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Trauma-Aufstellungen

 2012-02-Trauma1

Eine psychotherapeutische Methode in der Praxis

Der Großteil unserer Bevölkerung hat Krieg(e) erlebt und damit die Folgen des eigenen traumatischen Erlebens an die folgenden Generationen weitergegeben. Die Symptome werden von Generation zu Generation nicht nur übertragen, sondern potenzieren sich dabei. Jede Generation, jeder Mensch gibt wieder seine eigenen Folgen mit weiter. Ein Indiz dafür sind die immer früher „krank“ werdenden Kinder und die Vielfalt der sogenannten Verhaltensauffälligkeiten. In der Therapie, basierend auf Bindungsund Traumatheorien, bezeichnen wir das Erforschen und Erkennen der Symptome, ihrer Ursachen und die folgende therapeutische Herangehensweise als Mehrgenerationale Psychotraumatologie.

Wie erkenne ich, ob ein Mensch traumatisiert ist? Mögliche Symptome:

Psychisch-emotionale Ebene: Kraftlos, müde, ängstlich, panisch, gestresst, verwirrt, diffuses Gefühl davon, nicht das eigene Leben zu leben, nichts wirklich zu schaffen, blockiert, freudlos, depressiv oder überschwänglich, wütend, getrieben, rastlos, hyperaktiv usw.

Körperliche Ebene: Geschwächtes Immunsystem, Rückenschmerzen, körperliches Schweregefühl, Schlafstörungen, Essstörungen, Magen-Darm-Problematik, Bluthochdruck, Migräne usw.

Wie definiere ich Trauma?

fotolia©ArToEin traumatisches Ereignis findet zunächst im Außen statt, etwa durch ein extrem angstbeladenes, nicht aushaltbares Ereignis und hinterlässt im Inneren einen so starken Eindruck, dass sich die traumatischen Folgen durch körperliche und psychische, mitunter sehr komplexe oder auch subtile Symptome zeigen. Die Folgen werden in der Regel als Krankheit bezeichnet.

Ausgehend von Kriegserlebnissen wie Mord, selbst ausgeführt oder miterlebt, Vertreibung, Vergewaltigungen usw., Folgeerlebnissen wie Existenzkampf, Plünderungen, Gewalt usw. , die nicht unter professioneller Hilfe verarbeitet werden konnten, erlebe ich immer wieder, dass diese Traumata an die nachfolgenden Generationen mit ihren Folgen weitergegeben wurden.

Dabei spielt die Bindungstheorie nach John Bowlby eine wesentliche Rolle: In einer unsicheren Eltern-Kind-Bindung aufwachsend, erleben Kinder nach Franz Rupperts Theorie ein Symbiosetrauma. Das bedeutet, dass das Kind sich ans Trauma der Mutter (erste Bezugsperson) binden muss, um überhaupt so etwas wie Bindung zu erfahren. Vielfach werden die Kinder von ihren Eltern nach bestem Wissen versorgt, dennoch fehlt ihnen eine tiefe Verbindung. Diese Kinder finden sich vielfach als Erwachsene in Opferrollen wieder (Missbrauch, Abhängigkeit von Drogen/Genussmitteln, Koabhängigkeit usw.), die wiederum traumatisch wirken und sie zum Täter gegen sich selbst und ihre Mitmenschen machen können.

Weitere Beispiele einer Traumatisierung: Adoption, Abtreibungsversuch, vorgeburtliche, geburtliche oder nachgeburtliche traumatisierende Erlebnisse, sexueller und emotionaler Missbrauch, Heimaufenthalte, Vernachlässigung durch die Eltern, Süchte der Eltern, früher Tod eines geliebten Menschen, innerfamiliäre Gewalt, schulische Erlebnisse wie Mobbing, das Miterleben von immer wiederkehrenden, schockierenden Ereignissen z. B. in der Familie, das Erleben oder Miterleben eines schockierenden Ereignisses wie ein schwerer Unfall u. v. m.

Was kann ich als Therapeutin tun? Wie gehe ich mit traumatisierten Menschen um?

Wichtig zu wissen ist, dass ein Trauma eine psychische Spaltung (Dissoziation des Erlebnisses und des Personenanteils, der dieses Trauma durchlebt hat, möglicherweise in mehrere Abspaltungen) als Überlebensstrategie auslöst, die sich in vielfacher Weise zeigen kann (mögliche Symptome s. o.). Die Aufstellungsarbeit von Prof. Dr. Franz Ruppert ist eine wirkungsvolle Methode, um die psychische Spaltung zu erkennen, sich Stück für Stück zusammen mit dem Klienten heranzutasten und letzthin durch Erkennen, Benennen und Fühlen, Kontakt zu den abgespaltenen Personenanteilen aufzunehmen. Durch eigene, authentische Gefühle zu sich selbst können die Selbstheilungskräfte aktiviert und dadurch die Spaltung geheilt werden. Der Therapeut begleitet den Klienten behutsam Schritt für Schritt, immer im Bewusstsein, die Geschichte und das Arbeitstempo des Klienten anzuerkennen. In der Einzelarbeit stellt sich der Therapeut als Anliegen zur Verfügung, ist dem Menschen ein neutraler Spiegel. In gruppentherapeutischen Sitzungen „liest“ er die Aufstellungen, begleitet klar und transparent, statt zu lenken.

Wie’s funktioniert

Zunächst geht es um das Erkennen eines Traumas bzw. einer seelischen Spaltung. Das Modell von Franz Ruppert splittet den traumatisierten Menschen in drei Teile:

– den gesunden Anteil
– den traumatisierten Anteil
– den Überlebensanteil

Der Überlebensanteil wird zunächst alles dafür tun, das Trauma verdeckt zu halten, an alten Mustern festzuhalten, die Spaltung zu halten. Gekennzeichnet sind die Überlebensanteile durch Dauerstress, Verdrängungs-, Verleugnungs- und Vermeidungsstrategien, Ablenken durch Kompensation oder schlichtweg Ignorieren der Probleme. Wie der Name schon deutlich macht, ist das Überlebens-Ich während der Traumatisierung nötig gewesen, um den Menschen am Leben zu erhalten, durch z. B. Einfrieren, Erstarren, Dissoziieren. Eine sinnvolle Einrichtung unseres Körpers und unserer Psyche! Die Krux ist bloß, dass das Überlebens- Ich zumeist bis in die Gegenwart hinein weiter seiner Arbeit nachgeht, es sei denn, wir sind willens und in der Lage, dies zu unterbrechen.

Das kann nur der gesunde Anteil in uns. Wenn wir so stabil sind, nicht nur den Willen zu haben, sondern auch die Kraft, uns an unsere Vergangenheit heranzutasten, ist es tatsächlich möglich, die Überlebensmechanismen zeitweilig oder ganz auszuschalten – je nach Schwere und Alter des Traumas. Das birgt natürlich immer die Gefahr einer Retraumatisierung, die jedoch mittels der Methode, mit dem Anliegen zu arbeiten, weitestgehend eingegrenzt wird. Oftmals ist es nötig, zunächst die gesunden Anteile zu stärken und zu stabilisieren (Ressourcenarbeit). Sie waren schließlich diejenigen, die den Klienten zur Therapie bewogen haben. Das Stärken der gesunden Anteile lässt sich durch Gespräche erreichen, so dass der Klient und seine Schutzmechanismen Vertrauen zum Therapeuten und zu sich selbst gewinnen.

Der traumatisierte Anteil darf sich dann in einer Aufstellung zeigen. Oftmals erlebe ich sehr kleine Kinder, je nach Alter des sich zeigenden Traumas, repräsentiert durch Erwachsene in Stellvertreterrollen, die froh sind, endlich gesehen zu werden. Im günstigsten Fall kann der Klient sie annehmen und integrieren, was oft erst nach mehreren Aufstellungen gelingt. Fühlen hat hier klar Vortritt vor Handeln. Ein allzu schnelles Umsetzen eines aufkeimenden Wunsches, ohne das entsprechende Gefühl, die Empathie dazu entwickeln zu können, mündet meist in einer Illusion.

Die Methode in der Gruppe

Vor jeder Aufstellung findet ein Vorgespräch zwischen Therapeut und Aufstellendem im Kreis der Seminarteilnehmer statt, in dem sich das Thema für die Aufstellung, genannt das Anliegen, herauskristallisiert. Familiäre, berufliche, gesundheitliche Hintergründe werden berichtet und ergeben meist schon ein rundes Bild zum Anliegen. Ist das Anliegen klar, bittet der Aufstellende eine Person im Raum das Anliegen zu vertreten und stellt es in Form der stellvertretenden Person anschließend auf. Danach positioniert er sich als Aufstellender dem Gefühl entsprechend hinzu und es wird geschaut, was passiert. Die beiden Personen haben nun alle Freiheiten, miteinander in Dialog zu treten, sich zu bewegen.

Aufgabe des Therapeuten ist es, genau zu beobachten, was passiert, zu erkennen, in welchem Anteil sich die Personen gerade befinden, welche körperlichen Befindlichkeiten auftreten, Gestik, Mimik und Inhalt des Mitgeteilten einzuordnen. Oftmals werden weitere Stellvertreter seitens des Aufstellenden hinzugezogen, die dann andere Anteile seiner selbst oder seines Systems darstellen. Im Kontakt miteinander entstehen Gefühle, Erkenntnisse und mitunter die Integration eines lange verloren gegangenen kindlichen Anteiles, dargestellt durch einen Stellvertreter.

Ebenso wird durch die Stellvertreter oftmals Klarheit ins Familiensystem gebracht. Der Aufstellende kann vielleicht erstmals fühlen, dass ein Bindungstrauma zwischen Eltern und nun erwachsenem Kind besteht. Das Bindungstrauma hat dazu geführt, dass die kindlichen Bedürfnisse nie erfüllt werden konnten, der Erwachsene also mitunter noch in der Gegenwart danach sucht. Das wiederum kann gegenwärtige Partnerbeziehungen stark belasten.

Allein die Erkenntnisse, die während der Aufstellungen gewonnen werden können, lassen den Aufstellenden fühlen und begreifen, dass er bspw. kein Simulant ist, nicht verrückt ist, sondern seinem Gefühl, was bis dahin vielleicht im Nebel lag, trauen kann, dass er in Ordnung ist, so wie er ist. Das sind Schritte ins Selbstvertrauen, die den Klienten unterstützen seinen eigenen Weg in seinen eigenen Schuhen zu gehen und nicht das Leben z. B. der Eltern zu leben, was ja selten bewusst geschieht. Er hat endlich eine Ahnung davon, was es bedeuten kann, sich nicht mehr wie fremdgesteuert zu fühlen, und das geschieht schon während der Aufstellung durch die Rückmeldungen der Stellvertreter, die darauf aufmerksam machen, was im System „verrückt“ war.

Das heißt nicht, das System wird verändert, sondern der Mensch darin hat die Chance, zu erkennen, dass er sich bis dato in einem „verrückten“ System aufgehalten hat, aus dem er sich mit dieser Erkenntnis befreien kann.

Sinn der Aufstellungsmethode

Während der Aufstellung werden innere psychische Strukturen nach außen, in Gefühl, Körpersymptome und Sprache gebracht, komplexe Zusammenhänge psychischer Konflikte sichtbar gemacht. Dies ist möglich aufgrund der sogenannten Spiegelneurone. Des Weiteren ist bewiesen, dass nach dem „Sender-Empfänger-Prinzip“ non-verbal über 90 % weitergeschickt wird (kognitive, emotionale Verhaltensebene). Dies hat natürlich auch beim Aufstellen Gültigkeit.

Wichtig: Im Fokus steht immer das Anliegen, das Tagesziel des Aufstellenden. Mit seiner Formulierung beginnt der therapeutische Prozess. Offenheit, Behutsamkeit und Achtsamkeit sind hier seitens des Therapeuten besonders gefragt. Oftmals gibt die psychische Verfassung eines Klienten gerade einmal Raum dafür, einen Teil der möglichen Ursache zu erkennen und anzuschauen. In der Formulierung des Anliegens bildet sich ein Spiegel der psychischen Verfassung ab. Deshalb ist es so wichtig, immer wieder während der Aufstellung den Fokus auf dem Anliegen zu haben.

Beispiel: Ich will mir den Grund für meine Kopfschmerzen anschauen.

Hier zeichnet sich zunächst die Bereitschaft ab, sich der Ursache anzunähern. Da es selten einen Grund, sondern meist eine Verkettung von Gründen von Symptomen gibt, ist diese Formulierung ein möglicher erster Schritt in die richtige Richtung.

Oder: Ich will mich aus der Verstrickung (destruktive Bindung) mit meiner traumatisierten Mutter lösen.

Das deutet auf einen großen Schritt in die Autonomie und bereits eine fundierte Vorarbeit ggf. durch mehrere Aufstellungen hin, denn die Person, die dieses Anliegen äußert, nennt im Anliegen bereits den Grund für ihre Symptome/Probleme.

In der Regel bieten Aufstellungen einen raschen Zugang zur Ursache des Symptoms und infolgedessen einen Weg zur Gesundung. Die intensive Spürbarkeit sowohl der Problematik als auch der Lösung macht die Aufstellungsarbeit zu einer sehr wirksamen Methode.

Meine Angebote

Ergänzend zur Gruppenarbeit ist es sinnvoll, auch Einzelsitzungen anzubieten, in denen Einzelaufstellungen mit mir als Repräsentantin des Klientenanliegens stattfinden. Manchmal ist auch erst einmal Ressourcenarbeit (Vertrauen schaffen) in Form von Gesprächstherapie notwendig, um die gesunden Anteile zu stärken. Wichtig für die Therapie ist es, dass ich als Therapeutin, indem ich mich als Anliegen aufstellen lasse, tiefe Einblicke in die körperliche und psychische Verfassung bekomme und so ein tieferes Verständnis für den Klienten entwickeln kann.

Nach meiner Erfahrung kommen ebenso oft Klienten zuerst in die Einzelsitzung und anschließend irgendwann zur Gruppensitzung wie umgekehrt. Das richtet sich individuell nach dem eigenen Empfinden und der Art und Schwere der Traumatisierung. Oft wissen die Klienten, wenn sie kommen, gar nicht, dass sie traumatisiert sind, sondern sie kommen mit ihren meist seit Jahren andauernden Symptomen und der Bitte um Begleitung aus ihrem gefühlten Desaster. Sobald sich die Ursachen zeigen, macht sich immer Erleichterung breit. Es war oft bis zu diesem Zeitpunkt für die Betroffenen kaum auszuhalten, sich verrückt zu fühlen bzw. mit den Problemen und Symptomen nicht ernst genommen zu werden, als Simulant behandelt worden zu sein oder sich selbst schon so zu fühlen.

Für mich ist die Aufstellungsarbeit nach Prof. Dr. Franz Ruppert eine der wert- und wirkungsvollsten psychotherapeutischen Methoden, die sowohl allein als auch ergänzend zu anderen Methoden ihren Stellenwert hat und die ich hier gern weiterempfehle. Sie unterstützt keine Illusionen (genährt vom Überlebens-Ich und ggf. Familienmitgliedern), ist sehr klar und realitätsbezogen – ein guter Wegbegleiter raus aus destruktiven Bindungen, rein in die eigene gesunde Autonomie und Authentizität.

Literatur

  • Prof. Dr. Franz Ruppert
    Verwirrte Seelen, Kösel Verlag, 2002 
    Trauma, Bindung und Familienstellen Pfeiffer Verlag, 2005
    Seelische Spaltung und innere Heilung Klett-Cotta Verlag, 2007
    Symbiose und Autonomie Klett-Cotta Verlag, 2010
  • Michaela Huber
    Trauma und die Folgen. Trauma und Traumabehandlung Junfermann Verlag, 2009
  • John Bowlby
    Bindung. Trennung. Verlust. Reinhardt Verlag, 2006
  • Joachim Bauer
    Warum ich fühle, was du fühlst – Das Geheimnis der Spiegelneurone Heyne Verlag, 2006

Andrea StoffersAndrea Stoffers,
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Ausbildung zur Systemaufstellerin, Spezialisierung nach Prof. Dr. Franz Ruppert, Einzel- und Gruppenaufstellungen in eigener Praxis und in Aufstellungs-Camps, Dozentin an der Paracelsus Schule Mönchengladbach
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