Buchbesprechungen
Psychische Ausnahmesituationen erfordern zunächst eine schnelle „Erste Hilfe“, ehe sich der Therapeut gegebenenfalls mit den tieferliegenden Ursachen befasst. Der Klient soll schnell in die Lage versetzt werden, gestärkter und zuversichtlicher bzw. resilienter seine Alltagswelt zu managen.
Dazu sind Werkzeuge erforderlich, die eine individuell zugeschnittene Bearbeitung des Themas erlauben und im Idealfall Grundlage für die Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Die Lösung bringen schließlich aus systemischer Sichtweise die Klienten selbst mit, sie ist inhärent und unterliegt keinem Gießkannenprinzip.
Worin unterscheidet sich das Buch von Christa H. Herold von anderen zu diesem Thema?
Die pragmatische lösungsfokussierte Kurztherapie von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg erweist in der praktischen Umsetzung ihre effektive Wirksamkeit. Dabei wird bisher grundlegendes Arbeiten mit Klienten – sei es in Therapie oder Beratung - durch verschiedene markante Paradigmenwechsel auf den Kopf gestellt, z. B.:
– Die Lösung wird zuerst fokussiert und ihre Kennzeichen werden erkundet. So wird das Problem primär in seinen Ausnahmen betrachtet und nicht hinsichtlich einer Ursache oder Wirkung analysiert. Wohl aber werden die Ausnahmen dekonstruiert, um die darin verborgenen Ressourcen auch innerhalb ihrer Eingebundenheit in einem systemischen und ganzheitlichen Kontext zu erkunden.
– Der Berater wird in seiner Rolle als Experte „entthront“ und diese nunmehr im (Arbeits-) System (frei gewordene) Expertise wird dem Klienten als „Experte für sein Leben“ zugewiesen. Das liest sich leicht, erfordert aber seitens des Praktikers ein nicht unerhebliches Umdenken bisheriger Denk- und Verhaltensmuster. Wenn sich diese Veränderung vollzieht, wird sie sich selbstredend auch in seiner Haltung und Einstellung widerspiegeln: Als „Nicht-experte“ weiß er auch NICHTS und lässt sich Entsprechendes von dem Klienten aus seiner Sicht der Dinge und in seinem Sprachgebrauch erklären.
– Das gemeinsam erarbeitete Ziel des Klienten ist dann erreicht, wenn es im Sinne des Klienten erreicht ist. Somit übernimmt auch er entsprechende Verantwortung dafür, die letztendlich – in poststrukturalistischem Sinne – auf beide Schultern verteilt ist.
In den Fortbildungs- und Trainingsseminaren der Autorin für die lösungsfokussierte Kurztherapie (z. B. an den Deutschen Paracelsus Schulen) kristallisierte sich immer stärker der Aspekt heraus, einen vereinfachten Zugang zu dieser Arbeit zu entwickeln; ein effektiv einsetzbares Werkzeug, das auch für Anfangsschritte in verschiedenen Arbeits- und Berufsfeldern einsetzbar ist. Vor diesem Hintergrund entwickelte sie das Modell mit fünf Bausteinen:
Lösung/Erwartung/Problem/Wunder/Wandel.
Durch diese Struktur wird ein vereinfachter Zugang zu dem Ansatz vermittelt. Jeder Baustein wird in sich selbst abgeschlossen beschrieben und schließt mit einem Praxisschwerpunkt ab.
Selbst bei einer Kurzberatung von nur z. B. 10- 15 Minuten kann jeweils auch nur ein ausführlich beschriebenes Tool wie die Wunderfrage oder Skalierungsfrage sehr gut eingesetzt und ein erster kleiner, praktischer und individuell passender Lösungsschritt erarbeitet werden. Das „wenig“ zu Schaffende hebt beim Klienten in Nuancen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl und steigert die Motivation, wieder selbst etwas zu tun. Hinzu kommt, dass aus systemischer Sichtweise dieses kleine und feine Veränderte schon eine große Veränderung in allen zum System gehörenden Elementen (Pars pro Toto) bewirken kann.
Die Wirkung der in erster Linie lösungsfokussierten Interaktion des Praktikers lässt sich, so ist durch neurowissenschaftliche Studien und Erkenntnisse der Epigenetik zu vermuten, im Gehirn des Klienten nachvollziehen. So hat eine empathische, respektvolle und authentische Haltung eine Signalwirkung u. a. auf die Spiegelneuronen. Sie stößt molekularbiologische und chemische Prozesse in entsprechenden Netzwerken an und zeigt ihre (Aus-) Wirkung im Denken, Fühlen und Handeln bzw. Verhalten.
Aufgrund der beschriebenen Bausteine und dem dadurch vereinfachten Zugang zum lösungsfokussierten Arbeiten, der vielen praktischen Beispiele und der ausführlichen Schrittfür-Schritt-Beschreibung der Skalierungs- und Wunderfrage bietet dieses Verfahren eine gute Grundlage für die pragmatische und effiziente Umsetzung und Anwendung. Also überall dort, wo Kommunikation die Kernbasis bildet, wie in den Bereichen der Beratung, Therapie, Pädagogik, Erziehung, Führung, des Coachings sowie im kirchlich-beratenden Bereich (Seelsorge) und im interkulturellen Kontext.
Herold, Christa H.: Lösungsfokussierte Beratung. Ein-fünf-Bausteine-Modell. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, ISBN 978-3-52540-757-8 62
Dr. med. Jan Dreher ist Chefarzt der psychiatrischen und psychotherapeutischen Klinik Königshof in Krefeld und behandelt dort zusammen mit seinem Team tagtäglich Sucht-, Depressions-, Angst- und Psychosepatienten. Diese Praxisnähe spiegelt sich erfreulicherweise in vielen kleinen Fallbeispielen in seinem Buch, das er nun schon in der 5. aktualisierten Auflage vorlegt.
Er versteht sich als Reiseführer durch den „Dschungel“ der Psychopharmaka, psychoaktiven Genussmittel und Drogen und verschafft dem Leser mit diesem Reiseplan im Taschenformat die wichtigsten Kenntnisse zum Umgang mit all jenen Substanzen. Ihre Wirkweisen im Gehirn und Nervensystem sowie ggf. auf den Rest des Körpers und Stoffwechsels werden exakt erklärt, ebenso evtl. Kontraindikationen und (unerwünschte) Wechselwirkungen bei den unterschiedlichen Beschwerden.
Welches Antidepressivum gebe ich wem? Welche antipsychotischen Mittel stehen für Therapie und Prophylaxe zur Verfügung? Wann sind Anxiolytika angezeigt und wie managed man das Ausschleichen? Was bewirken die verschiedenen Schlaf- und Schmerzmittel, psychoaktiven Genussmittel und Drogen und wie kommt man von ihnen wieder los – ggf. auch mit medikamentöser Unterstützung des Entzugs und der Entwöhnung? Wie kann eine demenzielle Entwicklung in höherem Lebensalter pharmakologisch verhindert, herausgezögert, abgeschwächt und behandelt werden? Und was eignet sich in psychiatrischen Notfällen?
Auch wenn der Heilpraktiker für Psychotherapie keine Medikamente verordnen darf, sollte er sich um des Patientenwohls und der Patientensicherheit willen doch sehr gut damit auskennen – zum eigenen Verständnis der Wirkungen und Nebenwirkungen sowie zur Psychoedukation der Patienten und Angehörigen. Wegen seines klaren Aufbaus und der verständlichen Sprache ist das Buch von Jan Dreher auch dafür optimal geeignet.
Rezension: Dr. Werner Weishaupt, Heilpraktiker für Psychotherapie
Dreher, Jan: Psychopharmakotherapie griffbereit. Medikamente, psychoaktive Genussmittel und Drogen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2021 ISBN 978-3-13243-571-1
Was wir von Pflanzen lernen können, wenn wir ihnen zuhören, und warum Biophilia für das Leben auf Erden so wichtig ist
Pflanzen haben eine Seele und heilende Kräfte. Sie spüren, wenn wir Hilfe brauchen. Und sie helfen uns, wenn wir sie darum bitten. Aber wie offenbaren sie sich uns?
Eine Antwort gibt „Die heilende Seele der Pflanzen“, ein Buch der Gedanken und Gefühle. Wie eine poetische Wegbeschreibung nimmt es uns mit auf eine Reise in die geheimnisvolle Welt der Pflanzen. Und wie ein Sachbuch vermittelt es wichtiges Wissen über die Probleme, die unser Überleben gefährden: Umweltzerstörung, resistente Bakterien, Luftverschmutzung, Krebs und Klimawandel. Können wir wieder lernen, mit Pflanzen und Bäumen in Kontakt zu treten?
Der Autor, Stephen Harrod Buhner, sagt Ja! Er ist davon überzeugt, dass in uns allen ein genetischer Code verankert ist, der uns die Empfindung von Zuneigung und Liebe für die Natur, ihre Pflanzen und Lebewesen schenkt – Biophilia.
Buhner, Stephen Harrod: Die heilende Seele der Pflanzen. Verlag Edition Reuss/Herba Press ISBN 978-3-94624-503-2
Dr. Christian Stock verfügt über 27 Jahre klinische Erfahrung als Arzt und arbeitet seit 19 Jahren im Bereich der Psychosomatik. Sein Interesse am Schreiben entdeckte er relativ spät. Dabei sind seine Lieblingsthemen das große Gebiet der Psychotherapie und Meditationstechniken.
Seine Co-Autorin, Nicole Reese, ist Yogalehrerin und ebenfalls alternativen Behandlungsansätzen gegenüber aufgeschlossen. Gemeinsam haben sie das Buch „Mein Achtsamkeitstag“ gestaltet und zeigen inspirierende Ideen für fünf individuelle Auftanktage auf, die man sich einfach als kleine Auszeit nach Hause holen kann.
Dazu schreiben sie: „Fühlen Sie sich auch gestresst im Hamsterrad und sehnen Sie sich nach einer Pause? Wollen Sie Ihr Leben wieder bewusster wahrnehmen und erspüren? Dann holen Sie sich mehr Achtsamkeit in Ihr Leben.
– Das Motto des Tages führt durch das Retreat: Wohlwollen, Empathie, Mitfreude und Gleichmut – wählen Sie aus, was für Sie gerade wichtig ist.
– Meditationen und Reflexionen bringen Sie in mentale Balance.
– Mit Yoga und bewusster Ernährung können Sie Ihren Körper auf Ihrem achtsamen Weg begleiten.“
Mein Fazit:
Sich einfach mal wieder Zeit für sich selbst nehmen. Den Alltag ausblenden und nur auf die eigenen Bedürfnisse und Gefühle konzentrieren. Auch ich als Neueinsteigerin fühlte mich gut vorbereitet dank der ausführlichen und leicht verständlichen Einführung. Die Übungen sind Schritt für Schritt so beschrieben, dass man sie leicht nachmachen kann.
Rezension: Silvia Goltermann
Stock, Dr. Christian und Reese, Nicole: Mein Achtsamkeitstag: Inspirationen für Ihre individuelle Auszeit – Meditation – Yoga – Ernährung – Entspannung. TRIAS Verlag, ISBN 978-3-43211-326-5
In seinem Buch „Die Narzissmus-Lüge. Über den Missbrauch eines emanzipatorischen Mythos“ bietet der Dipl.-Psychologe und Psychotherapeut Klaus Schlagmann eine ganz neue Sicht auf einen alten Mythos – mitsamt einem kritischen Blick auf ein Modewort und die negativen Auswirkungen konventioneller „Therapie“-Ansätze unter diesem Konzept.
Narziss ist – nach griechischem Mythos – ein schöner Jüngling. Seine Geschichte wird in verschiedenen Varianten erzählt. Der 16-Jährige leidet einerseits am plötzlichen Tod seiner Zwillingsschwester bzw. seiner ihm gleichfalls ähnlich sehenden Eltern. Das Betrachten seines Spiegelbildes im Wasser verstärkt in ihm seinen Schmerz über diesen Verlust, sodass er es verzweifelt festzuhalten versucht – was ihm natürlich nicht gelingt. Andererseits wird erzählt, dass er an seelischer und körperlicher Gewalt leidet, die ihm abgewiesene Verehrerinnen und Verehrer – die geistlose Nymphe Echo bzw. die Männer Ameinias und Ellops – zufügen. Narziss ist also ein Opfer von Schicksal und Bedrängnis.
Doch die psychologische Theorie definiert Narzissmus als Selbstgefälligkeit. Sie erklärt Narziss zum egozentrischen Täter. Damit missversteht sie seit über hundert Jahren die gehaltvolle Fabel. Verwirrung ist vorprogrammiert. Das diffuse Konzept Narzissmus wird gleichermaßen Egomanen, Müttern, Säuglingen, Mobbingopfern und echten Helden der Menschheit übergestülpt. Und mehr noch: Mit ihrer – zwangsläufig wirren – Vorstellung von Narzissmus im Kopf dichten international angesehene AutorInnen, die die herkömmlichen Therapieverfahren vertreten, heute allen Ernstes Narziss weitere Verfehlungen an. Seine Trauer sei depressiv. Er, das Stalking-Opfer, sei beziehungsunfähig und schuld am Leid der abgewiesenen Stalkerinnen und Stalker. Das Buch entlarvt zwanzig Texte aus zumeist neuerer Zeit, die solchen Unsinn behaupten.
Schlagmann, Klaus: Die Narzissmus-Lüge. Über den Missbrauch eines emanzipatorischen Mythos. Verlag R. G. Fischer, 2021, ISBN 978-3-83011-871-8