zeitnah durch stabilisierende Interventionen gegengesteuert werden.

Es empfiehlt sich aus meiner Erfahrung heraus auch, nach schon vorhandenen Berichten zur Ergänzung der Anamnese zu fragen, und hier ist aus meiner Sicht darauf zu achten, kein Detailwissen aus den Berichten aktiv einzubringen, sondern den Zeitpunkt, um über das Geschehene zu sprechen, frei wählen zu lassen.

Interessant ist, nach Zielen zu fragen und zwar in dem Sinne, wie die Menschen nach der Therapie sein möchten, was sie dann machen möchten, oder, wenn dies noch nicht vorstellbar ist, die Frage zu stellen, wovon die Menschen in Zukunft mehr und wovon sie weniger haben möchten. Auch ist die Frage interessant, welche Hobbys jemand hat oder früher gehabt hat und gerne wieder ausüben möchte. Hier ist der Schwerpunkt weniger auf die Inhalte zu legen, als darauf, durch die Inhalte wieder eine positive Erinnerung zu aktivieren, die stabilisierend wirkt.

Ressourcen über die Sprache re-aktivieren

Ein typischer Satz traumatisierter Klienten lautet „… und immer passiert das Gleiche wieder“, „Nie kann ich ...“. Die Wörter „immer“ und „nie“ geben hier den Hinweis auf eine Verallgemeinerung (auch universelle Quantifizierung genannt) in der Sprache. Das heißt, die Person nimmt an, dass diese Situation immer da und allgemeingültig ist. Damit wird allerdings ausgeschlossen, dass es auch andere Erfahrungen gibt. Hier kann nach Ausnahmen gefragt werden, z. B.: „Kennen Sie auch andere Erfahrungen?“

Vielleicht verfügt ein Arbeitnehmer aus einer vorherigen Anstellung über positive Erfahrungen mit Präsentationen und erst seit der neuen Anstellung gibt es Probleme. In der Traumatherapie können Menschen oft berichten, dass vor dem traumatischen Erlebnis „alles anders war“, und hier lohnt sich die Einladung, dass die Menschen darüber erzählen und über die Erinnerung wieder zu den Ressourcen gelangen – oder zumindest, dass diese wieder im Gedächtnis sind. Weitere Signalwörter für Verallgemeinerungen sind, „ausgeschlossen“, „alle“, „dauernd“, „jeder“, „keiner“.

Interessant ist auch, auf die gewählte Zeitform zu achten, die benutzt wird. Viele gebrauchen die Vergangenheitsform und dies liefert einen Hinweis darauf, dass zwischen dem erlebten „Früher“ und „Heute“ zeitlich unterschieden wird. Bei einigen Menschen wird allerdings Vergangenes in der Gegenwartsform berichtet und bei genauem Nachfragen stellt sich heraus, das hier das Erlebnis z. B. 3 Jahre zurückliegt, es aber in der Sprache des Betroffenen über die Gegenwartsform repräsentiert wird. Da bei traumatisierten Menschen (PTBS und weitere Traumafolgestörungen) eine vollkommene Überwältigung stattgefunden hat, ist oft danach das Nichtempfinden von abstrakten Grenzen in den verschiedensten Bereichen beobachtbar. Durch die Sprache können hier strukturierende Angebote erfolgen, z. B. „vor 3 Jahren“, oder „das Ereignis liegt jetzt 3 Jahre zurück“, oder „das damals Erlebte“ u. Ä.

Die Psychoedukation als Ressource in der Traumatherapie

Die Psychoedukation kann vor allem in der Traumatherapie eine große Ressource sein, da hier Fachwissen vermittelt und Menschen Antworten und eine neue Orientierung finden können. Sie verstehen, wieso sie das erleben, was sie erleben, und vor allem, dass sie deswegen nicht verrückt sind, sondern dies nur eine „normale“ Reaktion auf eine außergewöhnliche, nicht alltäglich erlebte Situation ist. Es empfiehlt sich, diese Informationen an das Informationsbedürfnis der Betroffenen anzupassen, da die Aufnahmekapazität und Informationsverarbeitung bei akuter Symptomatik i. d. R. eingeschränkt sind.

Ausblick

Insgesamt sind hier drei Quellen von Ressourcen näher vorgestellt worden, die traumaspezifisch wichtig sind:

  • In der traumakörpertherapeutischen Methode Somatic Experiencing (SE) nach Dr. Peter Levine werden vor allem die inneren Ressourcen stärker betont.
  • Luise Reddemann stellt in ihren Büchern viele weitere Möglichkeiten in Form von Imaginationsübungen vor.
  • Im EMDR finden wir bekannte und auch neue Selbststeuerungsübungen, die das Repertoire erweitern.

Die Möglichkeiten sind heute vielfältig und die Integration hat sich in der Praxis bewährt. Es stellt sich die Frage, ob in Zukunft die vorhandenen Ressourcen nicht noch mehr gestärkt und in den Vordergrund gestellt werden sollten, anstelle die Sprache auf Symptome und die daraus resultierenden Schwächen zu lenken.

Literatur

  • (1) Luise Reddemann: Imagination als heilsame Kraft. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001, S. 25
  • (2) Luise Reddemann: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004, S. 40
  • Luise Reddemann, Andreas Krüger: PITT-KID – Das Manual. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010
  • Peter A. Levine: Sprache ohne Worte. Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt. Kösel-Verlag, München 2011
  • Peter A. Levine: Trauma Heilung. Synthesis Verlag, Essen 1999
  • Gottfried Fischer, Peter Riedesser: Lehrbuch der Psychotraumatologie. Utb GmbH, Stuttgart 2009
  • B. Van der Kolk, A. C. McFarlane, L. Weisaeth: Traumatic Stress. Grundlagen und Behandlungsansätze, Junfermann Verlag
  • Natalie Au: Im Gleichgewicht, intelligentes Stress- und Selbstmanagement, Books on Demand

Natalie Au Natalie Au
Heilpraktikerin für Psychotherapie, EMDR-Therapeutin (VDH/DGMT), Master-Business NLP (DVNLP)

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