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Psychotherapieversorgung trotz Reform „völlig unzureichend“

Viereinhalb Monate warten auf einen Therapieplatz! SPD mahnt Kostenübernahme an.

Vor rund einem Jahr ist die Psychotherapieversorgung in Deutschland reformiert worden. Hintergrund waren die extrem langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Geändert hat sich trotz der Reform offenbar wenig: Nach einem Bericht des NDR müssen Patienten noch immer durchschnittlich 20 Wochen auf eine ambulante Therapie warten.

Ein großer Wurf der Reform sollten die schnell verfügbaren Erstgespräche beim Facharzt sein. Die gibt es inzwischen, doch damit ist den Betroffenen nicht geholfen.

Dr. Werner Weishaupt, Präsident des VFP e. V. und selbst Heilpraktiker für Psychotherapie in Nienburg, berichtet von approbierten Kollegen: „Die hilfesuchenden Menschen kommen zum Erstgespräch, es gibt eine Anamnese und eine Diagnose, dann muss der Patient wieder weggeschickt werden, weil es keine freien Termine gibt.“

Das sei, so Dr. Weishaupt, „für die niedergelassenen Kollegen frustrierend und für die Patienten sogar qualvoll.“ In gewisser Weise hätte die „gut gemeinte“ neue Vorschrift der zügigen Erstgespräche die ohnehin angespannte Situation sogar noch verschärft: „Die Erstgespräche blockieren Zeit, die ansonsten für Therapien hätte verwendet werden können. Die Warteliste wird immer länger.“

Nicht jeder Mensch mit psychischen Problemen kann und will Monate auf einen Therapieplatz warten. „Manche niedergelassene Ärzte weisen Patienten, die sie nicht sofort versorgen können, auf die Möglichkeit hin, sich zunächst an einen Heilpraktiker für Psychotherapie zu wenden“, so Dr. Weishaupt. Das funktioniere vor allem dann gut, wenn sich Facharzt und Heilpraktiker kennen.

„Natürlich kann man sich auch ohne Empfehlung an einen freien Psychotherapeuten wenden“, sagt Werner Weishaupt. „Das Problem ist aber, dass die Kassen bei der Kostenübernahme einer Therapie zunehmend restriktiver vorgehen.“

Diese Einschätzung deckt sich mit den Erkenntnissen des NDR: Inzwischen werde jeder zweite Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt. „Es gibt Menschen, bei denen ist der Leidensdruck so hoch, dass sie die Therapie über einen Nebenjob finanzieren“, berichten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen.

Der Politik ist das Problem bekannt. Sabine Dittmar (SPD), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, sagte im NDR, die Politik wolle „Druck machen“, um endlich eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Lasse sich keine spürbare Verkürzung der Wartezeiten realisieren, müsse „natürlich auf das Instrument der Kostenübernahme zurückgegriffen“ werden.

Ähnlich äußerte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Er erwarte, dass der mit der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung beauftragte Gemeinsame Bundesausschuss „zügig vorankommt“.

Wenn es bei Terminvergaben und Wartezeiten hakt, müsse man das rasch ändern, so Spahn.

Man darf gespannt sein, ob diese Appelle nützen.

Jens HeckmannJens Heckmann
Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit/ Unternehmenskommunikation

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