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Rechtsfragen? Dr. Stebner antwortet!

2017 03 Stebner1? Praxis in der Wohnung

Die Unternehmensberaterin Brigitte Siegel schreibt in ihrem Artikel „Der kleine Start: Praxisgründung – nebenberuflich bzw. Teilzeit“ (Freie Psychotherapie 02.2017, S. 22): „Laut BGH-Urteil vom 14.7.2009 (Az.: VIII ZR 165/08) kann der Betrieb einer kleinen Praxis in der Wohnung, die nicht die Hälfte der Wohnfläche und drei bis vier Kunden pro Tag übersteigt, vom Vermieter nicht untersagt werden.“ Kann ich es wagen, trotz einer negativen Antwort der Vermieter auf eine Anfrage meinerseits diesbezüglich mit dem Praxisbetrieb zu beginnen? Im Zweifelsfall könnte ich ja das Urteil einfach bereithalten und vorzeigen.

! Die Rechtslage ist nicht so einfach wie oben dargestellt. Die Frage muss deshalb differenziert betrachtet werden. Dabei spielt nicht nur das Mietrecht eine Rolle, sondern auch das Landesbaurecht.

1) Mietrecht: Für berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, bedarf es keiner Erlaubnis des Vermieters, wenn diese Ausübung nicht nach außen in Erscheinung tritt. Die beruflichen Tätigkeiten ohne Außenwirkungen fallen unter den Begriff des „Wohnens“. Solche Tätigkeiten sind ohne Weiteres zulässig. Beispiele sind die Unterrichtsvorbereitung eines Lehrers, die Telearbeit eines Angestellten, die homöopathische Repertorisierung eines Heilpraktikers.

Dagegen sind geschäftliche Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, erlaubnispflichtig. Für die Abgrenzung kommt es maßgeblich auf die Außenwirkung an. Eine solche liegt vor, wenn der Mieter die Wohnung als seine Geschäftsadresse angibt, wenn er in der Wohnung Kunden oder Patienten empfängt oder wenn er dort Mitarbeiter beschäftigt.

Von diesem Grundsatz kann im Einzelfall nach Treu und Glauben abgewichen werden und der Mieter kann nach den Umständen des Falls einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis haben, wenn er keine Mitarbeiter beschäftigt und der Kundenverkehr nicht ins Gewicht fällt. Insoweit ist das von der Autorin angeführte Urteil des BGH (NJW 2009, 3157) richtig. Allerdings reicht kein bloßer Hinweis auf dieses Urteil, wenn der Vermieter seine Zustimmung verweigert. Der Mieter muss dann in einem Prozess auf Zustimmung des Vermieters klagen. Dort erfolgt eine genaue Abwägung aller Umstände, wie die Lage der Wohnung, Art des Patienten-/Kundenverkehrs, sonstige Bewohner (z. B. kranke oder alte Menschen) usw. Eine Rolle spielt auch, ob der Vermieter nachvollziehbare persönliche Gründe hat, eine Zustimmung zu verweigern. Für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung der Erlaubnis trägt der Mieter vor Gericht die Darlegungs- und Beweislast und somit insoweit das Prozessrisiko.

Übt der Mieter in seiner Wohnung eine erlaubnispflichtige Tätigkeit ohne Erlaubnis des Vermieters aus, so kann der Vermieter nach Abmahnung eine Unterlassungsklage erheben. Möglich ist auch eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB oder eine ordentliche befristete Kündigung wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1. BGB.

2) Landesbaurecht: Je nachdem, ob Sie Ihren Beruf als Heilpraktiker für Psychotherapie oder einen anderen Beruf in Ihrer Wohnung ausüben wollen, bestehen Anforderungen daran nach dem Landesbaurecht. So werden für Praxen (auch Zweigpraxen und Praxen mit sehr geringem Patientenaufkommen) das Bereitstellen von Parkplätzen (in der Regel mindestens drei Parkplätzen), ein barrierefreier Zugang, Brandsicherungen (Brandschutztüren) und ein Notausgang (z. B. Notausstiegsfenster) verlangt.

Wenn ohne entsprechende Maßnahmen, die das Bauaufsichtsamt veranlasst, die berufliche Tätigkeit mit Außenwirkung ausgeübt wird, droht eine Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldanordnung des Bauaufsichtsamts.

Auch eine „Minipraxis“ in Ihrer Wohnung muss dem Gesundheitsamt als Niederlassung angezeigt werden. Von dort erfolgt dann regelmäßig eine Kontrollmitteilung an das Bauaufsichtsamt.

? Gesetzliche Unfallversicherung für Psychologische Berater und Coaches

2013 habe ich meine Ausbildung als Psychologische Beraterin gemacht. Bis heute habe ich etliche Briefe von einer Versicherung BGW für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege erhalten. Ich habe nicht darauf reagiert und keinen Vertrag unterschrieben. Nach einem Jahr wurde mir ein Beitragsbescheid zugestellt. Im Telefongespräch erfuhr ich, dass ich ohne meinen Willen automatisch von der BGW als Unternehmer versichert wurde. Ich habe keine Angestellten. Jetzt verlangt die BGW von mir, höhere Beiträge zu zahlen. Meine Frage: Ist es Pflicht, mich als Psychologische Beraterin in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern zu lassen? Gibt es hierzu irgendwelche Gesetze? Ich habe gehört, es sei eine freiwillige Versicherung.

! Mit der von Ihnen angesprochenen Thematik habe ich mich in einem Artikel in der Freien Psychotherapie, 01.2013 ausführlich auseinandergesetzt. Der Titel lautet „Für Psychologische Berater und Coaches kann Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen – auf das individuelle Tätigkeitsfeld kommt es an“ (https://www.vfp.de/verband/verbandszeitschrift/alle-ausgaben.html). Bitte informieren Sie sich dort über die unveränderte Rechtslage.

? Coaching-Rechnung für meine Psychotherapie-Patienten

Ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie. Darf ich Psychotherapie-Patienten, die Selbstzahler sind, eine Coaching-Rechnung für das Finanzamt ausstellen? Falls das ginge, muss ein Coaching-Vertrag zu Beginn ausgefüllt werden oder geht es auch mit einem Psychotherapie-Behandlungsvertrag?

! Entscheidend ist, welche Leistung Sie erbracht haben. Wenn Sie außerhalb der Heilbehandlung ein Coaching (z. B. zur Gewichtsreduktion) durchgeführt haben, können Sie dies selbstverständlich in einer Rechnung abrechnen, die Ihr Klient steuerlich geltend macht. Wenn Sie allerdings Heilbehandlung durchführen (ich nehme das an, da Sie von Psychotherapie-Patienten sprechen), kann selbstverständlich nur das in einer Rechnung aufgenommen werden, was Sie tatsächlich gemacht haben, also die Leistungen nach dem GebüH abrechnen.

Ein schriftlicher Behandlungsvertrag kann für das Coaching nicht verwendet werden. Empfehlenswert ist der Abschluss eines schriftlichen Dienstvertrags, der Ihre Leistungen und die Gegenleistungen des Klienten (Honorar) genau regelt.

? Schweigepflicht und privatärztliche Rechnung bei minderjährigen Patienten

Eine Mutter bat mich telefonisch um einen Behandlungstermin für ihre 16-jährige Tochter. Die Patientin kam zum Erstgespräch allein, da sie die Mutter auf keinen Fall dabei haben wollte. Die Patientin möchte nicht, dass ihre Eltern die Diagnose erfahren. Können die Eltern von mir Auskünfte verlangen? Im Behandlungsvertrag ist die Jugendliche als Patientin ausgewiesen. Die Mutter habe ich als gesetzliche Vertreterin unterschreiben lassen. Ist dies rechtlich stichfest?

! Nach Vollendung des 14. Lebensjahres ist die Einwilligung durch Minderjährige nicht an starre Altersgrenzen gebunden. Es kommt auf die von Ihnen zu beurteilende Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen an, also ob er reif genug ist, die Tragweite der Behandlung zu erkennen. Es empfiehlt sich auf jeden Fall eine sehr gute Dokumentation. Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass die Einsichtsfähigkeit vorliegt, gilt die Schweigepflicht auch gegenüber den Eltern.

Ein einsichtsfähiger Jugendlicher kann einen Behandlungsvertrag nach § 630a BGB abschließen. Ein wirksam mit Ihnen geschlossener Vertrag kann aber nur entstehen, wenn die Kosten der Behandlung im Rahmen des gezahlten Taschengeldes liegen. Ansonsten ist der Vertrag „schwebend unwirksam“ und der Honoraranspruch besteht nur, wenn die Sorgeberechtigten zustimmen. Verweigern sie ihre Zustimmung, haben Sie trotz ordentlicher und sorgfältiger Dienstleistung keinen Honoraranspruch. Wenn die Mutter in Ihrem Fall den Vertrag unterschrieben hat, ist davon auszugehen, dass eine Zustimmung vorliegt. Nur für schwerwiegende Eingriffe muss die Zustimmung beider Elternteile vorliegen.

? Rundfunkgebühren für einen gemieteten Praxisraum

Seit ein paar Monaten werde ich vom Westdeutschen Rundfunk Köln aufgefordert, Rundfunkgebühren für meinen Praxisraum zu zahlen. Mehrfach habe ich dort schriftlich erklärt, dass ich diesen Raum nur als Untermieterin des Kollegen nutze. Der Kollege zahlt bereits für die ganze Praxis. Ich habe in dem Behandlungsraum, in dem nur Gesprächstherapien für besondere Patienten von mir durchgeführt werden keinen PC. Muss ich Rundfunkgebühren zahlen?

! Ihr Raum ist eine „ausgelagerte Praxisstätte“ (§ 1a Nr. 20. Bundesmantelvertrag- Ärzte). Grundlage für die Entrichtung der Rundfunkgebühren ist der zwischen allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Nach § 5 RBStV ist für jede Betriebsstätte ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.

Nach § 6 RBStV ist Betriebsstätte jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck bestimmte oder genutzte ortsfeste Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit (Shop in Shop). Auf den Umfang und Nutzen zu den jeweiligen nicht privaten Zwecken kommt es dabei nicht an. Mehrere Raumeinheiten auf einem oder auf einem zusammenhängenden Grundstück gelten nur dann als Betriebsstätte, wenn sie von einem Inhaber zum gleichen Zweck betrieben werden. Wenn mehrere Unternehmen in einer Raumeinheit zusammenarbeiten (z. B. Praxisgemeinschaft), besteht die Möglichkeit, dass von nur einem Unternehmensinhaber die gesamten Räumlichkeiten angemeldet werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass zwischen den verschiedenen Betriebsstätten keine räumliche Trennung besteht (z. B. ein gemeinsamer Empfang). Dies dürfte bei Ihnen nicht der Fall sein.

Somit ist die von Ihnen in Untermiete geführte Praxisstätte eine eigene Betriebsstätte, und Sie müssen hierfür Rundfunkgebühren entrichten. Da sich der Rundfunkbeitrag nicht nach der Größe der Betriebsstätte, sondern nach der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten richtet, verringert sich auch der Beitrag ihres Vermieters nicht.

Dr. jur. Frank A. StebnerDr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht

www.drstebner.de