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Die Macht der Fantasie – Imaginäre Entspannungsübungen in der Selbsthilfe

fotolia©ZffotoWir sind ein mal mehr, mal weniger kleiner Trupp in unserem „Info-Treff Haut“ in Sehnde – aber es gibt uns beständig seit etwa drei Jahren. Wir haben „Neuros“, „Schuppis“ und „Fleckis“ sowie Menschen mit „Röschen“ im Gesicht. Meistens tauschen wir uns aus und es tut allen gut, unter „Gleichen“ zu sein. Sich nicht erklären zu müssen, sich einfach verbunden zu fühlen. Wir waren schon gemeinsam in der Salzgrotte oder zu Weihnachten lecker essen, auch eine Klangschalenexpertin hatten wir bereits zu Besuch.

Manchmal, wenn bei unseren Treffen et was Zeit überbleibt, haben wir ein Ritual, das durchweg allen gefällt – und sozusagen ein Dauerbrenner in der Gruppe ist:

Wir machen Fantasiereisen – und ganz ehrlich: Früher hätte man den einen oder anderen von uns mit solchem „Pipikram“ jagen können. Aber die Macht der Fan tasie ist großartig! Sie hilft uns, innerlich Urlaub zu nehmen: vom Alltag, von Krankheit und vom Leidensdruck, den wir mehr oder weniger Tag für Tag verspüren. Fantasiereisen sind einfach durchzufüh ren und zudem extrem kostengünstig.

Ich glaube, dass die gemeinsamen Reisen einen großen Anteil daran haben, dass die Gruppe in einer Zeit, in der echte Selbsthilfe häufig ums Überleben kämpft, noch nicht auseinandergefallen ist.

Was sind Fantasiereisen?

Fantasiereisen zählen zu den „imaginären Entspannungsverfahren“. Sie helfen uns, Kraft zu tanken, Ruhe zu finden und setzen einen gesunden Gegenpol zum häufig hektischen und stressbelasteten Alltag.

Doch was bedeutet eigentlich Entspannung?

Gut gemeinte Ratschläge, wie „Sie müssen sich einfach nur entspannen“, sind leicht gesagt und hinterlassen beim Betroffenen häufig ein Gefühl der Hilflosigkeit. Uns ist ja bewusst, dass unsere Haut uns manch mal den letzten Nerv raubt. Aber nichts ist erst mal schwieriger, als den Schalter auf Entspannung umzulegen, vor allen Dingen, wenn man es tun muss.

Entspannung kann man erlernen – ich selbst habe hart dafür trainiert.

Als Hans Dampf in allen Gassen sind Ver fahren wie autogenes Training manch mal schier unerträglich. Nichts scheint in diesem Moment schwieriger, als re gungslos am Boden zu liegen und die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Meistens lehrt einen das Leben, dass man nicht täglich mit 180 km/h über die Au tobahn fahren kann. Manche Menschen bekommen Herzprobleme, bei manchen fährt der Stress unter die Haut. Manche können sogar beides bekom men – und spätestens dann gilt es, die Notbremse zu ziehen.

Worauf baut Entspannung auf?

Das Grundelement der Entspannung ist die „Zentrierung“ und ich habe den für mich esoterisch angehauchten Begriff jahrelang nicht wirklich verstanden. Was bedeutet es, sich zu zentrieren?

Ich möchte Sie einladen, eine Wahrnehmungsübung mit mir zu machen.

Eine Körperübung, die mir geholfen hat, zu verstehen, was Zentrierung eigentlich im Wesenskern ist. Wenn Sie Lust dazu haben, lesen Sie die Übungsanleitung zur Zentrierung am Schluss dieses Artikels.

Legen Sie dafür diesen Beitrag zur Seite und nehmen sich zwei bis drei Minuten Zeit für die Zentrierungsübung.

Alternativ können Sie natürlich einfach weiterlesen.

Zentrierung ...

... ist ein Zustand der „gelassenen Konzentration“. Wir besinnen uns im Grunde genommen auf uns selbst. Denn allzu leicht können wir uns im hektischen Alltag doch verlieren! Zentrierung hilft uns, körperliche (Ver-)Spannungen als auch seelisch-geistige Spannungszustände einfacher loszulassen.

Üben wir regelmäßig, erlernt das Gehirn eine neue Fähigkeit und schaltet von der häufigen „stress response“ (Stressantwort des Körpers) auf die „relax response“ (Entspannungsantwort des Körpers) um. Je öfter wir das trainieren, desto schneller geht es. Denn schließlich ist der Mensch ein Gewohnheitstier und fährt geschmeidig in Bahnen, die er gut kennt.

Reise nach innen

Auch wenn wir eine Fantasiereise machen, richten wir unsere Aufmerksamkeit nach innen. Wir stellen uns etwas vor, erleben gedanklich etwas, meist einen Ort, an dem wir uns wohlfühlen, an dem wir etwas „relaxen“ können. Wir malen uns unseren Erholungsort selbst aus. Und je intensiver wir das tun, mit je mehr Details wir unser Bild erschaffen und je mehr Sinne unseres Körpers wir dabei ansprechen (Sehen, Riechen, Fühlen, Schmecken, Hören ...), desto mehr erlebt unser Gehirn die Situation als wahr.

Es ist nicht wichtig, unsere Sinne dabei tatsächlich mit Reizen von außen zu füttern – z. B. indem wir eine Duftlampe anmachen oder Musik dazu hören. Vielmehr ist es wichtig, dass wir gedanklich die Sinnesrezeptoren des Gehirns reizen, die für wohltuende Empfindungen zuständig sind. So kann ich mitten im Hochsommer in meinem Wohnzimmer an die kühlende Nordsee reisen, eine frische Brise auf meiner Haut spüren – das Gehirn macht es für mich wahr.

Fantasie bedeutet, in seinem Kopf etwas zu erschaffen, sich etwas auszumalen, etwas neu zu machen, etwas real werden zu lassen und daraus Potenzial zu schöpfen.

Welche Bilder?

Bei den Bildern, die wir in unserem Kopf erschaffen, handelt es sich meist um Szenen aus der Natur, um „Momente“, Nahaufnahmen. Wir befinden uns z. B. am Meer oder betrachten die Wolken am Himmel, hören dem Singen der Vögel zu oder lauschen den Wellen.

Wir arbeiten mit Bildern, die ruhig gehalten sind, die keine Spannung in uns erzeugen, und erleben keine wilden Abenteuer. Wir fliehen auch nicht in eine Welt, die für uns nicht wirklich erfahrbar ist, denn das, was wir uns vorstellen, sollte auch im tatsächlichen Vermögen unseres Körpers liegen.

Wir können schwer werden oder leicht, Wärme oder einen Windhauch spüren, aber wir können z. B. nicht wie Supermann durch das Weltall fliegen. Das liegt nicht im Möglichen unseres Körperlichen und das Gehirn hätte zwar einen Superfilm, würde dann aber seinen Fokus mehr auf „Unterhaltungsprogramm“ als auf die gewünschte „relax response“ lenken.

Relax response

Dabei schaltet unser gesamter Organismus auf körperlich-seelische Entspannung um. Die meisten Menschen sind im Alltag linkshirnlastig, das heißt, sie bewegen sich im analytisch-rationalen Bereich. Wechseln wir in die „relax response“, dann aktivieren wir primär die rechte Hirnhälfte. Hier ist der Sitz unserer Kreativität, hier finden wir unsere Muse und hier findet sich auch ein Platz für neue Ideen.

Prinzipien der Entspannung

Bei der Entspannung geht es also um passivierte Konzentration. Es geht nicht darum, etwas zu leisten, sich anzustrengen, etwas zu erreichen. Einfach mal nichts müssen, sollen oder wollen. Es geht darum, einfach mal loszulassen.

Schalten wir auf Entspannung um, dann haben wir auch Kraft für unsere Regeneration, unsere Erholungsfähigkeit wird gestärkt und das zeigt sich meines Erachtens auch auf unserer Haut.

Wer kann Fantasiereisen anwenden?

Fantasiereisen sind im Prinzip für jeden geeignet, für Groß und Klein, für Alt und Jung, für Gruppen – oder auch mit CD-Player für sich allein. Die Reisen ins Land der Fantasie helfen uns dabei, in Balance zu bleiben oder wieder in Balance zu kommen.

Fantasiereisen können begleitend zur Therapie einer chronischen Hauterkrankung eingesetzt werden, ersetzen aber keine notwendige medizinische oder psychologische Behandlung.

Neben den Fantasiereisen zur Entspannung, bei denen es schlicht um „relaxen“ und Abstand zum Alltag geht, gibt es auch „therapeutische Fantasiereisen“, die unter anderem zur Behandlung seelischer Traumata eingesetzt werden.

Diese werden dann unter Begleitung eines Reiseleiters (Therapeuten) durchgeführt, der Sie gegebenenfalls auch auffangen kann.

Menschen, die an Psychosen leiden, sollten auf Fantasiereisen verzichten. Für diese Menschen ist es besonders wichtig, in der realen Welt zu bleiben.

Wie verläuft eine Fantasiereise?

In unserer Gruppe schaffen wir uns als Erstes eine gute Atmosphäre. Die Handys sind stumm geschaltet, der Raum ist gut temperiert und meist haben wir noch eine Kerze an. Auf Duft und Musik wird größtenteils verzichtet.

Ein Teilnehmer wird zum Reiseleiter bestimmt und erhält ein Büchlein mit fertigen Fantasiereisen, die anderen machen es sich auf ihren Stühlen bequem und wenn alle bereit sind, schließen wir die Augen.

Die Sprache der Fantasiereisen ist einfach, die Reisenden lassen sich führen und der Reiseleiter achtet darauf, dass die Reise nicht zu schnell vonstattengeht.

In der Regel beginnt die Fantasiereise mit einem Weg, einem Weg zu einem Ort der Kraft, der Ruhe oder Inspiration. Oft fließen auch Atemformeln, Ruheformeln, Schwereformeln ein – oder aber Sätze, die einen leicht und frei werden lassen, bei denen man einen kühlen Kopf behält. Ist der Ort erreicht, sind die meisten Reiseteilnehmer bereits tief entspannt. Nun wird kurz innegehalten, gerastet – in diesem Moment ist der Reiseleiter still.

Dieser Moment der Stille ist oft jener, in dem das Bewusstsein abkippt, der Moment, der in der Fantasiereise besonders wichtig ist. Wir schalten um!

Von Anspannung auf Entspannung, auf „relax response“ und Regeneration. Dieser Moment kann für den Reiseleiter eine Ewigkeit dauern, für die Reisenden ist er wie zehn Minuten Schlaf. In Wirklichkeit dauert er aber nur eine, vielleicht zwei Minuten.

Danach holt der Reiseleiter die Gruppe wieder ab, man geht seinen Weg zurück und wird schließlich wieder in die Gegenwart geholt, ins Hier und Jetzt.

Wer mag, kann sich danach räkeln, dehnen, strecken und gähnen.

Bei uns guckt dann keiner mehr unzufrieden aus der Wäsche.

Potenzial

Meines Erachtens liegt die Genialität der Fantasiereisen in ihrer Einfachheit und Effektivität. Natürlich heilen wir damit kein schweres Erkrankungsbild. Aber es werden Ressourcen freigesetzt, unsere Selbstwirksamkeit wird gefördert und damit auch unsere Selbstheilkraft.

In diesem Sinne, wenn Sie mögen, eine gute Reise!

Buch-/CD-Tipp

  • Bieber, Sylvia: Reisen ins Land der Seele – Fantasiereisen zur Entspannung, Klärung, Zielsetzung. Schirner Verlag
  • Kohn, Sonja/Schirohammadi, Abbas: Meditative Reise durch die Chakras – mehr Harmonie und Energie für Körper, Geist und Seele. Shaker Media Verlag

Sonja KohnSonja Kohn
Heilpraktikerin, freie Redakteurin, Mitglied der AG Haut, Dozentin an den Paracelsus Schulen

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Zentrierungsübung

Stellen Sie sich aufrecht hin und schließen Sie die Augen. Die Füße stehen etwa hüftbreit auseinander, die Knie sind leicht gebeugt, die Arme fallen locker an den Seiten des Körpers herunter. Sie atmen bewusst ein und aus. Nun stellen Sie sich vor, wie eine Schnur erscheint, eine „Richtschnur“. Diese Schnur tritt in der Mitte Ihres Kopfes in den Körper ein und geht durch Ihre Körpermitte ganz hindurch. Ihre Aufgabe ist es nun, sich anhand dieser Schnur einzupendeln, sich auszurichten.

Vielleicht spüren Sie, dass Sie etwas nach vorn kippen, sozusagen immer einen Schritt voraus sind, dann pendeln Sie ein wenig zurück. Oder Sie merken, dass Sie nach hinten kippen, dass Sie womöglich etwas festhält, sodass Sie nicht vorankommen, dann pendeln Sie einfach ein wenig nach vorn. Eventuell spüren Sie auch, dass Sie willkührlich zu einer Seite kippen, neben sich stehen oder irgendwie „verdreht“ sind, dann versuchen Sie, auch aus dieser Ausgangsposition wieder Ihren Weg zur Mitte zu finden.

Vielleicht müssen Sie noch ein wenig Ihre Schultern richten, die Hüfte zurechtrücken oder die Kiefermuskulatur locker lassen – und dann stehen Sie, wenn Sie fertig sind, einfach nur da und nehmen diesen Zustand bewusst für drei bis vier Atemzüge wahr. Dann öffnen Sie, wenn Sie mögen, Ihre Augen.

Was ist passiert?

Ihre Aufmerksamkeit hat sich nach innen gerichtet. Alltagsgeräusche sind in den Hintergrund getreten. Ihre Gedanken haben vermutlich aufgehört, um andere Themen zu kreisen, und das Einzige, worauf Sie sich konzentriert haben war, „sich auszurichten“, „mittig zu werden“ und sich „zu zentrieren“.

Die Außenwelt tritt sozusagen in den Hintergrund, die Innenwelt dafür in den Vordergrund.

Die meisten Menschen werden bei dieser Übung sehr ruhig. Und es sind diese winzigen Momente der Stille, die wir in uns erleben, die uns auftanken lassen und das Potenzial haben, uns Kraft zu spenden.

Foto: fotolia©Zffoto