Rechtsfragen
Fragen? Dr. Stebner antwortet!
? Müssen Krankenkassen Behandlungskosten tragen?
In letzter Zeit bekomme ich gehäuft Anfragen von Patienten, die Mitglied einer Krankenkasse sind und bei mir eine psychotherapeutische Behandlung absolvieren möchten. Ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie. Die meisten Patienten können sich eine vollständige Privatzahlung nicht leisten. Kann die Krankenkasse mit einer Kostenerstattung einspringen?
! Heilpraktiker für Psychotherapie gehören nicht zu den Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenkassen. Nach dem Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) handelt es sich also bei einer Psychotherapie durch HP Psy nicht um eine Sachleistung in der Versorgung von Versicherten (Kassenpatienten). Krankenkassen haben aber die Möglichkeit, nach dem SGB V freiwillige Satzungsleistungen zu beschließen. Verschiedene Krankenkassen zählen unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kostenerstattung von Heilpraktikerleistungen dazu. Ihre gesetzlich versicherten Patienten sollten sich vor Beginn der Behandlung bei ihrer Krankenkasse nach einer Kostenerstattung im Rahmen der freiwilligen Satzungsleistung erkundigen. Verschiedene Krankenkassen stellen die freiwilligen Satzungsleistungen und deren Voraussetzungen auch ins Internet. Ihre Patienten und Sie können dann genau sehen, welche Voraussetzungen für eine Kostenerstattung bestehen. Dies können z. B. Qualifikationsnachweise sein.
Die gesetzlichen Leistungen der Krankenkassen sind alle gleich. Interessant könnte für manche Ihrer Patienten deshalb ein Krankenkassenwechsel nach § 175 SGB V sein. Danach ergeben sich folgende Eckpunkte:
- Bindung an die Krankenkassenwahl für 18 Monate
- Ausnahme: Die Kasse erhebt einen Zusatzbetrag, erhöht ihren Zusatzbetrag oder verringert ihre Prämienzahlung.
- Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats nach Eingang der Erklärung möglich.
- Kündigung ist nur wirksam, wenn die Mitgliedschaft bei anderen Krankenkassen innerhalb der Frist nachgewiesen werden kann.
Auskünfte erteilt meistens gerne ein Sachbearbeiter der „neuen“ Krankenkasse vor Stellung des Aufnahmeantrags. Manchmal ist man sogar mit Kündigungsschreiben behilflich, um neue Versicherte zu bekommen.
? Berufsbezeichnung „Familientherapeut“ und Familientherapie
Ich bin Heilpraktiker für Psychotherapie und behandle fast ausschließlich Familien. Darf ich mich Familientherapeut zusätzlich nennen? Hinzu setzen würde ich selbstverständlich die Berufsbezeichnung Heilpraktiker für Psychotherapie. Im Rechtsforum habe ich auch gelesen, die Familientherapie sei nach dem Psychotherapeutengesetz als eine psychologische Tätigkeit einzustufen und keine Psychotherapie. Ist dies richtig? Dann würde Familientherapeut außerhalb der Psychotherapie stehen und Psychologische Berater könnten Familientherapie durchführen? Wenn ja, welche Konsequenzen hätte dies für meine Behandlung?
! Familientherapeut oder Paartherapeut suggeriert zunächst einen Beruf, den es nicht gibt, sodass ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG vorliegt.
„Therapie“ ist die Behandlung von Krankheiten, Heilverfahren; sie umfasst alle medizinischen Maßnahmen (z. B. allgemeine Therapie, Pharmakotherapie, chirurgische Therapie, Physiotherapie, Psychotherapie), die geeignet sind, Symptome zu lindern und/oder Krankheiten zu beseitigen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, Stichwort: „Therapie“). „Therapie“, in welcher Wortkombination auch immer, suggeriert dem Verbraucher unzweideutig Heilbehandlung. Der Verbraucher verbindet deshalb damit eine Behandlung/Heilbehandlung. Wird sie dann auch noch unter der Prämisse einer „psychologischen Tätigkeit“ außerhalb der Heilbehandlung tatsächlich als Heilbehandlung ausgeübt, ist eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (sog. Heilpraktikererlaubnis) erforderlich. Wird diese Rechtslage ignoriert, kann man mit § 5 Heilpraktikergesetz in Konflikt geraten.
Diese Strafnorm bedroht die Heilkundeausübung ohne Erlaubnis mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe.
Wenn Sie Familien oder Paare außerhalb der Heilbehandlung beraten/coachen, ist dies keine Therapie und darf so auch nicht bezeichnet werden.
? Leistungen der Heilpraktiker für Psychotherapie und Kostenerstattung von privaten Krankenversicherungen
Meine Patientin ist privat krankenversichert und hat schon für viele Rechnungen von mir einen Teil der Kosten erstattet bekommen. Abgerechnet habe ich jeweils Ziffern aus dem GebüH. Die Versicherung verweigert nun grundsätzlich die Kostenerstattung mit dem Hinweis, ich sei „nur“ Heilpraktikerin für Psychotherapie und meine Ausbildung wäre weniger wert, da sie nur drei Monate dauern würde. Dies ist natürlich Unsinn. Die Aussage finde ich diskriminierend. Nur was kann meine Patientin tun?
! Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung ergeben sich aus dem Zusammenspiel von §§ 192 ff. Versicherungsvertragsgesetz, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den abgeschlossenen Tarifbedingungen. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt eine Kostenerstattung von Heilpraktikerleistungen in Betracht, wenn ein entsprechender Tarif abgeschlossen wurde. Entscheidend für die Beurteilung Ihrer Frage ist, ob Ihre Patientin einen sog. Heilpraktikertarif abgeschlossen hat. Dies ist offensichtlich der Fall. Ihre Patientin muss sich diese Tarifbestimmung genau anschauen. Wenn ausschließlich die Rede davon ist, dass Heilpraktikerleistungen bei medizinischer Notwendigkeit der Heilbehandlung in die Kostenerstattung fallen, sind Heilpraktiker ohne Gebietsbeschränkung und mit Gebietsbeschränkung erfasst (Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21. Juni 2011, Az.: 405 C 1913/11). Ohne Verstoß gegen das Versicherungsvertragsgesetz wäre es aber auch möglich, dass ein Tarif abgeschlossen ist, der die Kostenerstattung von Heilpraktikern mit Gebietsbeschränkung ausschließt. In dem Fall hätte Ihre Patientin keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Ebenfalls ohne Rechtsverstoß ist es möglich, wenn die Kostenerstattung von Heilpraktikerleistungen an bestimmte Qualifikationsnachweise geknüpft wird.
Wenn die PKV bei Ihrer Patientin bisher eine Kostenerstattung vorgenommen hat, ergibt sich noch ein anderer rechtlicher Aspekt in der Sache. Bevor die PKV die gleiche Leistung in der Kostenerstattung ausschließt, besteht eine Hinweispflicht, damit sich der Versicherungsnehmer auf eine Änderung der Kostenerstattung einstellen kann. Wenn die Versicherung einen entsprechenden Hinweis bei der letzten Kostenerstattung nicht vorgenommen hat, ist sie bereits aus diesem Aspekt heraus zur Kostenerstattung verpflichtet.
? Heilpraktikerleistungen ohne Praxis abrechnen?
Ich habe die HP-Erlaubnis erworben, habe aber noch keine Praxis. Bis ich so weit bin, übe ich noch weiter meinen Büroberuf als Angestellte aus. Ich arbeite aber schon in einem Zimmer in meiner Wohnung, die nicht als Praxis gemeldet ist. Nun meine Frage: Darf ich HP-Rechnungen ausstellen, wenn ich keine Praxis angemeldet habe, aber die Erlaubnis besitze?
! Sie haben die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde. Berufsmäßig dürfen Sie diese nur ausüben, wenn Sie eine Niederlassung haben. Gegen gelegentliche Behandlungen von Patienten, z. B. Verwandten, Freunden usw., ist rechtlich aber nichts einzuwenden. Es handelt sich dabei dann um keine systematische Berufsausübung. Für diese Behandlungen können Sie Honorar verlangen und Rechnungen ausstellen. Beachten Sie aber, dass es sich um einkommensteuerpflichtige Einkünfte oberhalb einer Bagatellgrenze von 255 € nach § 22 Nr. 3. Satz 1 Einkommensteuergesetz handelt. Wenn Sie also mehr als 255 € jährlich einnehmen, müssen Sie die Einnahmen versteuern. Tun Sie dies nicht, könnte nach den Umständen des Falles eine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung vorliegen, die strafrechtlich oder mit Bußgeld geahndet werden könnte.
Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht