Mein Partner hat eine Neue
Wenn Sie diesen Artikel lesen, sind Sie wahrscheinlich eine Betroffene. Doch wie ist es dazu gekommen? Was ist geschehen oder eher nicht geschehen? Denn Mann geht nicht einfach so, weil da eine andere tolle Frau ist.
Können Sie sich erinnern, als Sie Ihren Partner kennengelernt haben? Vielleicht schlug die Liebe wie ein Blitz ein oder Sie spürten, wie die Liebe für das Gegenüber mehr und mehr in Ihr Herz „gekrabbelt“ ist. Die ersten Wochen oder Monate war alles so, so wunderschön. Was für ein Glück Sie doch hatten, dass Ihnen solch ein interessanter Mann begegnet ist. Aus einem Mann und einer Frau wurden so ein Partner und eine Partnerin.
Sie bekamen Aufmerksamkeit(en) oder jeder war für den anderen der wichtigste Mensch. Das Händchenhalten kribbelte im ganzen Körper und in den Blick des anderen sind Sie eingetaucht. Die Sexualität wurde mit Freude und voller Neugier auf den Partner gelebt. Sie haben regelrecht gespürt, wie sehr Ihr Herz vor Liebe leuchtete. Und gerade deshalb waren die Zeiten ohne den Partner gefühlt voller Sehnsucht, manchmal haben Sie sogar schmerzvolle Sehnsucht gefühlt. Am liebsten wären Sie mit ihm 24 Stunden täglich zusammen gewesen oder doch zumindest viele Stunden.
Es wurde darüber gesprochen, wie man sich das gemeinsame Leben vorstellt. Welche Wünsche, welche Träume Sie beide von der Zukunft hatten. Wie entspannend und wohlfühlend muss es doch erst sein, wenn man mit dem Partner zusammenlebt. Keine extra Verabredung mehr, keine Autofahrerei mehr zum anderen, sondern jeden Abend mit dem anderen ins Bett gehen, jeden Morgen mit ihm aufstehen. Was für ein herrlicher Gedanke!
Und endlich wurde aus der Planung Realität. Sie zogen zusammen. Der Alltag mit dem anderen wurde auch eine Herausforderung. Denn gerade im Zusammenleben zeigen sich die „Gespenster“ des anderen. Zu all den liebenswerten Seiten des Partners zeigt sich nun auch noch deutlicher, „wie er wirklich ist“ und ebenso auch umgekehrt. Jetzt beginnt die Zeit, in der jeder dahingehend gefordert ist, sein Gegenüber zu achten, wie er/sie ist. Toleranz und Akzeptanz sind zwei große Pfeiler in der Partnerschaft. Denn schließlich möchten Sie respektiert werden, wie Sie sind, und der Partner ebenso.
Mittlerweile hatte sich das Zusammenleben stabilisiert und nun haben die gemeinsamen Planungen weitere Realität angenommen, es wurde geheiratet und Sie haben evtl. Kinder bekommen. „Wie schön, jetzt sind wir eine richtige Familie“, haben Sie gedacht. Die Aufmerksamkeit(en) gingen auf einmal in eine andere Richtung. Verständlicherweise in Richtung des Kindes. Denn das Kind ist klein und braucht Sie als Mutter und Vater. Hier beginnt eine sensible Phase. Zu Beginn ist jeder mächtig stolz, eine Mutter, ein Vater zu sein, doch nach und nach zeigen sich zum Stolz auch Alltagssymptome. „Mein Mann hat mich gar nicht mehr richtig wahrgenommen“. „Meine Frau hat nur noch Interesse für das Kind.“ „Meinem Mann ist alles zu viel und zu unruhig.“ „Meine Frau ist nur noch müde und erschöpft.“ ... um nur einige Aussagen zu nennen, die Sie vielleicht auch kennen.
Aus Partner und Partnerin oder Ehemann und Ehefrau wurden nun zusätzlich eine Mutter und ein Vater. Jeder bekam so eine neue und somit weitere Rolle. All das wird oft unterschätzt. Denn wenn ein Kind geboren wird, wird eine Mutter wie auch ein Vater „geboren“. So wie das Kind ins Leben wächst, müssen auch Vater und Mutter in ihre neuen Rollen hineinwachsen. Diese Zeit geben sich allerdings die wenigsten, ihr Mantra heißt: richtig funktionieren.
Genau in dieser Phase sind Männer zwischen 35 und 40 Jahren ganz besonders anfällig.
Sie haben geglaubt, „wir lieben uns doch, da klappt dann schon alles“. Doch wie hat Hape Kerkeling in einer seiner Rollen gesagt: „Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit.“ Das hört sich im ersten Moment möglicherweise unromantisch an, doch was steckt denn dahinter? Was genau gehört denn zur Liebe?
Das eigene Gefühl der Liebe für den anderen allein reicht nicht aus. Wir müssen der Liebe ein „Gesicht“ geben. Ein Gesicht in Form von Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Es gilt, Interesse am Leben des Partners zu zeigen. Und ganz wichtig: Körperkontakt. Nein, es geht nicht um Sexualität, die oftmals nur die eigenen Bedürfnisse deckt. Bei dieser Art von Körperkontakt geht es z. B. darum, die Hand des Partners zu halten. So etwas wie „Ich nehme dich wahr.“, „Du bist mir nah.“ etc.
Oft wird dieses bewusste Gesicht der Liebe im Alltag weggedreht. Jeder funktioniert in seinen Rollen. Zu denen ja auch bei Männern und Frauen die Berufsrolle noch hinzukommt und einige andere.
Wenn in diesem Alltag, der aus Kindererziehung, Haushalt und Berufstätigkeit besteht, ein emotionales Loch entsteht, ist Wachsamkeit geboten. Frauen haben in dieser Phase oftmals keine große Lust mehr an der Sexualität. Dann kann es sein, dass sich der Partner weggeschoben fühlt. Er fühlt sich nicht mehr als Nummer 1. Aber auch für Frauen ist es genauso. Sie fühlen sich vom Mann nicht mehr wahrgenommen. Vielleicht sieht der Mann in der Frau bewusst oder unbewusst, mehr die Mutter des Kindes als die attraktive Partnerin – die Frau, in die er sich einmal verliebt hat. So kann regelrecht Langeweile in der Partnerschaft entstehen. Keiner hat mehr wirkliches Interesse am anderen. Keiner fragt den anderen: Was würdest du dir jetzt am meisten wünschen? ... Und so lebt man in der Partnerschaft, die inzwischen vielleicht eher eine Zweckgemeinschaft geworden ist, dahin.
Wenn sich eine Frau in der Partnerschaft unwohl fühlt, wird sie das meist zeigen. Sie gibt sozusagen Warnzeichen ab. Frauen sprechen den Mann irgendwann an und und schildern ihre Unzufriedenheit. Männer hingegen machen das überwiegend im Stillen, im Geiste. Das heißt vereinfacht gesagt, Frauen sprechen, ehe sie sich aus der Partnerschaft lösen. Männer gehen „einfach“.
Wenn ein Mann fremdgeht oder sich direkt löst und in eine neue Partnerschaft hinübergleitet, leiden Frauen oftmals besonders. Wut auf die andere Frau – die allerdings unbegründet ist – schließlich hat er sich freiwillig(!) für die andere Frau entschieden. Denn Ihr ehemaliger Partner ist kein Opfer einer Hexe geworden. Seien Sie also fair! Es war seine eigene Entscheidung zu gehen.
In dieser emotional verletzlichen Situation machen Sie sich Gedanken, fühlen sich ratlos, hilflos, sind unglücklich darüber, wieder alleine zu sein, und haben oft Schuldgefühle. Sie können nicht schlafen, denn nachts haben die belastenden Gedanken besonders viel Raum.
Jetzt heißt es, den Blick zu heben und nach vorn zu schauen. Bitte nicht in Selbstmitleid versinken, womöglich mit der bewussten oder unbewussten Absicht, dass sich der Ex dadurch schlecht fühlt und seine neu erworbene Freiheit nicht genießen kann. Denn dadurch geht es Ihnen in der Tiefe Ihres Herzens auch nicht besser. Gestehen Sie sich stattdessen besser ein: Was haben wir unterlassen? Auch Eingeständnisse: Was habe ich unterlassen? Und geben Sie sich Zeit! Immer wieder höre ich von Klienten, dass sie nun versuchen wollen, den Kontakt über Freundschaft zu halten. Stopp! Noch nicht. Sie können nicht gerade aus der Rolle Partnerin, symbolisch gesagt, 10 Tage später die gute Freundin sein. Jeder von Ihnen beiden benötigt Zeit, sich zu entrollen. Auch dann gilt es, zu akzeptieren und zu respektieren, wenn der ehemalige Partner keinen Kontakt mehr möchte.
Beginnen Sie, Ihr schönes Herz zuallererst selbst zu lieben. Das hat es verdient!
Und denken Sie daran: Liebe ist Freiwilligkeit und keine Abhängigkeit.
Christiane Hintzen
Heilpraktikerin für Psychotherapie