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Träume: Die Sprache der Seele verstehen

©KalyanbyEin wirkungsvoller Ansatz in der Psychotherapie

„Jede Nacht helfen Träume,
die Psyche aufzuräumen …
Ohne Träume wären
wir alle längst verrückt.“
Dr. Rajan Roth

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass wir jede Nacht mehrfach träumen. An die meisten Träume erinnern wir uns nicht. Doch was ist mit den Träumen, mit denen wir wach werden?

Wir erinnern Träume unterschiedlich häufig und detailliert. Manche haben immer wiederkehrend gleiche Träume, andere nur ab und zu intensive Traumerlebnisse. Doch wenn wir mit der Erinnerung an einen Traum aufwachen, lässt uns dieses Erlebnis meistens nicht kalt. Vielleicht war der Traum beängstigend, irritierend, skurril, unverständlich, banal, befreiend oder belustigend. Eins haben alle Träume gemeinsam: Sie beschäftigen uns. Der Traum ist uns nicht gleichgültig. Es gibt diesen kurzen Moment, wo wir uns fragen: „Was hat das zu bedeuten?“ „Was will mir das sagen?“

Fritz Perls hat für die Gestalttherapie eine Traumbearbeitung entwickelt, mit der wir der Botschaft des Traumes auf die Spur kommen können. Das ist keine Hexerei. Und es geht auch nicht um esoterische Traumdeutung oder mystische Interpretation.

In meiner Praxis trägt die Traumarbeit oft zu einer ungewöhnlich schnell eintretenden Linderung der belastenden Symptome bei.

Bevor ich auf die Methode und die fachlichen Hintergründe eingehe, mag die Erfahrung meiner Klientin Petra (Name geändert) ein Beispiel der Traumarbeit vor dem Hintergrund der Gestalttherapie geben.

Die Klientin

Petra, 42 Jahre, verheiratet, Mutter einer 7-jährigen Tochter und als Büroangestellte in Teilzeit berufstätig, führt das Leben, das sie sich wünscht. Sie kommt in meine Praxis wegen depressiver Verstimmungen. Sie erscheint als kontrollierte, sachliche Frau, die ihre Pflichten erfüllt und sich nach eigener Angabe oft im Kontakt auch mit bekannten Menschen etwas angespannt und unsicher fühlt. Lediglich mit der Tochter könne sie entspannt und spontan sein. In der Anamnese wird deutlich, dass sie auch an abendlicher Unruhe und seit ihrer Kindheit an einem wiederkehrenden Albtraum leidet.

Der Traum

„Ich war in meinem Elternhaus und musste etwas aus dem Keller holen. Mit einem unsicheren Gefühl öffnete ich die Kellertüre und machte das Licht an. Das Licht war nur schwach und leuchtete nicht alle Ecken aus. Ich hatte Angst. Ich musste an das hintere Regal, um etwas zu holen. Die zwei Meter dorthin dauerten gefühlt eine Ewigkeit. Bevor ich das Regal erreichte, sprang mir eine Figur entgegen und schrie mich an. Ich schrie auch und wache auf.“

Die Traumbearbeitung

Zunächst bitte ich die Klientin, den Traum in der Gegenwart zu erzählen, so als würde sie ihn jetzt gerade erleben. Sie dürfe sich dabei auch im Raum bewegen. Petra „spielte“ ihren Traum nach und schilderte das aktuelle Erleben bei vollem Bewusstsein: „Ich bin sehr aufgeregt und öffne die Kellertür. Jetzt mache ich das Licht an, es ist schwach, alles ist im Halbdunkeln ...“

Während dieser Phase der Traumbearbeitung kommen manchmal noch Einzelheiten dazu, die vorher nicht erzählt wurden. Jede Einzelheit ist wichtig und wird von mir als Therapeutin registriert, z. B. dass es eine Treppe gibt und weitere Feinheiten, die beim ersten Erzählen nicht benannt wurden. Der Traum wird im Raum lebendig. Die Klientin kann jetzt im Wachzustand ihr Tempo wählen und auf meine Fragen antworten. Beim Auftauchen der Figur bitte ich sie, hinzuschauen, und Petra erkennt in ihr eine Hexe aus einem Märchenbuch aus ihrer Kindheit.

In der nächsten Phase erfassen wir die Traumelemente, wie Kellertür, Treppe, Licht, Regal, Das-was-sie-holen-Muss (was nicht benannt werden konnte), die Hexe, die Gefühle in den einzelnen Schritten und ggf. neue Erkenntnisse.

Nun darf Petra ein Traumelement aussuchen. Je nach Klient (immer m/w) und Belastung fällt die Wahl unterschiedlich aus. Manche Menschen wählen das Element mit der stärksten Belastung (in diesem Fall die Hexe), andere beginnen die Traumarbeit mit einem scheinbar unbedeutenden Element (Kellertür, Treppe, Regal …).

Nun bitte ich Petra, den Traum aus Sicht dieses Traumelements zu erzählen. Sie entscheidet sich aus Vorsicht für das Regal, da sie mit der Traumbearbeitung noch unerfahren ist, und davon keine Gefahr auszugehen scheint. Nun bitte ich sie, das „Regal zu sein“ und das Traumerleben aus Sicht des Regals so detailliert wie möglich zu beschreiben. „Ich bin ein altes Regal, etwas staubig. Aber in mir sind viele Schätze, wie Werkzeuge, Fliesen, Farben und Pinsel. Hier ist alles ordentlich. Ich fühle mich stabil und wichtig. Jetzt geht das Licht an, gleich wird jemand kommen.“

Nun begleite ich Petra in ihrem Erkenntnisprozess, um die Qualität des Traumelementes herauszuarbeiten und ggf. die Beziehungen zu anderen Traumelementen zu klären; z. B. die Beziehung des Regals zu dem sich nähernden Mädchen in Form eines Dialogs.

In diesem Fall erlebte Petra im Dialog mit dem Regal den Kontakt zu bestimmten Ressourcen, wie ihre handwerkliche Geschicklichkeit u. v. m. – zum Teil auch Begabungen, die sie bisher als erwachsene Frau nicht ausgelebt hatte. Sie fühlte sich nach dieser Sitzung „wie durch sich selbst beschenkt“. Es folgten noch weitere Sitzungen, in denen Petra ihre Traumsprache bewusst entschlüsseln konnte. Als Therapeutin ist es mir wichtig, sehr praxisnah den Bezug zur Lebenswirklichkeit der Klientin herzustellen.

Nach kurzer Zeit hörten die abendliche Unruhe und die depressive Verstimmung auf. Petra wurde von Woche zu Woche selbstsicherer und der Albtraum wiederholte sich nicht mehr. Die Arbeit mit der Hexe führte zu einer Inneren-Kind-Arbeit, durch die sie einen jungen, sehr vitalen und mutigen Anteil ihrer Persönlichkeit integrieren konnte.

Diese Art der erlebenden Traumarbeit fordert in jeder Phase eine therapeutische Unterstützung, da für die oft heftigen Gefühls- und Erlebnisreaktionen eine sichernde Begleitung notwendig ist. Für Menschen, die unter schweren Depressionen, Psychosen oder Wahnvorstellungen leiden, ist die Traumarbeit nicht geeignet.

Traumarbeit als tiefgreifende Methode in der Psychotherapie

In der Psychotherapie müssen wir uns häufig an vielen Widerständen „vorbeiarbeiten“, bevor wir an das tiefe Bedürfnis der Klienten kommen. Unsere Kognitionen, Glaubenssätze und Prägungen versperren uns häufig den Weg zu unserer wahren Wesensnatur.

Im Traum ist unsere kognitive Zensur aufgehoben. Die Seele kann uns ungehindert die Bilder unserer tiefen Wünsche, Ängste und Bedürfnisse zur Erkenntnis anbieten.

Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, hat uns mit der Traumbearbeitung den Weg aufgezeigt, die Sprache der Seele zu entschlüsseln und sie fruchtbar zu machen für unsere aktuelle Lebenswirklichkeit. Der maßgebliche Unterschied zu den diversen Möglichkeiten, mit einem Traum umzugehen, besteht im wachen Erleben des Traumes.

Das bisher Unbewusste wird nicht durch denkende Interpretation verstanden, sondern als neue Erfahrung abgespeichert.

Schon Sigmund Freud hat den Traum als unmittelbaren Zugang zum Unterbewusstsein erkannt und seinen Klienten die fachliche Analyse zur Erkenntnis angeboten. Für ihn war der Traum ein Ausdruck unterdrückter Triebe, bevorzugt der Sexualität. Auch heute arbeitet die analytische Therapie mit Erkenntnissen aus dem Traumerleben.

Auch für C. G. Jung waren Träume ein Ausdruck des Unterbewusstseins. Er sah darin aber überwiegend die Aufarbeitung des Tagesgeschehens während des Schlafes, die er als eher unbedeutend ansah. Bedeutende Träume waren für ihn jene, die sich wiederholten bzw. kompensatorische Aspekte aufwiesen, da diese nicht nur eine Problematik, sondern auch einen Lösungsweg aufzeigten. Jung unterschied auch archetypische Aspekte (kollektives Unbewusstes) und präkognitive Träume (Visionen). Außerdem begründete er die Symbolsprache, in der wir den Ursprung für die heutige Traumdeutung finden.

Aus den Strömungen dieser Zeit erarbeiteten Fritz und Laura Perls die Erkenntnis, dass die stärkste therapeutische Wirkung aus dem Erleben einer neuen Erfahrung entsteht.

Perls führte verschiedene Techniken ein, um den Traum in der therapeutischen Arbeit zum Leben zu erwecken. Die Frage ist, wie kommt der Klient vom Erzählen ins Erleben? Ein kurzer methodischer Überblick:

1. Die Traumerzählung. Der Klient schildert den Traum so, wie er ihn auch einem Freund erzählen würde.

2. Die Wiederbelebung des Traumes im Hier und Jetzt. Durch grammatikalische Veränderung von der Vergangenheit in die Gegenwart und als Erzählung in der ersten Person wird statt einer Geschichte nun ein Erleben geteilt. Dabei regt der Therapeut den Klienten bereits an, Elemente zu erfahren, Bewegungen auszuführen, Körpersensationen bewusst zu spüren oder Dialoge in direkter Rede zu führen.

3. Die Traumdarstellung. Der Klient wählt die Traumelemente und spielt die Szenen nach. Zu welchem Element zieht es ihn, wo möchte er nicht hin? Nun wird Schritt für Schritt mit einzelnen Traumelementen gearbeitet. Auch die Arbeit mit nur einem Traumbild oder die Identifikation mit wenigen Teilen daraus führt zu Wachstum.

Anstatt den Traum zu interpretieren, wird er in der Gestalttherapie wieder zum Leben erweckt, als ob er jetzt passiert. Jede Geste, die Körperhaltung, Stimmlage, Wortwahl, Atmung des Klienten – alles ist bedeutsam für die Begleitung auf dem Weg zu den Schätzen der Träume als Sprache der Seele.

Auch als erfahrene Therapeuten dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, die Traumsprache selbst zu entschlüsseln bzw. uns zum Deuten verführen zu lassen. Auch wenn es manchmal Ähnlichkeiten in den Traumelementen gibt, ist die Botschaft für jeden Klienten ganz einzigartig und kann nur aus ihm selbst heraus entwickelt werden. Es gab in meiner Praxis z. B. schon einige Hexen in der Traumbearbeitung, doch jede hatte eine ganz eigene Qualität und Information für den Träumenden.

Zitate

„Nehmt jeden Menschen,
jedes Ding, jede Stimmung
und arbeitet dann an ihnen,
um jedes Einzelne von ihnen
zu werden. Übertreibt und
verwandelt euch wirklich in
jeden dieser verschiedenen
einzelnen Teile. Werdet
dieses Ding wirklich ...
dieser hässliche Frosch ...
ein Dämon – und hört auf
zu denken. Verliert den
Kopf und kommt zu
euren Sinnen.“ (Perls)

„Ich glaube, dass wir im
Traum eine klare existenzielle
Botschaft dessen haben,
was in unserem Leben fehlt,
was wir zu tun und zu leben
vermeiden, und wir haben
eine Menge Stoff zu reassimi-
lieren und müssen uns unsere
entfremdeten Teile wieder
zu eigen machen.“ (Perls)

Heike Brombach Heike Brombach
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Beraterin, Dozentin, Coach, Praxis für seelische Gesundheit in Lindlar

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Foto: ©Kalyanby