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Programmbeschwerde "Psycho-Pfusch"

 

PRESSEMELDUNG: Programmbeschwerde des VFP e.V. über die SWR-Sendung „Psycho-Pfusch: So gefährlich sind Heilpraktiker“ von 20.09.2022 

 

Über 20 Falschinformationen und Verstöße gegen die journalistische Pflicht zu einer objektiven Berichterstattung listet die förmliche Programmbeschwerde auf, die Rechtsanwalt Dr. René Sasse im Auftrag des Berufsverbandes VFP (www.vfp.de ) zur Sendung des Südwestrundfunks „Psycho-Pfusch: So gefährlich sind Heilpraktiker“ gemäß § 11 des SWR-Staatsvertrags eingereicht hat. Das reicht von der mangelnden Differenzierung zwischen den Berufen „Heilpraktiker“, „Heilpraktiker für Psychotherapie“ und „Geistheiler“ über die Behauptung, Heilpraktiker dürften „alles behandeln“, obwohl es klare rechtliche Vorgaben und Grenzen gibt, bis zur plumpen Meinungsmache, es gebe bei den Heilpraktikern „viele Quacksalber und Scharlatane“, für die keinerlei Belege gebracht werden. Die Auswahl der Interviewpartner ist nicht objektiv, vielmehr kommen als „Experten“ ausschließlich bekannte Heilpraktiker-Gegner zu Wort und die vorab dem Rechercheteam vom VFP zur Verfügung gestellten umfangreichen Sachinformationen zu Beruf und Tätigkeit der HP für Psychotherapie wurden fast komplett ignoriert. Ergänzungsfragen an den VFP-Vorstand wurden erst gestellt, nachdem die Sendung am 16.09.2022 bereits fix und fertig online gestellt war: eine Alibi-Aktion! Selbst die Kommentare der Redaktion zu den Zuschauerzuschriften enthalten noch Fehler, z.B. es gebe für die Heilpraktiker keine Berufsaufsicht - dabei ist klar gesetzlich geregelt: sie gehört zu den Aufgaben der kommunalen Gesundheitsämter. 

Aus diesen und einer Vielzahl weiterer Gründe beantragt der VFP, den genannten Beitrag des Formats „Vollbild“, unverzüglich aus der ARD-Mediathek sowie der Videoplattform YouTube zu entfernen oder die unzutreffenden Aussagen zu korrigieren sowie

- den abrufbaren Text-Bericht mit der Überschrift „Eine Anmaßung von Kompetenzen“ nebst dem dort eingebundenen Tagesschau-Bericht zu löschen oder die unzutreffenden Aussagen zu korrigieren.

Auszüge aus der förmlichen Programmbeschwerde:

Die Programmbeschwerde wird wie folgt begründet: 

Die wahrheitsgemäße Berichterstattung ist die zentrale Verpflichtung der Medien. Besonders hohe Anforderungen bestehen diesbezüglich an Nachrichtensendungen. Ihr Inhalt muss zwingend wahren Tatsachen entsprechen. Eine Berichterstattung, in der verschiedene Meinungen oder Informationen ganz oder teil   weise bewusst ausgeblendet werden, ist unzulässig. Der genannte Bericht diskreditiert den gesamten Berufsstand der Heilpraktiker für Psychotherapie in pauschaler, unangemessener und unsachlicher Art und Weise.

Der Beitrag selbst enthält inhaltliche Mängel, insbesondere unrichtige Behauptungen und einseitige Meinungsäußerungen über den Beruf des Heilpraktikers für Psychotherapie. Die journalistische Sorgfaltspflicht erfordert eine sorgfältige Recherche unter Berücksichtigung aller Aspekte eines Themas. Dieser Anforderung wird der gesendete Beitrag nicht gerecht. Da der Beitrag nur einseitig berichtet und Gegenpositionen verschweigt, verstößt er zudem gegen das Gebot der Meinungsvielfalt.

Zur Gruppe der „Heilpraktiker für Psychotherapie“ zählen auch zahlreiche Diplom-Psychologen bzw. Psychologiemaster.  Wer ein Studium in Psychologie mit dem Prüfungsfach „klinische Psychologie“ erfolgreich abgeschlossen hat und mindestens 25 Jahre alt ist, erhält grundsätzlich eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für Psychologie nach Aktenlage. Diese ist erforderlich, um psychotherapeutisch tätig zu sein; das Studium allein reicht hierzu nicht aus. Auch bei diesen klassisch wissenschaftlich ausgebildeten Personen handelt es sich um „Heilpraktiker für Psychotherapie“. Diplom-Psychologen haben in ihrem Studium bereits eingehende Vorkenntnisse über psychische Krankheitsbilder, deren Ursachen, Verlaufsformen und Behandlungsmöglichkeiten erworben. Der Anteil an Diplom-/Masterpsychologen unter den Therapeuten mit einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz ist hoch.

Die Berichterstattung ruft eine „negative false balance“ hervor. Es wäre die Aufgabe der Redakteure gewesen, richtig einzuordnen, wie relevant der recherchierte Fall für das gesamte Berufsbild der Heilpraktiker war. Die einseitige Übergewichtung des dargestellten Sachverhaltes richtet erheblichen Schaden sowohl für die Heilpraktiker als auch für die Zuschauer an; es wird verhindert, dass die Zuschauer eine faktenbasierte Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Heilpraktikers für Psychotherapie treffen können. Der Beitrag wählt mit dem Verhalten der einzelnen Heilerin einen speziellen Aspekt der Realität aus und hebt diesen derart hervor, dass die von den Redakteuren beabsichtigte Interpretation bzw. Bewertung und die Handlungsempfehlung (Abschaffung der Heilpraktiker) gefördert wird. Neudeutsch würde man dies wohl als „Framing“ bezeichnen.

Richtig ist: Es existieren keine empirischen Belege dafür, dass Heilpraktiker für Psychotherapie ihre Patienten gefährden. Belastbare Nachweise werden in dem gesamten Beitrag nicht erwähnt; es wird ausschließlich über Ausnahmefälle berichtet. In der gesamten Dokumentation wird nicht ein einzelner weiterer Fall beschrieben, in dem ein Heilpraktiker für Psychotherapie einen Patienten nachweislich gefährdet hätte.

Die Patienten der Heilpraktiker für Psychotherapie sammeln täglich positive Erfahrungen bei ihren Behandlungen. Letztlich werden sie in dem Bericht zu „ahnungslosen Deppen“ degradiert.  

Die Berichterstattung verzerrt die tatsächlichen Gegebenheiten und ruft den Eindruck hervor, Heilpraktiker für Psychotherapie würden – wie Wunderheiler – allein mit esoterischen Methoden agieren. Dies ist unzutreffend. Heilpraktiker für Psychotherapie üben weit überwiegend plausible Heilverfahren aus. Wissenschaftlich plausiblere Tätigkeiten werden in dem Bericht indes vollständig ausgeblendet. Dies führt zu einer verzerrten Darstellung der   tatsächlichen Gegebenheiten im Heilpraktikerwesen. Es wird der Eindruck erweckt, dass sämtliche Heilpraktiker entweder ihre Patienten massiv gefährden würden oder nur völlig obskure, untaugliche Verfahren anwenden würden. Es drängt sich die Frage auf, weshalb Heilpraktiker einen großen Zulauf von Patienten haben, wenn sie derart agieren.

Die Auswahl der Experten empfindet mein Mandant als einseitig und tendenziös. Die Redakteure wären gehalten gewesen, die Aussagen der jeweiligen Experten kritisch zu hinterfragen und durch weitere Quellen abzusichern. Auch Herr Prof. Fydrich hat sich in einem Artikel im Juli-Heft (2022) der "Psychologie heute" als Kritiker des sektoralen Heilpraktikerberufs dargestellt und dessen Abschaffung gefordert.

Was in dem Beitrag als persönliche Meinung des Reporters Christoph Kürbel erscheint oder als Ansicht der Macher der Sendung dargestellt wird, wird in der Zusammenfassung der Reportage in der Tagesschau als „Tatsache“ präsentiert. Alle Einschränkungen bestimmter Behauptungen, die im Film noch ausgesprochen werden, fehlen in dem Tagesschau-Beitrag. Damit ist der Schaden für den Berufsstand, aber auch für die Patienten umso größer.

Die Redaktion bekundet (in Repliken zu Zuschauerkommentaren): „VOLLBILD habe es sich zur Aufgabe gemacht, Missstände und Probleme mit den Mitteln der Recherche aufzudecken…. Hier habe man das Versprechen der Heilpraktiker-Verbände unter die Lupe genommen, das Gesundheitssystem zu entlasten und sinnvoll zu ergänzen, dabei Milliarden Euro einzusparen und Patienten gezielt und mit hoher Qualität behandeln zu können. Wie die Recherchen zeigen würden, würde dieses Versprechen nicht in Gänze eingehalten.

Richtig ist: Die Recherchen konnten den angeblichen Widerspruch zu den Aussagen der Verbände gerade nicht belegen. An welcher Stelle des Beitrags wird bewiesen, dass Heilpraktiker das Gesundheitssystem nicht entlasten und nicht sinnvoll ergänzen und dabei helfen, Geld einzusparen und Patienten gezielt und mit hoher Qualität zu behandeln?  Es kann nicht angehen, dass ein einziger Fall ausreichen soll, um die Aussage in Gänze als „widerlegt“ zu betrachten.

Die Redaktion hat erklärt, dass sie mit dem Beitrag die Anmaßung von Kompetenzen durch Heilpraktiker kritisieren wollte. Die Recherchen hätten ergeben, dass solche Anmaßungen im Berufsstand der Heilpraktiker recht verbreitet seien.

Auch hier fragt sich, auf welchen Befund diese Aussage gestützt wird. Welche Recherchen haben bestätigt, dass sich Heilpraktiker Kompetenzen anmaßen, die ihnen nicht zukommen? 

Aus den genannten Gründen wird beantragt,  

- den Beitrag „Undercover: So gefährlich sind Heilpraktiker“ des Formats „Vollbild“, abrufbar in der ARD -Mediathek und YouTube unverzüglich aus der Mediathek sowie der Videoplattform YouTube zu entfernen oder die unzutreffenden Aussagen zu korrigieren. 

- den abrufbaren Text-Bericht mit der Überschrift „Eine Anmaßung von Kompetenzen“ nebst dem dort eingebundenen Tagesschau-Bericht zu löschen oder die unzutreffenden Aussagen zu korrigieren.

Den vollständigen Text der Programmbeschwerde finden Sie im internen Mitgliederbereich des VFP gleich an erster Stelle oder über diesen Link.

Nienburg, 06.10.2022 Dr. Werner Weishaupt