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Von der Kinder- zur Familientherapie

2013-01-Kinder5

fotolia©detailblickOftmals sind die Kinder die ersten in einem Familiensystem, die durch ihr Verhalten bestimmte Konflikte spiegeln. Wegen der Schwierigkeiten ihrer Kinder suchen viele erwachsene Klienten am ehesten Hilfe. Andererseits sind es oft die Eltern, die Unterstützung brauchen – manchmal bei Problemen, die mit der Kindererziehung gar nichts zu tun haben. Wie können wir wertschätzend und ohne Schuldzuweisungen damit umgehen? An zwei Fallstudien soll gezeigt werden, wie die Psychosomatische Kinesiologie® helfen kann, alle Familienmitglieder einzubeziehen.

Fallstudie: Tom hat Knieprobleme

Toms Mutter kommt mit ihm in die Praxis. Der Elfjährige kann seit Monaten kein Fußball mehr spielen. Weil es seine Lieblingsbeschäftigung ist, ist das für ihn und die ganze Familie eine ziemliche Katastrophe! Der Grund: Knieschmerzen, die nicht verschwinden wollen. Die Ärzte können nichts finden, die Physiotherapie bringt nichts. Alle sind ratlos und verzweifelt. Sie kommen mit der Frage in meine Praxis, ob die Kinesiologie hier helfen könne. Sie haben schon im Bekanntenkreis gehört, dass die Kinesiologie (= die Lehre von der Bewegung) Bewegungsblockaden und ihre Ursachen erforscht und auch Techniken bereitstellt, solche Blockaden zu lösen.

Hauptarbeitsinstrument der Kinesiologie ist der Muskeltest: Kann ein Muskel dem stets gleichmäßig ausgeübten Testdruck standhalten oder kann er das nicht? Über diese unterschiedliche Reaktion zeigt sich, ob bestimmte Stressoren die Koordination der Muskulatur beeinträchtigen („Weiche-Knie- Effekt“). Mithilfe verschiedener weiterer Testfragen und Testlisten können auf diesem Weg spezifische Auslöser bzw. Ursachen eines Problems herausgefunden werden. Das heißt: Über den Muskeltest bekommen wir Zugang zum Unbewussten und zum Körper. Dort ist alles gespeichert, was der Körper für seine Gesundheit wissen muss. Er weiß, was uns gut tut und was uns schadet – und: worauf wir z. B. mit Schmerzen reagieren. Verschiedene Testfragen stehen regelmäßig am Anfang. So legen wir ein „Ja-Signal“ fest = stark haltender Muskel und ein „Nein-Signal“ = nachgebender Muskel. Dann fragen wir den Körper/das Unbewusste direkt:

  • Haben wir die Erlaubnis, zu diesem Thema Testfragen zu stellen?
  • Dürfen wir das auch in Anwesenheit deiner Mutter tun?
  • Haben deine Knieschmerzen in erster Linie körperliche Ursachen?
  • Haben sie in erster Linie seelische Ursachen?

Falls Ja: Geht es bei diesen seelischen Ursachen

  • um ein Gefühl?
  • um eine Angst?
  • um eine Überzeugung?
  • um eine Reaktion auf etwas/jemand?
  • um ein Verhaltensmuster (Zwang/Tic …?)
  • um einen systemischen Zusammenhang (z. B. Kompensation/Identifikation)?
  • um ...

Je nach Antwortkategorie stehen uns dann wieder verschiedene Testlisten (Angstliste, Gefühlsbarometer, Überzeugungslisten usw.) bereit, um das einzukreisen und auf den Punkt zu bringen, worum es im Einzelfall geht.

Wie war es nun bei Tom? Toms Muskeln zeigten an:

  • Es handelte sich um eine Angst und einen systemischen Zusammenhang.
  • So lag die Frage nahe: „Ist das deine eigene Angst?“
  • Oder: „Gehört diese Angst zu jemand anderem aus deinem System?“
  • Hierbei stellte sich heraus: Tom hatte diese Angst von seinem Vater übernommen!

fotolia©detailblickTherapeutisch gibt es nun zwei bewährte Möglichkeiten: Zunächst einmal kann Tom erlaubt und ermutigt werden, seinem Papa diese Angst zurückzugeben. Dies ist ein systemisches Vorgehen, das noch durch kinesiologische Techniken (z. B. Klopfakupressur) unterstützt werden kann. Wenn das nicht reicht, kann der Vater hinzugebeten werden. Er wird dann direkt getestet und behandelt. Anschließend testet man beim Kind nach – und freut sich und feiert gemeinsam!

In diesem Fall war es so, dass Tom und seine Mutter dem Vater vom Testergebnis berichteten und ihn einluden, zum nächsten Termin mitzukommen. In der Regel sind die Eltern bei aller Überraschung oder Skepsis dazu bereit, da es ja um das Wohl des Kindes geht!

Ich demonstrierte dem Vater, dass Tom seinen Oberschenkel nicht halten konnte. Dann testete ich Toms Vater und fand heraus: er benötigte die Bach-Blüte „Rock Rose“. Ich gab ihm die Flasche zum Halten in die Hand. Anschließend testete ich Toms Oberschenkel nach und Tom hatte keine Mühe, ihn dem Testdruck standzuhalten. – Ein erstaunliches Phänomen: Toms Vater hält die Flasche „Rock Rose” in der Hand, er sitzt 3 Meter von Tom entfernt im Sessel – und Tom kann seinen „Fußballermuskel“ wieder benutzen!

Die nächste Frage war nun: Bei welchen Symptomen hilft „Rock Rose“? Wer braucht diese Bach-Blüte? Zum Beispiel:

  • … wer einen Unfall oder eine Katastrophe miterlebt hat und noch unter dem Eindruck einer großen Gefahr steht
  • … wer schnell in Panik gerät, wessen Nerven blank liegen
  • … wer in kritischen Situationen den Überblick verliert und sein rationales Handlungsvermögen blockiert
  • … wer panische Angst vor Katastrophen, Unfällen, Verletzungen oder Krankheiten hat
  • … wer sich beängstigende Situationen in allen Einzelheiten ausmalt und sich so in Panik hineinsteigert
  • … wer unbekannte Situationen als Bedrohung empfindet und dadurch unsicher und unflexibel wird
  • … wer plötzlich und gewaltsam mit belastenden Problemen konfrontiert wird und dann nicht mehr ein noch aus weiß

Aber weshalb brauchte Toms Vater diese Bach-Blüte? Das Gespräch mit ihm ergab: Toms Vater ist Polizist. Er hatte schon zweimal Einsätze in Gorleben mitgemacht. Nun war ihm vor drei Monaten angekündigt worden: Diesen Herbst sind Sie wieder dran! Seine Reaktionen waren – zumindest unbewusst – Angst und Panik. Da er aber, wie die meisten Eltern das wollen, ein „guter Vater“ sein wollte, hatte er versucht, seine Kinder vor belastenden Gefühlen und Konflikten zu bewahren. Er wollte die Angelegenheit lieber mit sich allein abmachen und seine Kinder damit verschonen.

Die Erfahrungen in der Therapie zeigen aber ganz oft ein anderes Bild: Gerade die „unausgesprochenen Dinge” sind es, die Kinder belasten. Kinder können oft nicht anders, als diese Dinge auf sich zu beziehen und sich dafür verantwortlich zu fühlen. Sie sind aus ihrer Liebe zu den Eltern heraus ganz oft bereit, deren Last und Leid mitzutragen. Dadurch wird es aber nicht geringer, sondern „verdoppelt“ sich nicht selten.

Über die Ergebnisse des Muskeltests können solche Zusammenhänge bewusst gemacht und damit endlich einer bewussten Verarbeitung zugeführt werden. Dabei ist deutlich zu machen: Beide hatten jeweils positive Absichten! Der Vater wollte Tom – bewusst – nicht belasten. Und Tom wollte – unbewusst – seinen Vater entlasten. So könnte es zu einer befreienden Versöhnung kommen: Indem die Ängste und ihre Bewältigung wieder dorthin zurückgeführt wurden, wo sie ihren Ursprung hatten, konnten Toms Beinmuskeln wieder ganz normal funktionieren, sodass er wieder in der Lage war, unbeschwert Fußball zu spielen.

Fallbeispiel: Was ist nur mit Janina los?

Auch in diesem Fall kommt eine Mutter mit ihrer achtjährigen Tochter Janina in die Praxis. Sie schildert eine ganze Latte von Veränderungen und Auffälligkeiten, die sich bei ihrer Tochter seit etwa einem halben Jahr entwickelt haben: Tagsüber lasse sie sich nichts mehr sagen, sei zickig und bockig, streite sich mit ihrem kleinen Bruder, aber auch mit Klassenkameradinnen, verweigere die Hausaufgaben und das Mitmachen im Unterricht – es seien schon Klagen aus der Schule gekommen. Janina mache sich und allen das Leben schwer. Und abends, wenn‘s ins Bett gehen soll, sei Janina das genaue Gegenteil: ängstlich, weinerlich, anhänglich. Sie könne einfach nicht zur Ruhe kommen und einschlafen, scheine auch schlechte Träume zu haben. Dann tut sie der Mutter regelrecht leid. Aber am nächsten Morgen ...!

Eine Frage der Sichtweise:

  • Kinder machen (uns) Schwierigkeiten, weil sie Schwierigkeiten haben.
  • Meistens haben Kinder diese Schwierigkeiten mit den wichtigsten Menschen in ihrem Leben.
  • Oft genug haben Kinder jedoch ihre Schwierigkeiten auch von den wichtigsten Bezugspersonen.
  • Und sie empfinden es selber manchmal auch so: DIE machen MIR Schwierigkeiten.
  • Kinder sind wie Spiegel: Sie zeigen das, was unmittelbar vor ihnen liegt.

Standardisierte kinesiologische Vortests zeigen, inwieweit wir in unserer Mitte sind bzw. inwieweit wir durch Stresseinflüsse diese Zentrierung verloren haben, eben nicht mehr ganz bei uns sind. Deshalb stehen auch bei Janina diese Testfragen am Anfang:

„Bist du, Janina, 100% in deiner eigenen Energie?“ Und da die Muskelantwort „Nein“ anzeigte: „Von wem hast du energetisch und emotional etwas übernommen? Von jemandem aus der Familie? Von einer männlichen Person? Von einer weiblichen Person?”

Ähnlich wie Tom etwas von seinem Vater übernommen hatte, war Janina stark von den Gefühlen ihrer Mutter beeinflusst, ja regelrecht „überlagert“. War ihr widerspenstiges Verhalten tagsüber vielleicht eine Art, sich dagegen zu wehren? Und war ihr hilflos-anklammerndes Verhalten abends vielleicht ein Versuch, sich trotz allem der Liebe der Mutter zu vergewissern?

2013-01-Kinder4Die Psychosomatische Kinesiologie® ermöglicht, solche Hypothesen ganz schnell zu überprüfen. Bei Janina testete als Hauptgefühl „TRAUER“ (der Mutter). Daraufhin berichtet ihre Mutter, dass ihre eigene Mutter vor acht Monaten gestorben sei. Das Schlimmste aber sei für sie gewesen, dass sie ihr Elternhaus leerräumen und aufgeben musste ... Und „natürlich“ hatte sie versucht, Janina das nicht merken zu lassen!

Ich teste solche Zusammenhänge und Wechselwirkungen stets laut und veröffentliche sie damit. Indem der Schleier des Verbergens/Verleugnens gelüftet wird, kann wieder frischer Wind einziehen, wächst das Verständnis füreinander, kommen die Emotionen ins Fließen. Durch das begleitende therapeutische Gespräch – auf kindegerechtem Niveau – können die übernommenen Emotionen, Muster und Verantwortlichkeiten zurückgegeben und ggf. Übergebenes (Delegiertes) zurückgenommen werden. Wie sieht das praktisch aus?

In der Regel lasse ich Kind und Elternteil schräg nebeneinander sitzen, sich an die Hand nehmen und anschauen. Über den anderen, freien Arm von beiden teste ich meine Fragen und Hypothesen und bekomme so Antwort von beiden. Diese Antworten legen das offen, was unbewusst bei beiden Beteiligten gespeichert ist bzw. von ihnen „geglaubt“ wird. Mithilfe von „Loslass-Sätzen“, Erlaubnis und Ermutigung wird das wieder zurückgegeben, was als Belastung übernommen worden war. So kommt es – im besten Fall – zu einer neuen Ordnung in der Familie, im Gefühlshaushalt aller Beteiligten und damit zu einer Befreiung: Jeder kann sich jetzt seinen eigenen Lernaufgaben stellen und sie meistern.

Janina ging es zunächst sichtlich besser. Sie war umgänglicher, zufriedener, selbstsicherer. Sie konnte besser schlafen und statt Tadel kam auch mal Lob aus der Schule. Leider hielt das nicht dauerhaft an. Etwa acht Wochen später meldete sich die Mutter erneut – mit ähnlichen Klagen über Janinas Verhalten wie zuvor. – Ein Rückfall?

Wiederum war die Hauptemotion bei Janina „Trauer“ – und zwar wieder eine Trauer ihrer Mutter. Nur diesmal ging es um einen anderen Zusammenhang: ihre Trauer darüber, von ihrem Mann so wenig Wertschätzung und Anerkennung zu bekommen. Dabei spielte offensichtlich ein besonderes Familienschicksal eine entscheidende Rolle:

Janinas Vater hatte seine große Liebe durch einen tragischen Verkehrsunfall verloren. Seine damalige Verlobte war für ihn stets noch sehr präsent. Dann wollte er eine Familie gründen und lernte Janinas Mutter kennen. Die beiden heirateten und Janina kam zur Welt, vier Jahre später ihr Bruder. Aber der Verlustschmerz und die Trauer ihres Vaters waren immer noch groß und trübten das Verhältnis zwischen ihren Eltern. Ihre Mutter fühlte sich als „Ersatz“, stets im Schatten ihrer Vorgängerin, nicht wirklich gesehen und um ihrer selbst willen geliebt.

Dies war nun eindeutig ein Paarproblem, das auch nicht mehr vor und mit dem Kind verhandelt werden sollte. Deshalb war ein Wechsel des Settings erforderlich: Der Ehemann wurde gebraucht, um die Beziehungen klären zu können. – Wie könnte die Ehefrau ihn dazu einladen und motivieren? Wie könnte sie ihm die Zusammenhänge so erläutern, dass er sie nachvollziehen konnte? Und zwar ohne das Gefühl zu haben, der „schwarze Peter“ würde jetzt an ihn weitergereicht! Würde er bereit sein mitzukommen?

Janinas Vater ließ sich ein halbes Jahr Zeit. Vielleicht war es auch die Klientin selbst – ging es doch letztlich für beide ans „Eingemachte“, den Kernkonflikt ihrer Ehe. Aber die Liebe zu ihren Kindern war stärker als die Angst: Sie wollten beide, dass es Janina und der ganzen Familie gut ging. Auch hier arbeitete ich neben dem Gespräch mit der Partnerbalance und der systemischen Kinesiologie.

So konnte der Mann ermutigt werden, seine erste Frau noch weiter loszulassen, ohne das als „Untreue“ ihr gegenüber zu empfinden, und sich seiner zweiten Frau offener und liebevoller zuzuwenden, die er ja auch von Herzen gewählt hatte. So konnte die Frau ermutigt werden, sich durch die erste Liebe ihres Mannes nicht länger bedroht und abgewertet zu fühlen und sich selbst nicht nur als Mutter zu definieren, sondern auch als Frau und Geliebte einzubringen.

Dr. paed. Werner Weishaupt Dr. paed. Werner Weishaupt
Dozent, Heilpraktiker für Psychotherapie, Begründer der Psychosomatischen Kinesiologie®
Praxis im Zentrum
Petershagener Straße 50, 38259 Salzgitter
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