Black Hypnosis und Showhypnose
Wie jedes potente Werkzeug kann die Hypnose missbraucht werden, auch wenn dies von vielen seriösen Autoren verneint, von weniger seriösen allerdings gerne stark betont wird! Was bedeutet „Missbrauch“ in diesem Zusammenhang? Die Hypnose entspricht einer manipulativen Machtausübung auf das hypnotisierte Subjekt ohne dessen bewusstes Wissen, wie sich dies der Volksglaube gerne vorstellt.
Warnen möchte ich auch vor manchen weitverbreiteten und bestens verkauften Seminaren, Büchern und Versprechungen, dass man „covert hypnosis“, „secrets of hypnosis“, „black ops hypnosis“ oder „Blitz- und Soforthypnose, überall und sofort!“ etc. dafür nutzen kann, seine eigenen Ziele – am besten noch gegen den Willen anderer und egoistisch – durchzusetzen! Von solchen pubertär-naiven Vorstellungen müssen Sie sich bitte befreien.
Was dort als „Geheimwissenschaft“ gehandelt wird, beherrschen professionelle Hypnotherapeuten ganz selbstverständlich. Und wie jedes Werkzeug kann auch hypnotische Kommunikation für egoistische und menschenfeindliche Ziele eingesetzt werden! Es ist nicht die Waffe, die böse ist, sondern der Mensch, der sie für entsprechende Zwecke missbraucht! Hypnose kann ein potentes Werkzeug sein; sie ist aber kein spektakulärer Zaubertrick für „mal schnell angewendete“ Manipulation. Denn sie erfordert viel Übung, Hingabe und psychologisches Hintergrundwissen, wenn sie wirken soll, und kann sicherlich nicht im Do-it-yourself-Verfahren in ein oder zwei Stunden erlernt werden.
Gefährliche Hypnose?
Es stellt sich aber die Frage, ob es wirklich möglich ist, Menschen mit hypnotischer Kommunikation gegen ihren Willen oder ihr Wissen zu manipulieren, und zwar nicht nur aus Gründen der Sensationsgier oder des wissenschaftlichen Interesses, sondern aus ganz praktischen Erwägungen! Denn weniger geübte Therapeuten fragen sich (und mich) am Anfang, was sie denn unabsichtlich falsch machen können, wenn sie mit Hypnose zu arbeiten beginnen.
Deshalb wollen wir erkunden, ob und wie Hypnotherapie zum Schaden des Patienten angewendet werden könnte, um genau dies zu vermeiden. Das Wissen um Missbrauchspotenzial und Fallstricke erzeugt in einem Therapeuten noch mehr Verantwortungsgefühl und innere Sicherheit in der Therapie, weil er dann ein besseres Gefühl für die sichere Seite bekommt.
Für ein besseres Verständnis teile ich die „Schwarze Hypnose“ in unabsichtliche und absichtliche „Fehler“ (manipulativer Missbrauch) auf. Letztere werden verantwortungsbewusste Therapeuten nicht betreffen. Aber es kann natürlich durchaus sein, dass Sie es mit Patienten zu tun bekommen, die unter unqualifizierter Hypnotherapie gelitten haben oder die durch eine solche (evtl. angeblich) sogar missbraucht worden sind. Deshalb kann es von Vorteil sein, auch die Möglichkeiten der „absichtlichen Fehler“ bzw. der negativ-manipulativen Einflussnahme zu kennen, wobei man ganz klar sagen kann, dass Hypnose – nach den Regeln der Kunst angewendet – nicht gefährlich ist, solange man die Indikationen und Kontraindikationen beachtet, gut ausgebildet ist und selbst nicht davon ausgeht, dass Hypnose missbraucht werden kann! (Diese innere Einstellung erscheint mir als Suggestion für den Behandler wesentlich!) Zum scheinbaren Erfolg von Showhypnotiseuren berichte ich später.
Unabsichtliche Fehler
– Missachtete Regeln für die Formulierung von Suggestionen
Sie haben gelernt, Suggestionen positiv zu formulieren, langsam und monoton mit eindringlichem Tonfall zu sprechen und im Sinne eines Pacings mit dem Patienten „mitzugehen“. Die Missachtung dieser Regeln führt im schlimmsten Falle zu einem Misserfolg der Hypnoseinduktion, sodass der Patient keinerlei Tranceerleben erfährt. Dies ist zwar negativ für Ihre Therapiebemühungen, aber eine Gefahr für Ihren Patienten besteht dabei nicht. Er wird evtl. unbewusst Ihre Unfähigkeit erkennen und die Praxis verärgert oder ohne therapeutische Veränderung verlassen. Auch die Umkehrung der therapeutischen Sprachmuster dürfte keinen Schaden verursachen – außer den eines therapeutischen Misserfolgs.
– Ungeeignete Umgebung, unkooperative Patienten und mangelnde Desuggestion
Im Allgemeinen wird man sich bei der Therapie für einen ruhigen Raum und eine stressfreie Atmosphäre entscheiden. Alles dies ist aber keine Grundbedingung für Hypnotherapie, sondern lediglich erleichternd. Ich habe schon vielfach spontan, in meiner experimentierfreudigen Anfangszeit, Induktionen in Kneipen, am Telefon, in belebten Fußgängerzonen und hektischen Kreißsälen durchgeführt. Alles das ist relativ einfach möglich, wenn man mit den üblichen Induktionen vertraut ist und dem Umweltstress (Lärm, Hektik, Bewegungen, Temperatur) für das Subjekt offensichtlich keinerlei Bedeutung zumisst. Diese innere Grundhaltung („Die Umgebung ist völlig egal!“) überträgt sich automatisch via nonverbale Suggestion auf das Subjekt und kann sogar tranceerleichternd sein, sobald es die ersten in Aussicht gestellten Ver- änderungen (Katalepsie, vorübergehende Lähmung, andere Körpersensationen) fühlt. Denn das wird sein Vertrauen in Sie als fähigen Hypnotiseur schlagartig verstärken!
Patienten mit Widerständen bauen oft eine so große Angst und Abwehr gegen Hypnose auf, dass sie dieser praktisch erliegen und sehr schnell in Trance gehen können. Denn sobald sie sich stark gegen eine Induktion wehren, wirkt dies ja wie ein Suggestion in sich: „Hier findet eine wirksame HypnoInduktion statt, gegen die ich mich mit aller Kraft wehren muss!“. Denn der Patient unterstellt Ihnen dadurch ja eine hohe Kompetenz, sonst gäbe es keinen Grund für Gegenwehr. Wenn Sie nun mit absoluter Überzeugung weiter dranbleiben, werden viele Patienten trotz Widerstand in Trance gehen! Ob das in der Therapie Sinn macht oder nicht, werden Sie als Therapeut selbst entscheiden müssen. In Notsituationen (Entbindung, Unfall, Schmerzen) ist das allerdings gut vorstellbar, von mir schon sehr oft praktiziert worden und durchaus sinnvoll.
Beispiel mangelhafter Desuggestion
1. Ich induzierte als junger Student einmal zum Spaß(!) eine suggestive Lähmung eines Armes bei einer jungen Frau mitten in einer belebten Kneipe. Sie sprach sofort und fasziniert trotz deutlicher Abwehr auf die Suggestionen an. Die gesamte Aktion dauerte keine fünf Minuten. Sie konnte ihren Arm tatsächlich nicht mehr bewegen, geschweige denn fühlen. Natürlich war sie entsetzt und wir verließen die Lokalität allzu schnell, sodass ich keine Möglichkeit hatte, die Suggestionen langsam zurückzunehmen (Desuggestion).
Sie verabschiedete sich entsetzt und verschwand in die Nacht. Ich hörte nie wieder von ihr! Dennoch machte ich mir keine allzu großen Sorgen; wusste ich doch, dass sich derartige hypnotische Lähmungen, hervorgerufen in Trance, nach einer gewissen Zeit von selbst auflösen. Dennoch war die Frau nun natürlich für alle Zeiten abgeschreckt. In der Literatur wird allerdings auch von suggerierter Blindheit (oder als Konversionssymptom) berichtet, sodass man sich sicherheitshalber immer von der erfolgreichen Rücknahme gegebener Suggestionen überzeugen sollte! Das war keine Meisterleistung meiner hypnotischen Karriere!
2. Bei einem anderen Subjekt, einem sehr skeptischen jungen Arzt, induzierte ich die Imagination eines stark verlängerten Armes, der so lang war, dass dieser teilweise auf der Straße lag, obwohl der Patient stand! Auch diese Suggestion nahm ich leider nicht ad- äquat zurück. Der Arzt berichtete mir ganz interessiert und fasziniert, dass diese Imagination ihn den ganzen folgenden Tag zu Hause gehalten hatte, weil er immer Angst hatte, ein Auto oder die Straßenbahn könne über seinen Arm fahren! Nicht alle Patienten sind derart suggestibel und auch tolerant gegenüber unseren Fehlern.
3. Ein weiterer Fall von unabsichtlich ungenügender Desuggestion war eine Patientin mittleren Alters, die ich bei der Beendigung der Trancesitzung (vermeintlich!) langsam von 10 nach 1 rückwärts Stufen nach oben gehen ließ. Sie rief mich am nächsten Tag an, dass sie zum einen unsterblich in mich verliebt sei (von diesem Problem wird im Folgenden noch berichtet) und zum anderen auf der dritten Stufe „festsäße“! Ich führte sie am Telefon suggestiv – nun ganz langsam – bis zur obersten Stufe Nummer 1 und ließ sie selbst bestätigen, dass sie nun „oben angekommen“ sei! Weitere Probleme tauchten nicht auf.
Symptomlöschung ohne Ersatz
Der Hypnotherapie wurde früher vorgeworfen, sie beseitige lediglich Symptome, ohne wirklich zu heilen. Da man heute nicht einfach nur Symptomlöschung vornimmt, sondern im Sinne eines Reframings mit dem Patienten Alternativen schafft oder das Unbewusste dazu anleitet, kreative Lösungen zu finden, kann dieser Vorwurf kaum noch aufrechterhalten werden. Dennoch ist es natürlich möglich, diesen Fehler zu produzieren, indem Sie Symptome einfach ersatzlos entfernen („Von nun an rauchen Sie nicht mehr!“). In vielen Fällen wird der Zweck des Verhaltens dann durch ein anderes Fehlverhalten erzeugt, indem der Patient sich ein neues, oft ebenso schädliches Verhalten aneignet, wie Tabletteneinnahme zur Beruhigung. Dieser Gefahr entgehen Sie immer durch Entwicklung von akzeptablen Alternativen (s. „Reframing“) oder durch Vertrauensstärkung in sein Unbewusstes, das eigene, kreative und nützliche Lösungen suchen soll, wozu Sie in Trance immer anleiten (sinngemäß: „Sie hören auf zu rauchen und Ihr Unbewusstes sucht sich eine unschädliche Alternative!“).
Schmerzlinderung ohne Diagnose
Sicherlich kann akute Schmerztherapie in Hypnose durch Dissoziation sehr erleichternd und sinnvoll für den Patienten wirken. Allerdings kann man sich gut vorstellen, dass einem Tumorpatienten mit einem malignen Magenkarzinom langfristig nicht geholfen ist, falls man ohne Diagnose einfach den Schmerz beseitigt. Denn Schmerzen sind ja wertvolle Warnzeichen, die weiterer Abklärung bedürfen.
Wenn Sie also Anästhesie in irgendeiner Form induzieren, sollte klar sein, dass die Grunderkrankung professionell therapiert wird! So kann Schmerzlinderung bei Krebspatienten durch Hypnotherapie die letzte Hoffnung in der Palliativmedizin sein; sie kann aber auch die Progredienz einer ernsthaften Erkrankung verschleiern. Also seien Sie medizinisch verantwortungsvoll, intelligent und wachsam! Natürlich dürfen Sie auch migränoiden Kopfschmerz unkompliziert mit Hypnose angehen. Sollte dieser allerdings allzu häufig auftreten, muss nach guter ärztlicher Sorgfaltspflicht natürlich nach der Ursache geforscht werden.
Fallbeispiel
Einer meiner Patienten kam in meine Praxis mit starken Zahnschmerzen, die ich u. a. auch hypnotherapeutisch als posthypnotischen Befehl minimierte. Auf dem Röntgenbild stellte sich eine unklare Aufhellung dar. Ich verwies den Patienten an eine Fachklinik. Wenige Monate später erfuhr ich, dass er an einem KieferhöhlenKarzinom verstorben war – Ausgangspunkt war eben dieser Zahn. Selbst wenn er offensichtlich nicht mehr gerettet werden konnte, überlegen Sie, welche Bürde man als Behandler zu tragen hätte, wenn man hier nur den Schmerz reduziert hätte, ohne die Ursache zu ergründen …
Manipulativer Missbrauch
– Verletzung und Mord durch Hypnose
Auch in Trance ist ein Patient nicht willenlos, sondern auf gewisser Ebene, vergleichbar mit Meditation, sogar wacher und sensibler. Auch sein Selbsterhaltungstrieb kann nicht einfach „eingeschläfert“ werden. Wenn Sie also einem Subjekt befehlen wollten, es möge ein Messer nehmen und es sich zwischen die Rippen stechen, so wird es spontan aus der Trance erwachen und den Ort empört verlassen. Patienten erwachen nahezu immer spontan, wenn Sie logische Fehler suggerieren oder gegen seine natürlichen Grundbedürfnisse angehen, wie z. B. den Selbsterhaltungstrieb. Hierfür gibt es in der Literatur viele Beispiele, die zeigen, dass Hypnose nur einer von vielen Faktoren darstellt, die einen Menschen negativ beeinflussen können. Weitere sind z. B. die Erwartungshaltung vertrauter Personen, Gruppenzwänge, der ganze Kontext der Situation etc. Ähnlich wie Alkohol oder eine Liebesbeziehung, die manche Handlung begünstigen kann, trifft das auch auf die Hypnose zu. Sie allein kann aber kaum dazu dienen, ein Subjekt zu antisozialem Verhalten anzuleiten, wenn hierfür keine innere Bereitschaft vorhanden ist oder nicht auch andere begünstigende Faktoren im Spiel sind!
Dennoch gibt es theoretisch durchaus die Möglichkeit, Subjekte in Trance sogar zu töten! Das wäre über Umwege möglich, sofern der Hypnotisierte eine ausreichende Trancetiefe erreicht und über gute Halluzinationsfähigkeit verfügt: Der Hypnotiseur könnte dem Subjekt suggerieren, es stünde auf einer wunderschönen Waldlichtung, währenddessen es aber auf dem Balkon des 10. Stockwerkes eines Hauses steht. Nun lässt er das Subjekt durch ausgiebige bildhafte Suggestionen halluzinieren, vor ihm sei ein Felsblock mitten auf der Waldlichtung, auf den er hinaufklettern möge (die Brüstung, das Geländer). Von dort nun sei es nur ein kleiner Sprung auf die weiche Waldwiese, um dort Blumen zu pflücken.
Allerdings sind namhafte Autoren der Ansicht, dass Subjekte durchaus auch in Trance zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden können, sobald die geforderten Handlungen eine Gefahr darstellen! Ob dies in jedem Fall zutrifft, wage ich zu bezweifeln, denn es gibt wirklich außergewöhnlich gute Medien („Somnambule“), die sehr tiefe Trancezustände erlangen können.
Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wenn das Subjekt sehr suggestibel ist und in ausreichender Trancetiefe gut halluzinieren kann, wäre eine solche Handlung durchaus vorstellbar! Bisher hat aber niemand den Beweis angetreten! Falls das Subjekt ganz andere Welten halluziniert (bei der Halluzination ist es sich wie beim Wahn nicht bewusst, dass es sich nur um geistige Bilder handelt. Bei der Imagination besteht diese Bewusstheit.), wäre also Suizid in Trance indirekt zumindest vorstellbar.
– Auslösen von Depressionen, Angst und Schmerz
Ein sadistischer Behandler könnte natürlich Techniken auch umkehren, indem er z. B. traurige Erinnerungen größer, heller, langsamer ablaufend, näher, intensiver … suggeriert, statt umgekehrt. Auch Schmerz kann enorm verstärkt und sogar erst erzeugt werden.
Beispiel: Während meines Studiums der experimentellen und klinischen Hypnose bei U. Jovanovic suggerierten wir bei einer Versuchsperson, die sehr gut auf hypnotische Suggestionen ansprach, dass wir ihr eine heiße Münze auf den Handrücken legen würden. Tatsächlich schreckte sie bei der Berührung mit der (zimmerwarmen!) Münze zurück und entwickelte innerhalb einer halben Stunde an dieser Stelle eine Verbrennung zweiten Grades (Rötung mit Blasenbildung!). Das war für mich ein eindringlicher Beweis der Interaktion von Körper und Geist, zumal unter hypnotischem Einfluss! Allerdings sind Menschen mit derart guter Trancereaktion sehr selten, nach meiner Erfahrung weit unter 10 %. Aber es ist immerhin möglich, zumal wenn man sich ausreichend Zeit nimmt und die Person in mehreren Sitzungen immer besser und tiefer in ihrer Trancefähigkeit trainiert (mehrfache Tranceinduktionen mit Phasen der Wachheit dazwischen nennt man „fraktionierte Hypnose“).
– Induzieren von Wahnvorstellungen
So wie die Reaktion auf die Münze ja nur im Wahn als heiß wahrgenommen worden war, können sicherlich auch Halluzinationen induziert werden, die dem Patienten in dem Moment nicht als solche bewusst sind. Das habe ich vielfach experimentell ausprobiert. Es ist kein Problem für die meisten Menschen, sich einen weißen Hasen auf einem Stuhl vorzustellen; soweit wäre das eine Imagination. In tieferen Trancestadien verliert das Subjekt aber die Bewusstheit und hält den Hasen für eine Wahrheit (Halluzination) und würde diesen nach Aufforderung sogar streicheln. Dass es auch über die Trancesitzung hinaus möglich ist, also dem Subjekt posthypnotisch zu suggerieren, dass immer wieder z. B. weiße Mäuse seinen Weg kreuzen, halte ich durchaus für möglich, indem man ihm die Anweisung gibt, auf bestimmte Schlüsselreize hin spontan in Trance zu fallen und dann zu halluzinieren! Das ist auch der Hauptgrund, warum man mit psychotischen Patienten nicht hypnotherapeutisch arbeiten sollte. Allerdings habe ich mit der Induktion anderer, nicht therapeutischer Wahnvorstellungen keinerlei Erfahrungen gemacht, außer im o. g. experimentellen Zusammenhang.
Da ich hier ausschließlich von eigenen Erfahrungen berichte, überlasse ich es Ihnen, sich in der Literatur mit solchen Themen vertraut zu machen.
– Sexuelle Nötigung
Manche Menschen erlernen die Hypnosetechnik tatsächlich in der Hoffnung, ihre eigenen sexuellen Fantasien mit in Trance willig gemachten Personen ausleben zu können (so selbst in Kursen gesehen!). Dazu kann ich sagen, dass Frauen, um die es hier ja in der Hauptsache als Opfer geht, in Trance ein eher noch sensibleres Moralempfinden zeigen als im Wachzustand, der vom rationalen Verstand mit allerlei Hemmungen und sozialen Programmierungen dominiert wird. Man wird also kaum damit Erfolg haben, einer Frau direkt sexuelle Leidenschaft für sich selbst zu suggerieren, sofern diese nicht schon zumindest im Keim da war.
Allerdings halte ich es durchaus für möglich, ähnlich wie beim Thema des Suizids in Trance, über imaginäre Umwege ans Ziel zu gelangen:
Der Hypnotiseur könnte Wärme, Kribbeln und Wohlgefühl in der Genitalregion erfolgreich suggerieren (sofern die Person hier nicht schon spontan mit Widerstand reagiert). Wenn er dann noch Erinnerungen an vergangene lustvolle Szenen aufruft und offene Suggestionen von baldigen sexuellen Handlungen mit einer vertrauten Person gibt, dann ist es durchaus vorstellbar, dass man derart einen Menschen auf eine sexuelle Handlung einstimmen könnte, im Sinne einer Bahnung oder eines „Seedings“.
Auch möchte ich betonen, dass Personen in und nach Trance recht oft sexuelle Fantasien und Neigungen in Richtung ihres Therapeuten entwickeln, was vermutlich an der engen, vertrauten, sich öffnenden und auch im Ansatz dominanten Verbindung in Trance liegen mag. Deshalb empfehle ich prinzipiell eine dritte Person im Raum als Zeugen oder zumindest einen Videomitschnitt der Sitzung. Patientinnen fantasieren tatsächlich manchmal, in Trance vom Therapeuten unsittlich berührt worden zu sein, was ohne Zeugen für Sie zum Problem werden kann. Auch kann ich bestätigen, dass nicht wenige Patientinnen Tage nach der Trancesitzung mir ihre „Liebe“ am Telefon oder auf anderem Wege mitteilten!
Also kurz: Direkt wird ein böswilliger Hypnotiseur kaum Glück dabei haben, sexuelle Handlungen zu provozieren. Indirekt dürfte dies in Trance in manchen Fällen durchaus im Sinne einer inneren Bahnung zur Bereitschaft möglich sein. Und schützen Sie sich als Therapeut vor romantischen Fantasien des anderen Geschlechts durch das Einsetzen eines Zeugen!
– Anleiten zu kriminellen Handlungen
Dazu finden Sie im Internet unglaublich viele mehr oder weniger aufschlussreiche Informationen. Da ich hierzu keinerlei Erfahrungen bieten kann, sei nur so viel gesagt: Sinngemäß gilt hier genau das Gleiche wie bei sexuellen Handlungen oder dem Suizid. Sofern es gelingt, das Subjekt in eine andere, halluzinierte geistige Welt zu versetzten, ist prinzipiell jede kriminelle Handlungsprovokation möglich. Allerdings dürfte es wenige Hypnotiseure, die zudem derartige kriminelle Energien aufweisen, und ausreichend tief hypnotisierbare „Somnambule“ geben, die dafür geeignet sind, sodass diese Möglichkeit der direkten Veranlassung einer kriminellen Handlung immer eine Außenseiterrolle spielen wird. Denkbar ist auch das Ausnutzen von unsicheren Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung für solche Machenschaften.
Allerdings halte ich eine hypnotisch-suggestive Beeinflussung von Märtyrern beim Dschihad oder Kindern rumänischer Räuberbanden hervorgerufen durch Abhängigkeiten, soziale Programmierung, fanatische Indoktrination und einen Mangel an internen Wahlmöglichkeiten durchaus für möglich. Oftmals bleibt der Psyche bei entsprechend traumatisierendem Umfeld nur die Flucht in eine Trance mit Abspaltung mancher Persönlichkeitsanteile.
Zudem leben wir alle in einer Traumwelt der Illusionen mit wechselnden Bewusstseinszuständen. Der Übergang zur fremdgesteuerten Trance (wir werden ständig „fremdgesteuert“ durch Werbung, Politik, Freunde, Familie, Kirchen …) ist für jeden Menschen fließend, ebenso wie unser Wachheitsgrad, der ständig wechselt. Oder denken Sie wirklich, Ihre Auswahl im Supermarkt sei eine unbeeinflusste, freie Entscheidung?
Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, ich wolle Möglichkeiten aufzeigen, das wertvolle und potente Instrument der Hypnose zu missbrauchen. „Aber erst wenn man den Feind kennt, kann man gegen ihn gewappnet sein!“ (sinngemäß nach Sun Tzu). Das Wissen um die potenziellen Gefahren möge einen besseren Therapeuten aus Ihnen machen!
Showhypnosen
Hier scheint der Hypnotiseur sogar unbegrenzte Macht über sein Publikum auszuüben und eine unglaublich souveräne Meisterschaft an den Tag zu legen. Da ich hin und wieder selbst – mea culpa (als junger Student) – zu Showzwecken mit Gruppen experimentiert und etliche „Meister der Show“ analysiert habe, komme ich zusammen mit Jovanovic und Weitzenhoffer zu folgenden Schlüssen:
– Viele Showhypnotiseure verwenden vorher in Trance trainierte Handlanger, die dann wie zufällig auf die Bühne kommen oder gezielt ausgewählt werden. Dies ist kein Vorurteil, sondern gängige Praxis!
– Die erfolgreiche Induktion hypnotischer Phänomene bei diesen Strohmännern löst tatsächlich bei anderen einen Nachahmereffekt aus, weil der Hypnotiseur dadurch immens an Glaubwürdigkeit gewinnt. Diese Erfahrung mache ich selbst immer wieder auch in meinen Seminaren, wo ich selbstverständlich auch mit den suggestivsten Subjekten beginne.
– Diese Anfangserfolge erzeugen eine positive Atmosphäre des Vertrauens, in der das geneigte Publikum dazu tendiert, kleinere Fehler zu übersehen oder zu tolerieren und schon kleinste hypnotische Phänomene werden als deutlicher Erfolg gedeutet, selbst wenn diese noch nicht vollständig oder abgeschlossen sind!
– Menschen neigen zum Herdentrieb, ein Massenphänomen, dem auch noch so kritische Akademiker unterliegen. Fahren Sie einfach einmal an einer roten Ampel mit dem Auto ein Stück vor und beobachten Sie, wie der Fahrer neben Ihnen meist ebenso reagieren wird!
– Viele Menschen neigen zum Rollenspiel und zur Nachahmung auch in kleinerem Rahmen. Und dem Showmaster ist es egal, ob er es mit einem echten Hypnosephä- nomen zu tun hat oder nicht! „The show must go on!“. Manchmal wird das durch Suggestionen „Nur intelligente Menschen sind hypnotisierbar!“ unterstützt, denn wer will schon gerne als dumm gelten?
– Der wichtigste Punkt erscheint mir jedoch, dass man als Hypnotiseur durch Erfahrung einfach ein Gefühl dafür bekommt, wer auf die eigene Stimme, Handlungen, Blicke und Gestik gut reagiert (man nennt das einen „Rapport“ bekommen), und kann diese Subjekte dann gezielt für anfangs leicht zu induzierende Effekte auswählen (Katalepsie, Ruhetonus, Augenstarre ...)! Hier verhält es sich ein wenig wie beim Flirten: Man erkennt sehr schnell, zumindest beim anderen Geschlecht, wer dem eigenen Blick nicht gleich ausweicht, wer auf ein Lächeln ebenso reagiert, wer der eigenen Gestik im Sinne eines „Pacing and Leadings“ folgt, wer konzentriert bei der Sache ist und weniger leicht ablenkbar (geeignet für Fixation) ist.
– Manche „hypnotische Phänomene“ sind durchaus auch im Wachzustand leicht auszuführen (z. B. die „kataleptische Brücke“, „hand clasping test“), was dann vom Publikum gerne als Hypnosebeweis fehlinterpretiert wird, sobald die Stimmung für den Showmaster aufgebaut ist!
– Showhypnotiseure sind – wie auch gute Therapeuten bei Widerständen der Patienten – Meister darin, einen Misserfolg wie einen Erfolg aussehen zu lassen oder schnell zum nächsten Effekt (oder bei uns: Modul) zu wechseln!
Es gibt noch weitere Punkte, die man anführen könnte. Showhypnotiseure sind in erster Linie Showmaster, Unterhalter und keine Therapeuten. Wir müssen in der Psychotherapie mit jedem Patienten einen Weg finden, egal wie gut sein inneres Setting und seine Suggestibilität nun mal sind. Showhypnotiseure können sich ihre Protagonisten aus einem gewissen Pool an Subjekten aussuchen.
Ich möchte lediglich, dass Sie nicht glauben, Showhypnotiseure seien bessere Trance-Erzeuger als ernsthafte Hypnotherapeuten! Sie sind spezialisierte und oft ausgezeichnete Showmaster und sicherlich auch gute Hypnotiseure!
Schlusswort
Hypnose wird bis heute nicht vollständig verstanden. Sie ist inzwischen ein etabliertes psychotherapeutisches Werkzeug mit manchmal faszinierender Potenz. Dennoch ist sie kein Allheilmittel und funktioniert bei Weitem nicht immer oder in jedem Fall.
Dass eine derart schillernde und gleichzeitig wirksame Methode natürlich zu allerlei Spekulationen Anlass gibt, muss nicht verwundern. Wie jedes scharfe Instrument kann sie auch Schaden anrichten, sonst müsste man ihre Wirksamkeit bezweifeln. Es liegt an uns selbst, was wir aus den uns gegebenen Möglichkeiten machen. Das gilt für die Psychotherapie wie für alle Bereiche des Lebens.
Dr. Michael Weh (enO)
Zahnarzt, Heilpraktiker, Hypnotherapeut, Meditationslehrer, Fachbuchautor
Fotos: © Victor Tongdee, © Oleksandr, ©Milles Studio