Kurs im Komplimente machen
„Ein Kompliment ist“, so erklärt es die Kellnerin Carol (Helen Hunt) in dem Film „Besser geht’s nicht“ dem zwangsneurotischen Schriftsteller Melvin (Jack Nicholson), „etwas Gutes über eine andere Person zu sagen.“ Dann fügt sie hinzu: „Und meinen Sie es!“ Daraufhin erklärt Melvin, dass er ein ganz tolles Kompliment habe: Sein Arzt sagt, er habe ein Leiden und Pillen würden helfen. Aber er hasst Pillen. Nun kommt das Kompliment an Carol: Ab einem bestimmten Moment habe er begonnen, die verhassten Pillen zu nehmen. Sie schaut ihn fragend an, weil sie nicht versteht, wo darin ein Kompliment sein soll. „Ihretwegen möchte ich ein besserer Mensch sein“, erklärt Melvin.
Das eigentlich französische Wort hat wahrscheinlich seinen Ursprung im lateinischen complere, was so viel heißt wie vollmachen, ausfüllen. Somit wäre ein Kompliment ein verbaler Akt der Erfüllung, Worte, die einem etwas geben, eine Lobrede, quasi eine Art „Mini-Laudatio“. Dabei sollen die Eigenschaften, Leistungen oder Charakter- und Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen mit guten Worten anerkannt und geehrt werden, damit sein Herz mit Freude, Stolz und Würde voll werde.
Ein Kompliment ist gesprochene Liebe, welche einen leeren Energietank wieder aufzufüllen vermag. Damit ist die Liebe in Worten die wichtigste Liebessprache, die es zu erlernen gilt. Eine anerkennende Wertschätzung kann ein wahrer Segen sein.
Wir haben das vor nicht allzu langer Zeit selbst erleben dürfen: Ein ziemlich skeptischer Mann, den seine Lebensgefährtin zu einem gemeinsamen Beziehungscoaching bei uns überredet hatte, meinte nach der vierten Sitzung, zu der sie zum wiederholten Male völlig zerstritten ankamen und sich dann am Ende im Arm hielten und küssten: „Das ist schon erstaunlich! In welch desolatem Zustand wir auch zu euch kommen, ihr schafft es immer wieder!“
Diese Worte, und dann auch noch von ihm, die haben uns nicht nur gefreut, die haben uns gesegnet. Sie haben uns tief berührt und fühlten sich an wie Sprühregen, der auf trockenes Land fällt und über mehrere Tage anhält. In der Tat gingen uns seine Worte noch lange durch Kopf und Herz. Sie gaben und geben uns auch heute noch Zuversicht für jede neue Herausforderung mit jedem neuen Paar. Sie sind wie eine Eskorte auf unserer Reise in die Zukunft.
Solch eine Wirkung kann ein aufrichtig gemeintes Kompliment haben. Kein Wunder, dass Ehepartner, Kinder, Freunde, Kollegen und Mitarbeiter sich nach solchen guten Worten sehnen. Schade nur, dass so wenige es beherrschen, jemandem ein Lob zu machen, das ihn segnet.
Nachdem wir nun mittlerweile wiederholt angefragt wurden, ob wir denn nicht einen „Kurs im Komplimente machen“ hätten, haben wir uns daran gemacht, einen solchen auszuarbeiten. Diesen wollen wir im Folgenden vorstellen. Doch zunächst bedarf es einiger wichtiger Vorbemerkungen:
• Ein Kompliment in unserem Sinne ist nicht bloß eine schmeichelnde Äußerung oder ein Auftakt zum Flirt, sondern gesprochene Liebe, die nachhaltig guttun will. Leider liegt da der Hund begraben, denn viele Menschen tun sich schwer, Liebe in Worte zu fassen. Viele bringen eine Liebesbekundung kaum über die Lippen. An vorderster Stelle stehen da bedauerlicherweise oft die Väter, insbesondere Väter von Teenagern oder gar erwachsen gewordenen Kindern. Und ganz an der Spitze stehen Väter von erwachsenen Söhnen. Fragen Sie sich doch einmal, wann Sie das letzte Mal – wenn überhaupt – ein gutes Wort, Wort des Segens, von ihrem Vater zu hören bekommen haben. Und dann fragen Sie sich, welche Worte Sie gerne von Ihrem Vater gehört hätten.
In der Bibel wird die Geschichte von Zwillingsbrüdern erzählt, wo der jüngere dem älteren Bruder den Segen stibitzt. Als der Erstgeborene schließlich kommt und auch gesegnet werden möchte, fasst dieser den Schmerz einer unzählbaren Schar von jungen Männern in die Worte: „Vater, segne doch auch mich, mein Vater!“ Spüren Sie den Schmerz aus seinem Herzen?
• Den gleichen Schrei gibt es in unzähligen Frauenseelen, nur richtet sich der mehrheitlich an ihre Partner. „Bitte sag, dass du mich liebst, bitte! Sag es!“ Aber wie sollen Männer, die selbst keine Worte der Liebe zu hören bekamen, wissen, wie sie ihre Lebensgefährtinnen und geliebten Töchter mit gesprochener Liebe segnen sollen?
• Unseres Erachtens ist es von unverzichtbarer Relevanz, dass Liebe ausgesprochen wird. Sie muss in Worte gefasst werden, damit sie gehört und geglaubt werden kann. Es scheint nämlich so, als ob das „Glaubenszentrum“ im Gehirn irgendwie mit dem Hörsinn und wahrscheinlich auch mit dem Lesesinn gekoppelt ist. Denn was man hört oder liest, kann man glauben – oder auch nicht. Aber wenn man nichts hört oder liest, gibt es auch nichts zu glauben. Worte sind hier der Schlüssel, denn Glaube entsteht aus glaubwürdigen Worten.
Das klingt Ihnen zu einfach? Beobachten Sie es doch einfach mal bei sich selbst. Bestimmt werden Sie Folgendes feststellen: Jemand, der, obwohl er anwesend ist, wortlos bleibt, ruft Unsicherheit hervor, sei es der Vater, Partner, Freund, Kollege, Boss etc. Die bayerische Formel „Ned g’schimpft is g’lobt g’nug“ funktioniert nicht. Wo geschwiegen wird, stiftet das nur Verwirrung über das, was der andere denkt.
Ein Fußballspieler hat sich einmal bei seinem Mitspieler beklagt, weil er vom Trainer in einer Tour kritisiert worden war. Darauf erwiderte jener: „Sei froh, zumindest redet er noch mit dir. Wenn der erst einmal nichts mehr sagt …!“ Die unausgesprochene Botschaft unausgesprochener Worte lautet: „Ich habe dir nichts zu sagen.“ Und das deuten wir als Ablehnung. Es beinhaltet weder eine Art von Zuversicht noch einen Hauch von Zuneigung, oder?
Komplimente machen ist eine Verfahrenstechnik
Mit dieser Metapher versuchten wir einem Maschinenbauingenieur beizubringen, wie er seiner Frau und seinen beiden Kindern mit Worten der Liebe und des Lobes wirklich Gutes tun könne. Die sieben wesentlichen Bestandteile und Verarbeitungsschritte für ein Lob, das eine segnende Wirkung haben soll, sind demnach folgende:
- das „Rohmaterial“ und eine dazugehörige „Lagerliste“,
- die Verarbeitung in der „Gießerei“,
- die „Veredelung“,
- danach kommt das fertige Kompliment in die passende „Verpackung“,
- ab geht es zur „Endkontrolle“,
- zuletzt wird es übergeben in der persönlichen „Auslieferung“ oder „Zustellung“.
Rohmaterial und Lagerliste
Das ist eine Sammlung von guten und netten Dingen, die einem aufgefallen sind und über die man einem anderen Komplimente machen könnte, ohne dass sie gelogen wären, wie:
- Kaffee kochen bzw. überhaupt kochen
- Geschickt reparieren können
- Selbstdisziplin, Fleiß, Ehrgeiz
- Freund sein, sich Zeit nehmen und zuhören
- Powerfrau bzw. starker Mann
- Kleidungsstil, Erscheinung, Haare
- Lächeln, Lachen, Spaß haben
- Sportlichkeit, Schlagfertigkeit, Selbstbewusstsein
Das Wichtigste dabei ist, dass man sich eine Sammlung von Eigenschaften, Leistungen, Charakter- oder Persönlichkeitsmerkmalen anlegt, indem man sie z. B. in ein Notizbüchlein schreibt. Dann hat man immer ausreichend „Rohmaterial“ zur Verfügung, aus dem man ein wirklich gutes Kompliment machen kann, das dem anderen nachhaltig guttun kann.
Gießerei
Als Nächstes kommt das „Rohmaterial“ zur Verarbeitung in die „Gießerei“. Hier werden die guten Dinge in gute Worte gegossen. Dabei reicht es aber nicht, dass am Ende ein schlichter Satz herauskommt wie: „Liebling, du kannst wirklich gut Kaffee kochen.“ Nein, ein wenig mehr Wertschöpfung sollten wir uns da schon abverlangen. Dann könnte das Kompliment vielleicht so klingen: „Liebling, ich muss dir unbedingt etwas sagen: So einen guten Kaffee, wie du ihn zubereitest, gibt es weit und breit nicht.“ Das klingt doch schon besser, oder? Sie finden es zu dick aufgetragen? Warten Sie’s ab, es geht noch mehr.
Veredelung
Denn nun wird dem Kompliment ein „High Value“ hinzugefügt. Es handelt sich dabei um Worte, die Ehre, Hochachtung und komprimierte Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Beispiele:
- Weil du mir so wichtig bist und/oder weil mir die Beziehung zu dir so unendlich viel bedeutet.
- Das sieht sonst keiner, das entgeht den meisten Menschen.
- Es ist unglaublich, wie du …
- Es hat etwas Magisches, Wundersames, Zauberhaftes.
- Es ist absolut bemerkenswert, echt stark, sensationell, unzweifelhaft, umwerfend, absolut überzeugend, überwältigend, überragend.
- Das hast du so was von genau getroffen, auf den Punkt.
- Das Beste, das mir je passiert ist.
- Das ist top, einsame Spitze, unvergleichbar.
Nach der Aufwertung könnte das Kompliment nun wie folgt klingen: „Liebling, ich muss dir unbedingt etwas sagen, weil das den meisten Leuten entgeht, wenn sie uns zu Hause besuchen: So einen guten Kaffee, wie du ihn zubereitest und servierst, gibt es weit und breit nicht. Das ist nicht bloß Top Ten, das ist einsame Spitze. Ich weiß das mit 100%iger Gewissheit, weil ich noch nirgendwo einen besseren Kaffee bekommen habe, noch nicht einmal bei meiner Mutter.“ Steigern kann man das Ganze noch, indem man eine Zukunftsperspektive hinzufügt wie: „Falls du irgendwann einmal selbst ein kleines Café eröffnen würdest, bin ich mir sicher, dass ganz viele Menschen kommen würden, um die Magie und Schönheit zu erleben, die du in eine einfache Tasse Kaffee hineinzaubern kannst.“
Verpackung und Endkontrolle
Ein hochwertiges Produkt in die passende Verpackung zu stecken, ist eine eigene Kunst, sagen die Marketingexperten. Und diese macht oft den kleinen, aber wesentlichen Unterschied aus. Ein Beispiel kennt wahrscheinlich jeder: die typische CocaCola-Flasche. „Verpackung ist nicht alles, aber ohne Verpackung ist alles nichts“, so hört man es.
Bei gezielten Komplimenten, die einen nachhaltigen Segen für eine Person bewirken sollen, besteht die Herausforderung darin, das Gesagte in ein Wort-Bild oder Bild-Wort zu verpacken. Bekannt dafür sind Metaphern wie „Flugzeuge im Bauch“ als Steigerung von „Schmetterlinge im Bauch“ oder „ein Herz wie ein Bergwerk“ als Bild für verborgene Schätze, die es gilt, zutage zu fördern.
Für unser Kompliment vom Kaffeekochen war es nicht leicht, eine geeignete Allegorie zu finden. Aber was halten Sie von dem?
„Liebling, ich muss dir unbedingt etwas sagen, weil das den meisten Leuten entgeht, wenn sie uns zu Hause besuchen: So einen guten Kaffee, wie du ihn zubereitest und servierst, gibt es weit und breit nicht. Das ist nicht bloß Top Ten, das ist einsame Spitze. Ich weiß das mit 100%iger Gewissheit, weil ich noch nirgendwo einen besseren Kaffee bekommen habe, noch nicht einmal bei meiner Mutter. Für mich ist dein Kaffee wie flüssig gewordene Zuneigung, die bis in die tiefsten Winkel einer Seele hinabgleiten kann und dort ein einzigartiges, angenehm warmes Gefühl hervorruft, das nur mit einem Wort trefflich beschrieben werden kann: Zuhause. Da, wo du für mich deinen unnachahmlichen Kaffee kochst, da bin ich daheim, da gehöre ich hin, da bleibe ich auch, nirgendwo sonst.“ Das mag Ihnen ein wenig dick aufgetragen klingen, aber Poesie hat keine Angst vor starken Worten und Gefühlen. Denn Poesie will berühren.
Endkontrolle
Damit sind wir beim Qualitätsmanagement. Es ist nämlich eine Sache, ein Kompliment gut auszuformulieren, eine andere ist es, die Worte in der rechten Art und Tonlage rüberzubringen, ohne sich zu verhaspeln, und vor allem natürlich und glaubwürdig zu klingen. Dazu sind unerlässlich:
Erstens,
dass Sie den Text auswendig lernen und ohne zu spicken aufsagen zu können.
Zweitens,
dass Sie Ihren Mund an das Sprechen von Liebe und Lob gewöhnen.
Klartext
Sagen Sie Ihr ausformuliertes Kompliment laut vor einem Spiegel, noch mal und noch mal und noch mal, bis Sie das Gefühl haben, dass es passt. Vergessen Sie nicht: Sie selbst sind der Erste, der es abkaufen muss, sonst kauft es ein anderer auch nicht!
Auslieferung oder Zustellung
Zum krönenden Abschluss muss nun noch die sorgfältig hergestellte, veredelte und in ein Wort-Bild gepackte kleine Lobrede an die Person gebracht werden. Dabei sind diese Punkte zu beachten:
Attention:
Es ist wichtig, dass Sie die volle Aufmerksamkeit haben. Das schaffen Sie am besten, indem Sie Augenkontakt herstellen und während der ganzen Zeit beibehalten.
Affektion:
Wenn Sie nicht warmherzig rüberkommen, war alles umsonst. Das geht allerdings recht leicht, indem Sie eine bedeutungsvolle Berührung herbeiführen. Das kann das Ergreifen der Hand sein zum Herstellen von Augenkontakt oder Sie legen die Hand sanft auf die Schulter und fragen, ob Sie einen Moment Gehör bekommen. Die meisten Menschen wenden sich dann einem zu.
Affirmation:
Wenn Sie fertig sind, fügen Sie hinzu, dass Sie das, was Sie gerade gesagt haben, auch wirklich und genau so gemeint haben.
Nun sind Sie dran. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unseren „Kurs im Komplimente machen“ einfach mal ausprobieren, erste Erfahrungen machen und uns davon berichten würden. Bitte vergessen Sie dabei nicht, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Haben Sie Geduld mit sich und geben Sie bitte nicht so schnell auf. Die Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, werden es Ihnen danken, dass Sie noch einmal die „Schulbank“ gedrückt und gelernt haben, Liebe zu sprechen.
Herbert und Gisela Ruffer
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Paar- und Psychotherapie in Landshut, Wochenend-Intensivtherapie für Einzelpersonen und Paare
Fotos: fotolia©Victoria, fotolia©Di Studio