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Resilienz – eine wichtige Plusvariante des Lebens!

FP 0319 Page56 Image1Herrn W. gelingt es nach einer unerwarteten Kündigung über viele Monate nicht, seine Wut und seine Kränkungen, die im Zusammenhang mit der Kündigung aufgetreten sind, zu überwinden. Er fühlt sich von seinem Arbeitgeber, dem er mehr als 30 Jahre treu war, verraten und kann sich nicht vorstellen, mit 55 Jahren noch einmal völlig neu anzufangen. Seine sonst so gelassene, pragmatische und stets lösungsorientierte Haltung ist für ihn nicht mehr zugänglich. Im Rahmen eines Resilienz-Coachings gilt es, Wege zu finden, um sich an die völlig neue Lebenssituation anzupassen und eine Stärkung sowie Neuorientierung auf fast allen Kompetenzebenen vorzunehmen.

Aber was bedeutet „Resilienz“, wie kann sie im besagten Zusammenhang verstanden werden und wie kann ein entsprechendes Coaching Herrn W. helfen, seine Krise zu überwinden?

Der Ursprung des Begriffs Resilienz: die Werkstoffkunde

Schaut man sich Wortstamm und ursprüngliche Verwendung an, so wird man wie folgt fündig: lateinisch „resilire“ bedeutet „zurückspringen“, „abprallen“.

Ursprünglich in der Werkstoffkunde/Materialwirtschaft verwendet, beschreibt sie dort die Fähigkeit von Materialien, nach einer elastischen Verformung in den Ausgangszustand zurückzukehren. Ein Klumpen Lehm ist wenig resilient, er verbleibt in seiner neuen Form, wenn er zusammengedrückt wird. Ein Schwamm dagegen ist als Stoff deutlich resilienter: Man kann diesen zu Boden werfen und darauftreten, er kehrt immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück, nachdem der Druck nachgelassen hat.

Die Studie von Emmy Werner und die Resilienz in der Psychologie

fotolia©avarooaDie Ursprünge der Resilienzbetrachtungen in der Psychologie lassen sich in die 1950er-Jahre zurückverfolgen. Damals begann die amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner (1929–2017) eine Studie auf der hawaiianischen Insel Kauai. Vier Jahrzehnte lang beobachtete Werner dort 698 Jungen und Mädchen (Jahrgang 1955). Deren Chancen auf ein schönes Leben standen alles andere als gut. Armut, Vernachlässigung und Misshandlung prägten ihre Kindheit. Nicht selten waren die Ehen der Eltern zerrüttet, Geld fehlte immer, viele Väter waren alkoholsüchtig.

Das Resultat ihrer Studie überraschte. Hätten Psychologen alter Schule den Kindern ausnahmslos ein desaströses Schicksal vorausgesagt, so ist seit Emmy Werners Langzeitstudie klar: Auch wenn die Startbedingungen noch so schlecht sind, meistern manche Menschen ihr Leben gut. Ein Drittel der Kinder von Kauai wuchs im Beruf und in persönlichen Beziehungen zu selbstbewussten, fürsorglichen und leistungsfähigen Erwachsenen heran. Was war also bei diesen Kindern vorhanden, dass sie trotz hoher Risikofaktoren, stressreicher kritischer Lebensereignisse und schwerer Traumata gut gediehen sind? Oder: Was fehlte den Kindern, die es nicht sind?

Emmy Werner fand in der Kauai-Studie heraus, was entscheidend war für die positive Entwicklung der Kinder: „Zumindest eine enge Bezugsperson, die sich liebevoll um sie kümmerte und auf ihre Bedürfnisse reagierte, die Grenzen setzte und Orientierung bot.“

Auf der Basis dieser Forschungen von Emmy Werner entwickelte sich die Resilienzforschung mit den zahlreichen Studien zur Frage, wie Resilienz im Verlauf des Lebens aufgebaut oder durch Begleitung gestärkt werden kann.

Analog ihrer ursprünglichen Bedeutung in der Werkstoffkunde kann Resilienz in der Psychologie somit verstanden werden als: die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken.

Es ist die Fähigkeit einer Person oder einer Familie bzw. Gruppe, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen.

So kann ein resilienter Mensch z. B. sagen:

  • „Ja, ich kann mit anderen sprechen, wenn mich etwas ängstigt oder mir Sorge bereitet.“
  • „Ich kann Lösungen für Probleme finden, mit denen ich konfrontiert werde.“
  • „Ich kann mein Verhalten in schwierigen Situationen kontrollieren.“
  • „Ich kann spüren, wann es richtig ist, eigenständig zu handeln oder ein Gespräch mit jemandem zu suchen.“
  • „Ich kann jemanden finden, der mir hilft, wenn ich Unterstützung brauche.“

Resilienz als Summe von Resilienzfaktoren?

Im Rahmen weiterer Untersuchungen und Forschungen zur genannten Fragestellung wurden sehr viele „Schutzfaktoren“ benannt, die der Resilienz bei Kindern und Erwachsenen offensichtlich förderlich sind. Unter diesen gibt es sieben, die auch „die sieben Säulen“ der Resilienz genannt werden. Es sind dies Handlungsmöglichkeiten bzw. -bereiche, die entwickelt und gepflegt werden wollen.

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Die ersten drei beschreiben die Grundhaltungen Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung, Aussagen dazu sind:

  • „Ich sehe auch in schwierigen Situationen das Stärkende.“
  • „Ich akzeptiere, was nicht zu ändern ist.“
  • „Ich suche nach Lösungen bzw. nach einem nächsten Schritt.“

Aus diesen Grundhaltungen entwickeln resiliente Menschen vier erfolgreiche Fähigkeiten für ihr Denken, Fühlen und Handeln:

  • „Ich kann mich selbst steuern, ich kann etwas tun …“
  • „Ich ‚antworte‘ auf die Situation und übernehme Verantwortung.“
  • „Ich habe andere Menschen, mit denen ich verbunden bin oder mit denen ich mich verbinden kann. Ich habe Menschen, auf die ich mich verlassen kann.“
  • „Ich mache mir Bilder von meiner Zukunft, ich plane meine Zukunft, ich bin offen für Neues.“

Ist Resilienz erlernbar?

Resilienz ist dabei kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern sowohl die Person selbst als auch die Umwelt sind an der Entwicklung des resilienten Verhaltens beteiligt.

Resilienz wird geübt, auch hier gilt: „Use it or lose it.“ Die Möglichkeiten, diese psychische Widerstandsfähigkeit zu entwickeln, zu fördern und zu üben, sind zahlreich. Kurz gesagt: Hilfreich sind stärkende Gedanken, indem ich mich immer wieder daran erinnere: „Ich habe …, ich bin …, ich kann …“ sowie stärkende Handlungen, d. h. tatsächlich immer wieder ins Handeln, ins Tun kommen.

Hilfreich sind z. B. auch stärkende Rituale, stärkende Abläufe am Tag und in der Woche sowie Stille, ruhige Zeiten für mich, in denen niemand etwas von mir will … und wichtig sind stärkende Menschen, die unterstützen und Orientierung geben.

Resilienz-Training bietet eine gute präventive Möglichkeit, psychischen Belastungen besser zu begegnen. Berufliche und private Krisen erleben wir immer wieder und da immer mehr Menschen erkennen, dass sie sowohl ihre körperliche als auch ihre psychische Gesundheit erhalten sollten, um z. B. einem Burnout vorzubeugen, steigt auch die Nachfrage nach solchen Trainings.

Was ist Resilienz – und was nicht?
Eine Abgrenzung

Im Rahmen der Resilienzförderung wird mit zahlreichen Metaphern bzw. Modellen gearbeitet, die verschiedene Aspekte der Widerstandskraft eines Menschen umschreiben (z. B. „Der Fels in der Brandung“, „Der Lotuseffekt“, „Der Phönix aus der Asche“, „Das Stehaufmännchen“, „Der Bambus“).

Teilweise lehnen sich diese Ziel- oder Strategiebilder im engeren Sinne an den Resilienzbegriff an, teilweise beschreiben sie Kompetenzen, die eher der Stressresistenz zugeordnet werden können.

In allen Fällen geht es darum, Widerstandskraft aufzubauen, um besser mit Krisen, Stress und Belastungen umgehen zu können. Die Widerstandskraft im Sinne der Resilienz wird jedoch über eine besondere Verhaltensstrategie sichtbar. Geht es bei der Resilienz im Umgang mit Stressoren um Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Beweglichkeit und innere Spannkraft, symbolisieren Metaphern der Stressresistenz eher Unempfindlichkeit, Standfestigkeit und Unbeweglichkeit.

Beide Strategien machen je nach Kontext Sinn und zeigen ihre Wirkung. Jedoch geht das Erlernen der jeweiligen Strategie mit der Anwendung verschiedener Modelle, Methoden, Haltungen und Einstellungen einher.

Die für mein persönliches Empfinden zutreffendste Metapher zur Resilienz ist der Bambusstab: „Auch resiliente Menschen kämpfen und leiden. Auch sie sind verwundbar. Aber sie finden immer wieder Wege, um mit den Herausforderungen umzugehen. Sie biegen sich dabei wie ein Bambus/Grashalm im Wind, sie zerbrechen aber nicht! Sie bewältigen Krisen, gehen sogar gestärkt daraus hervor – wo andere krank werden oder daran zerbrechen!“

Quellen

  • Amann, Ella Gabriele, Egger, Anna: Micro-Inputs Resilienz. Lebendige Modelle, Interventionen und Visualisierungshilfen für das Resilienz-Coaching und –Training. Edition Training aktuell
  • Gruhl, Monika: Das Geheimnis starker Menschen: Mit Resilienz aus der Überforderungsfalle. Kreuz Verlag
  • Gruhl, Monika: Resilienz – die Strategie der Stehauf-Menschen: Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Herder Verlag

Oliver Bock Oliver Bock
Heilpraktiker, Schwerpunkte: Craniosacral-Therapie, klientenzentrierte Gesprächstherapie nach C. Rogers, Coaching (v. a. Resilienz- und Burnout-Beratung), Kommunikation und Stressbewältigung, Naturheilpraxis Rückenwind, Pohlheim
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