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Der Albtraumfänger

2014 04 Albtraum1

Ein diffuses Gefühl oder ein Gefühlschaos? Und dies möglicherweise einhergehend mit schmerzenden Nebenwirkungen? Mit der Frage, woher dieses Gefühl kommt, beschäftigen sich die Betroffenen in der Regel schon, seit es ihnen aufgefallen ist. Meist haben sie für sich auch einen passenden Ursprung gefunden. Und doch treten ihre schmerzenden Gefühle immer wieder mit allen Auswirkungen auf.

fotolia©Jakub KrechowiczZiehen diese Personen dann einen Coach oder Therapeuten hinzu, wird er mit ihnen seine Werkzeuge einsetzen, um einen Ursprung zu finden oder zu bestätigen. In der Regel gelingt es auch, diese gefundene Ursprungssituation angenehmer zu gestalten. Und ja – vielleicht schwächen sich die Gefühle samt Auswirkungen zeitweilig sogar ab. Eine andere Möglichkeit ist, zu versuchen, die Gefühle zu transformieren oder den Klienten Verhaltenstechniken beizubringen, die weniger schmerzhaft sind. Doch die Gefühle bleiben und beeinträchtigen das Leben des Klienten immer wieder.

Ich kann heute, dank des Albtraumfängers, mit Sicherheit sagen: So lange diese Gefühle vorhanden sind, solange ist der tatsächliche Ursprung noch nicht gefunden. Ist er hingegen gefunden, lösen sich die schmerzenden diffusen Gefühle auf, sodass ein differenziertes Fühlen möglich ist und die Auswirkungen völlig verschwinden.

Als Angehöriger habe ich viele Jahre einen lieben Menschen begleitet. Ich habe immer wieder miterleben müssen, wie sich dieser Mensch mit seinen Gefühlen quält und von ihnen zerstört wird. Gleichwohl wusste ich, aus den wenigen beschwerdefreien Zeiten, welch angenehmer, liebevoller Mensch neben mir ist. Ich/Wir haben vieles versucht, haben uns in Weiterbildungen und Ausbildungen gestürzt, haben Modelle, Werkzeuge und Methoden kennengelernt – keines hat den endgültigen Erfolg gebracht.

Ich habe mich sehr intensiv damit beschäftigt, zu ergründen wie unser Erinnerungssystem funktioniert, welche Präferenzen wir dort haben, welche Prioritäten, wer auf welche Trigger vorzugsweise reagiert. Ich kam zu der sicheren Erkenntnis, dass unser Unterbewusstes den Ursprung auf einer besonderen Ebene kennt. Zudem erkannte ich, dass diese Gefühle immer zu körperlichen unangenehmen Empfindungen führen, die wie schwere Schmerzen kaum auszuhalten sind.

Die Quintessenz: Unser Unterbewusstes versteckt sehr tief, so tief, dass es für unser Bewusstes und unser Erinnerungssystem keinen Zugang mehr gibt. Früher vermutete ich, heute weiß ich es; das Unterbewusste versteckt dieses Ereignis so tief, weil wir aus verschiedenen Gründen zum Zeitpunkt des Entstehens nicht in der Lage waren, dieses Ereignis zu verarbeiten. Das Unterbewusste ließ nur noch eine Erinnerung in unserem langlebigsten Erinnerungssystem zugänglich – ein Gefühl, ohne jegliche Bilder, Geräusche oder Ähnliches. Bilder und Geräusche sind durch den inneren Verdrängungsmechanismus beseitigt worden, mit der seinerzeit guten Absicht, uns zu schützen.

Ich musste also einen Weg finden, diese Bilder und Geräusche im Klienten rekonstruieren zu können. Ich probierte viele Wege aus, inklusive Hypnose und Trance, doch kam ich nie weit genug. Es endete immer in einem „Da kommt nichts, da kommen keine Bilder!“.

Nach endlosen Versuchen hatte ich ein erstes Mal Erfolg. Diesen Erfolg konnte ich dann bei anderen Klienten direkt reproduzieren. Nach einigem Geholpere und Gestolpere kristallisierte sich ein klarer Lösungsweg heraus, plötzlich hatte ich ein funktionierendes Rezept: ein Werkzeug, das ich nun jederzeit aus dem Werkzeugkasten nehmen und erfolgreich einsetzen kann – den Albtraumfänger.

Der Einsatz dieses Werkzeuges erfordert einen Therapeuten oder Coach, welcher in der Lage ist, sein eigenes Weltbild zeitweilig komplett auszublenden und sich voll und ganz auf das Weltbild seines Klienten einzulassen. Der Albtraumfänger besteht aus minimal drei Sitzungen.

Die erste Sitzung

fotolia© Dan RaceIn einer ersten Sitzung wird das Gefühl besprochen, erlebt/gefühlt und im Körper geortet. Meist treten die Gefühle an mehreren Körperstellen mit unterschiedlichen Wirkungen auf. Jede Stelle im Körper, an der dieses Gefühl auftritt, wird mit einem auditiv kinästhetischen Marker versehen, um später die entsprechenden Stellen wieder ansprechen zu können. Den auditiven Teil des Markers bestimmt der Klient. Den kinästhetischen Zusatz ergänzt der Coach und nutzt nur noch den gesamten Marker.

Wenn der Klient z. B. das Wort „Mauer“ gewählt hat, ergänzt der Coach es um die Stelle im Körper, wo es wie wirkt, also „Mauer, die auf der linken Schulter drückt“. Es kann sein, dass der Klient das Wort „Mauer“ für das gesamte Gefühl nutzt, weil es für ihn ein einziger Gefühlsbrei ist. Durch den kinästhetisch beschreibenden Zusatz lässt sich vom Coach jedoch gezielt der Teil des Gefühls in der jeweiligen Körperstelle ansprechen. Jede Stelle führt später zu einer anderen Ursprungssituation und wird daher in einer eigenen Sitzung geklärt.

Die Detektivsitzung

In dieser Sitzung muss der Klient Sicherheit und Vertrauen fühlen können, die Betonung liegt auf fühlen können; wie individuell auch immer Klienten Sicherheit und Vertrauen fühlen.

Natürlich muss geklärt werden, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, den Ursprung des Gefühls zu finden und zu klären. Ebenso braucht der Klient das Vertrauen, dass dieses Gefühl heute für immer geklärt werden kann. Und er wird zudem noch darauf hingewiesen, dass alles, was ihm in den Sinn kommt, richtig und wichtig für die Lösung ist. Der Coach oder Therapeut sollte auf alles vorbereitet sein.

Wenn in der ersten Sitzung mehrere Marker festgelegt wurden, bestimmt der Klient jetzt, mit welchem Marker er beginnen will.

Die erste Phase – das Vortasten

fotolia©Astrid GastDer Klient wird in eine Gefühlstrance geschickt, unter Verwendung des in der ersten Sitzung erstellten Markers. Es reicht dabei eine sehr leichte Trance, jedoch mit häufiger Betätigung des Markers. Dann wird der Klient gebeten, innerlich in seinem Leben zurückzugehen und zu schauen, was ihm präsentiert wird. Er möge alles annehmen, was kommt. Der Klient wird vermutlich von Schwierigkeiten berichten, Bilder zu bekommen, das ist normal.

Nach einiger, vermutlich längerer Zeit im Dunklen wird dann eine erste Situation erscheinen. Es kann durchaus die Situation sein, die der Klient bisher als Ursprung annahm. Diese Situation muss mit den Werkzeugen des Coaches so lange bearbeitet werden, bis der Klient sagt: „Diese Situation fühlt sich so (sehr) gut an.“ Dies bedeutet für den Klienten: in dieser Situation ist das ursprüngliche Gefühl verschwunden. Ich wende hier meistens Techniken an, die heutige Ressourcen des Klienten hinzufügen, also Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die der Klient inzwischen erworben hat und in die Situation von damals mit zurücknehmen kann. Dadurch kann der Klient selber aktiv die Situation anders gestalten und erleben.

Die zweite Phase – die Ablenkung

Nach Klärung dieser Situation wird der Klient gebeten, weiter in der Trance nach Situationen in seiner Vergangenheit zu forschen. Diese werden nun nicht mehr unbedingt in chronologischer Reihenfolge erscheinen. Die Reihenfolge scheint eher eine innere Bedeutungsreihenfolge zu sein.

Jede der Situationen muss, mit den gleichen oder zusätzlichen Mitteln wie die erste Situation, bearbeitet werden, bis sie sich für den Klienten gut anfühlt. Fühlt sie sich gut an, wird bezogen auf diese Situation das belastende Gefühl verschwinden. Die Zeit zwischen den einzelnen Situationen ist jetzt kürzer und die Themen wechseln intensiv.

Der Coach hat manchmal den Eindruck, der Klient wolle ablenken, aus dem Prozess fliehen. Doch das Unterbewusste prüft hier seine Sicherheit, sein Vertrauen ob der Ursprung herausgegeben werden kann und ob der Klient in der Lage ist, diesen Ursprung positiv zu bearbeiten. Irgendwann erscheint längere Zeit keine neue Situation mehr vor dem inneren Auge.

Nun beginnt die dritte Phase - das Geheimnis

Es hat im Klienten ein Wechsel von voller Repräsentation über alle Erinnerungssysteme, hin zu rein gefühlter Erinnerung stattgefunden. Die Physiognomie des Klienten ändert sich jetzt, der Klient fühlt nur noch.

Alle wichtigen Erinnerungen mit voller Repräsentation sind jetzt gelöst und es ist in voller Repräsentation nichts Relevantes mehr vorhanden. Der Klient fühlt sich jetzt durch seine weiteren Erinnerungen hindurch. Er wird das Vorhandensein einer Situation (der Ursprungssituation) nur noch mit Änderungen seiner Physiognomie oder gefühlsbedingten Bewegungen ausdrücken können.

Jetzt darf der Ursprung gefühlt werden, das Unterbewusste gibt den Zugang frei.

Der Coach hat jetzt die Aufgabe, zu erkennen, wann der Klient den Ursprung fühlt. Es gibt keine Bilder oder Geräusche, gleichwohl kann der Klient empfinden, ob sich etwas stimmig für die Situation anfühlt. Der Klient wird Fragen mit einem klaren Ja oder Nein beantworten können – z. B. „Fühlen Sie, als ob sie sich in einem Raum befinden?“ Auch die Frage „Wie alt sind Sie gefühlt?“ wird eine kongruente Antwort bekommen. Jetzt ist der Detektiv im Coach, seine Erfahrung und Intuition gefordert. Der Coach wird jetzt mit dem Klienten eine Sequenz aus dem reinen Gefühl entstehen lassen, die sich für den Klienten absolut stimmig anfühlt.

Der Klient weiß sehr genau zu sagen, ob sich etwas stimmig anfühlt oder nicht. Er ist jedoch immer wieder darauf hinzuweisen, nur zu fühlen, ob es stimmig ist. Sein Verstand kann ihm jetzt nicht helfen und sein innerer Kritiker kann nichts prüfen.

Ist die Sequenz zu einem gewissen Teil stimmig entstanden, fängt der Klient an, selber mehr Bilder und Details zu erkennen. Die Erinnerung komplettiert sich und wird über das gesamte Repräsentationssystem zugänglich. Der Klient kann nun sogar Fragen zum Davor und Danach beantworten.

Die meisten meiner Klienten erkannten zu diesem Zeitpunkt schon, dass sie keine Verantwortung oder Schuld in dieser Situation hatten, und waren einfach nur froh, dass die Erinnerung wieder komplett war. Dies reicht bei einigen schon, um das belastende Gefühl komplett verschwinden zu lassen, gleichwohl sollte diese Situation vom Coach noch, wie die vorhergehenden Situationen, bearbeitet werden, bis sie sich gut anfühlt.

Die Physiognomie des Klienten verändert sich mit dem Entstehen der Bilder massiv positiv. Gleichwohl kann es durchaus zum Beginn des Entstehens zu starken emotionalen Reaktionen des Klienten kommen. In dieser Detektivsitzung hat das bewusste Denken, der Verstand, aufgegeben und erlaubt dem Klienten, sich von seinen Gefühlen unterstützen zu lassen.

In den folgenden Tagen und Wochen wird das bewusste Denken mehr und mehr wieder die Kontrolle gewinnen und die gefundenen Ergebnisse anzweifeln. Dann ist es an der Zeit, dem bewussten Denken die selbstständigen Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, die gefundene Situation als wahr anzuerkennen.

Die dritte Sitzung: Wahrheit

Die dritte Sitzung findet ca. 14 Tage nach der ersten Detektivsitzung statt. In dieser Sitzung wird mit dem Klienten seine innere Repräsentation hinsichtlich wahrer und unwahrer Erinnerungen geklärt. Es wird mit ihm erarbeitet, woran wahre und unwahre Bilder in seiner Erinnerung unterschieden werden.

Am Ende der Sitzung wird der Klient gefragt, welche Kennzeichen er in der gefundenen Ursprungssituation entdeckt. Es sind immer die für „wahre Erinnerungen“. Nun hat der Klient endgültige Sicherheit und wird seine gesamten Erinnerungen hinsichtlich wahr und unwahr überprüfen.

Sein bewusstes Denken kann selbstständig und sicher entscheiden, ob eine Erinnerung wahr ist oder nicht.

Falls erforderlich, können nun in kürzeren Abständen weitere Detektivsitzungen stattfinden, um die restlichen Verortungen im Körper zu klären.

Meine Klienten berichteten mir nach ca. zwei Monaten vom völligen Verschwinden der diffusen Gefühle und vom stattdessen sehr schön differenzierten Fühlen. Auch die verletzenden und selbstverletzenden Begleiterscheinungen sind komplett verschwunden.

Seit jetzt über einem Jahr sind die diffusen Gefühle bei keinem der Klienten wieder aufgetaucht.

Es kam vor, dass es noch andere diffuse Gefühle gab, die durch die schwereren überlagert waren. Diese konnten dann in eigenen Detektivsitzungen auch geklärt werden.

Der Albtraumfänger benötigt die Unterstützung einer zweiten Person (eines Coaches/ Therapeuten) und kann daher nicht im Alleingang angewendet werden.

Ulli Wigger Ulli Wigger
Jahrgang 1958, Coach und Mentor, selbstständig seit 1983, Neckarsulm

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