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Für eine menschliche und zielführende Kommunikation

... oder wie Sie einige Alltagsfehler der Psychologie geschickt umgehen!

FP 0220 komplett App Page8 Image1Sind Sie gefordert, in kürzester Zeit einen guten Kontakt zu Ihren Patienten/ Klienten (immer m/w) herzustellen? Sie möchten von Ihren Patienten eine aktive Mitarbeit zugunsten der Gesundheit und einer guten Compliance? Sie haben schwierige Patientengespräche vielleicht aufgrund der Diagnose oder der Beratung von Angehörigen?

Im Folgenden habe ich Kommunikationstechniken und psychologische Kenntnisse zusammengestellt, die Ihnen helfen, nachhaltig ein gutes Gesprächsklima aufzubauen.

Das Angleichen (engl. pacen)

John Grinder (Linguistikprofessor) und Richard Bandler (seinerzeit Student der Psychologie) gingen 1972 und die Folgejahre an der Universität von Santa Cruz (Kalifornien) der Frage nach, was die zur damaligen Zeit erfolgreichsten Therapeuten, z. B. Fritz Perls (Gestalttherapeut), Virginia Satir (Familientherapeutin) und Milton Erickson (Hypnosetherapeut) anders machten als andere Therapeuten. Beeinflusst wurden beide im weiteren Verlauf von dem Anthropologen Gregory Bateson, der sich mit Kommunikation, Psychologie und Systemen befasste, und von Paul Watzlawick, Kommunikationswissenschaftler und Autor vieler namhafter Bücher.

Grinder und Bandler lenkten nun ihr Augenmerk auf die Analyse der Kommunikationsstrukturen und weniger auf die Inhalte der Sitzungen. Sie erkannten in der Analyse, neben vielen anderen Entdeckungen, dass ein „Angleichen an die andere Person“ dazu führen kann, dass schneller ein guter Kontakt aufgebaut wird. Dieses „Pacen“ ist auf vielen verschiedenen Ebenen möglich. Auf der nonverbalen Ebene durch Angleichen der Körperhaltung, auf der sprachlichen Ebene durch Annähern des Sprachniveaus, Sprachstils und des Sprachtempos. Milton Erickson hat früher den Lidschlag übernommen, um seinen Klienten „näher“ zu sein.

Bei diesem Angleichen ist keine 1:1-Übernahme Ihres Gegenübers gemeint, sondern ein Sichannähern an den anderen. Und dies tun wir bei uns sympathischen Menschen oft unbewusst. So gehen Sie in die Knie, wenn Sie Kinder begrüßen, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sein. Oder Sie sehen im Park zwei Verliebte spazieren gehen und beobachten, dass beide den gleichen Schritt, das gleiche Tempo haben. In der Praxis kann hier ein Angleichen ein gutes Gesprächsklima unterstützen.

Der eigene State (engl. Zustand, Befindlichkeit)

FP 0220 komplett App Page8 Image2Wenn Sie das Angleichen schon aus einem anderen Artikel oder aus einem Seminar kennen und Sie bei der Anwendung der Techniken bisher nur wenige zufriedenstellende Ergebnisse erzielten, kann dies auf folgenden Sachverhalt zurückzuführen sein. Wenn Sie sich an eine andere Person angleichen und die Person ist in einem negativen State, emotional und/oder körperlich, dann nähern Sie sich unbewusst automatisch auch der Physiologie Ihres Gegenübers an.

Erfahrene Therapeuten haben dagegen durch bestimmte Techniken gelernt, sich im eigenen Zustand zu verankern und von da aus der anderen Person nur ein Stück weit entgegenzugehen. Sie übernehmen aber über das Spiegeln nicht deren physiologischen/emotionalen Zustand 1:1.

Sind Sie bisher damit weniger vertraut gewesen, dann reagieren bei der Technik des Pacens die Spiegelneurone unseres Gehirns, die für unsere Empathie zuständig sind, und fühlen individuell stark ausgeprägt empathisch mit dem anderen Menschen mit. Dies geschieht unbewusst, wahrscheinlich evolutionsbedingt, da Empathie eine wesentliche Voraussetzung ist, um von anderen Signale wahrzunehmen und zu erkennen, in welchem Zustand jemand gerade ist – z. B. wann jemand traurig ist und Unterstützung gebrauchen könnte oder ob jemand ärgerlich/wütend ist, sodass man sich dann darauf einstellen kann, damit umzugehen. Das Wissen um diese Prozesse kann diese von der unbewussten Ebene auf eine bewusste Ebene transportieren und somit einen bewusst gesteuerten Umgang ermöglichen.

Der erste Eindruck oder der Primacy-Effekt

FP 0220 komplett App Page9 Image1Wenn Sie schon bekannte Gesichter sehen, ist es oft leicht, an bestehende, gut etablierte Vertrauensverhältnisse anzuknüpfen. Sehen Sie jedoch ein neues Gesicht, haben Sie sofort, meist unbewusst, einen ersten Eindruck und schätzen die Person ein. Im besten Fall ist Ihnen diese auf Anhieb zumindest etwas sympathisch und Sie beginnen mit dem Gespräch. Dies wird im weiteren Verlauf noch vereinfacht durch den psychologischen Effekt des Primäreffekts (engl. Primacy-Effect). Einem Menschen, dem Sie positive Eigenschaften zuschreiben, nehmen Sie im weitesten Sinne positiver war und finden oft daran anknüpfend leicht mehrere Bestätigungen für Ihre erste Einschätzung.

Dieses Phänomen des ersten Eindrucks wurde von dem berühmten Psychologen Solomon Asch im Jahre 1946 mit folgendem Experiment belegt. Es gab zwei Gruppen und eine Person X, die von beiden Gruppen beurteilt werden sollte. Hierzu wurde beiden Gruppen je eine Liste mit identischen Beschreibungen gegeben, die sich lediglich in der Reihenfolge unterschieden.

Liste 1: intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, dickköpfig, neidisch

Liste 2: neidisch, dickköpfig, kritisch, impulsiv, fleißig, intelligent

Aschs Fragestellung war, ob die Darbietung der gleichen Informationen in einer anderen Reihenfolge die Bewertung über eine Person verändert. Das Ergebnis dieses Experimentes war eindeutig. Die Personen, die die Liste 1 bekamen, bewerteten X als kompetent. Die Personen, die die Liste 2 bekamen, bewerteten ihn jedoch als problematisch.

Die Begründung von Asch für dieses Phänomen ist, dass die Versuchspersonen vom ersten Adjektiv einen sehr starken Eindruck haben und die weiteren Informationen nicht isoliert betrachtet werden, sondern in Zusammenhang gebracht werden mit dem ersten Wort. Dadurch entsteht eine gewisse Erwartungshaltung, die alle weiteren Informationen dadurch beeinflusst, dass diese Informationen die Erwartungshaltung wahrscheinlich eher bestätigen und sich so ein gewisses Bild über die Person festigt.

Bei einer positiven Wahrnehmung fördert und verstärkt dieser Effekt den Beziehungsaufbau im Gespräch. Bei einer negativen Wahrnehmung eines Merkmals kann dies mehrere andere negative Merkmale nach sich ziehen.

Dieser Eindruck kann sich nun auch unbewusst in der Kommunikation spiegeln, z. B. wenn man einer Person weniger zutraut oder diese Person kritischer betrachtet. Hier ist die Rede vom „Pygmalion-Effekt“ (Synonym für Rosenthal-Effekt), der von Robert Rosenthal 1965 in Schüler-Lehrer-Transaktionen untersucht worden ist. Das Thema dieses Experimentes war, ob ein Einfluss besteht, wenn Lehrern eine Gruppe von Schülern mit positiven Attributen vorgestellt wird im Vergleich mit einer Gruppe von Schülern, die mit negativeren Attributen vorgestellt wird.

Das Ergebnis zeigte sich sehr deutlich im Notenspiegel, in dem die Schüler, die als vielversprechend galten, sich im Durchschnitt verbessern konnten, wohingegen die anderen Schüler, die als nicht so vielversprechend galten, im Durchschnitt eine Verschlechterung des Notenspiegels aufwiesen. Rosenthal erklärt diese Wirkung dadurch, dass die Lehrer unbewusst den „besseren“ Schülern mehr zutrauten und ihnen einfachere Hilfestellungen gaben und sie mehr förderten als die anderen Schüler, von denen sowieso nicht viel mehr zu erwarten war.

Um diesen unbewussten Mechanismen vorzubeugen, ist die Kenntnis über diese Phänomene erforderlich, gepaart mit einer guten Selbstreflexion und einem bewussten Umgang in der Kommunikation. Somit können Sie Urteilsverzerrungen entgegenwirken – zugunsten einer objektiveren Betrachtungsweise.

Ein vielfach angewandter Tipp aus der Praxis: Sollte Ihnen eine Person überhaupt nicht sympathisch sein, finden Sie etwas, was Sie an Ihrem Gegenüber aufrichtig schätzen können, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Sie werden überrascht sein, was Ihnen zukünftig auffällt und wie sehr dies Ihre Kommunikation nachhaltig verändern kann.

Das analytische Zuhören

FP 0220 komplett App Page10 Image1Ist ein „guter Zuhörer“ schon jemand, der sein Gegenüber aussprechen lässt? Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner unterscheidet zwischen Zuhören und Ausredenlassen des Gesagten. Für ihn ist nicht jeder automatisch ein guter Zuhörer, nur weil er die Person aufmerksam aussprechen lässt. Das Zuhören kann nach Matthias Schranner unterteilt werden in das analytische Zuhören und das assoziative Zuhören. Beim Letzteren werden meist über emotional besetzte Worte oder Inhalte Assoziationen geschaffen, die die Aufmerksamkeit des Zuhörers hin zu anderen Themen lenken. Beim analytischen Zuhören fragt der Zuhörende nach der Richtigkeit des Inhalts und der Motivation. Der Inhalt kann in einem kontrollierten Dialog überprüft werden. „Verstehe ich Sie richtig, dass ...“ oder „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ...“ Damit kann sichergestellt werden, die andere Person und ihr Anliegen richtig verstanden zu haben.

Uptime- und Downtime-Phasen in der Kommunikation

FP 0220 komplett App Page10 Image4Die Aufmerksamkeit ist bei Menschen nicht geradlinig konstant, auch wenn wir uns das oft bei uns selbst und bei anderen wünschen. Tatsächlich wechselt die Intensität. Sie kann unterteilt werden in Uptime- und Downtime-Phasen (s. Schaubild).

Bei Uptime-Phasen ist die Aufmerksamkeit nach außen gerichtet, in der DowntimePhase nach innen, auf unser Innenleben. Jemand träumt z. B. vor sich hin oder denkt gerade über etwas nach und ist somit in einem kognitiven Verarbeitungsprozess.

Erkennbar sind Downtime-Phasen daran, dass der Blick für gewöhnlich defokussiert ist oder in eine andere Richtung geht. Der vielleicht vorher bestehende Augenkontakt wird unterbrochen. Bei Kindern ist dies gut zu beobachten, z. B. beim Spielen oder bei den Hausaufgaben. Wenn Sie im Moment, in der Ihr Gegenüber sich in einer Downtime-Phase befindet, eine wichtige Information geben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Information nicht wahrgenommen wird.

Daher ist es bei wichtigen Informationen sinnvoll, darauf zu achten, ob die andere Person auch gerade uptime ist, die Information auch ankommt, also aufgenommen wird. Natürlich ist es hier wichtig, dass der Sprecher sich selbst im Uptime befindet. Die Aufmerksamkeit dauerhaft im Uptime zu halten, ist unrealistisch, jedoch kann durch Übung die Downtime-Phase verkürzt und somit die Uptime-Phase (Aufmerksamkeitsspanne) verlängert wird.

FP 0220 komplett App Page10 Image2Nun, wie kann man dies üben? Zuerst ist ein eigenes Bewusstsein über die eigene Aufmerksamkeitsspanne und die verschiedenen Phasen wichtig. Dann kann man sich darauf konzentrieren, diese zu verlängern und vielleicht auch selber bewusst kleinere Downtime-Phasen einräumen.

Freilich gibt es in der Kommunikation noch viel mehr Möglichkeiten, z. B. die Mimik, Eye Accessing Cues, das sind Augenzugangshinweise, oft benutzt im NLP und der Hypnose, körpersprachliche Veränderungen, jedoch ist eine Unterscheidung und eine bewusste Beobachtung und Steuerung von Uptimeund Downtime-Phasen in der Kommunikation ein ausgezeichneter Trainingseinstieg in die Welt der nonverbalen Sprache.

Überblick

  • FP 0220 komplett App Page10 Image3Ein Angleichen ist möglich in Körperhaltung, Sprachtempo, Wortwahl, Lautstärke, Atemrhythmus oder sogar im Lidschlag.
  • Achten Sie auf Ihren eigenen State und nutzen Sie ggf. Selbstführungselemente, um Ihren eigenen positiven State zu verankern, auch in emotionalen Gesprächen.
  • Seien Sie sich des Primacy-Effekts bewusst und bewerten Sie Informationen objektiv.
  • Wenden Sie analytisches Zuhören an und setzen Sie kontrollierte Dialoge ein.
  • Platzieren Sie wichtige Informationen, wenn die Person in der Uptime-Phase ist.

Literatur

  • Feustel, Bert und Komarek, Iris: NLP Trainingsprogramm. Südwest Verlag
  • Mohl, Alexa: Der Zauberlehrling. Junfermann Verlag
  • Braun, Roman: NLP - Eine Einführung. Redline Verlag
  • Schranner, Matthias: Verhandeln im Grenzbereich. Econ Ullstein List Verlag
  • Molcho, Samy: Körpersprache des Erfolgs. Heinrich Hugendubel Verlag
  • Gerrig, Richard J./Zimbardo, Philip G.: Psychologie, Pearson Deutschland

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Natalie Au:
Im Gleichgewicht –
intelligentes Stress-
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Natalie AuNatalie Au
Heilpraktikerin für Psychotherapie, EMDR-Therapeutin (VDH/DGMT), NLP-Master-Business (DVNLP/INLPTA), Traumatherapiemethode Somatic Experiencing nach Dr. Peter Levine
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Fotos: ©filistimlyanin1