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Schlaflos auf dem Camino?

Die Schlafexpertin Carola Graf aus dem Landkreis Heilbronn wollte schon seit langer Zeit den Jakobsweg laufen. Jetzt, da sie aufgrund ihrer jahrelangen Expertise wusste, wie sie selbst optimal schläft und anderen Menschen zeigen kann, wie sie den besten Schlaf in der Nacht erreichen können, hat sie sich genau dorthinbegeben, wo es am schwierigsten ist, gut zu schlafen.

Sechs Wochen lang verbrachte sie jede Nacht in einer anderen Pilgerherberge in ca. 40 verschiedenen Betten, teilweise zusammen mit unzähligen Menschen, schnarchend, schwitzend, in unbequemen Betten, um Hilfesuchenden noch mehr Schlaftipps weitergeben zu können. Carola Graf hat sich auf Pilgerreise auf den Camino del Norte an der Küste Nordspaniens begeben und dort 800 km und 15 000 Höhenmeter zu Fuß zurückgelegt, um sich genau diesen Herausforderungen zu stellen, die das Schlafen scheinbar unmöglich machen.


Auf dem Weg durch das Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galizien hat sie sich bewusst entschieden, nicht in „Luxus-Pilgerhotels“ oder Pensionen zu übernachten, sondern in Schlafsälen, teilweise mit bis zu 92 Betten.

Wie kann man sich Schlafen auf dem Pilgerweg vorstellen?

Manchmal besteht die Möglichkeit, zwischen öffentlichen Herbergen (auf Spendenbasis oder gegen kleines Entgelt) und privaten Herbergen (etwas mehr „Luxus“) zu wählen. Mehr Luxus heißt, Räume mit weniger Betten, Trennwänden oder Vorhängen an den Betten, eventuell Leintüchern und Bettdecken und etwas bequemeren Betten. Mit viel Glück gibt es sogar Handtücher, Seife und Duschgel in den Waschräumen und Duschen. Manchmal wird sogar ein Frühstück und/ oder ein Abendessen angeboten.


Doch in einigen Übernachtungsstätten kam sogar die Schlafexpertin an ihre Grenzen. Unhygienische Bedingungen, bei denen sie nicht wusste, wer die Nacht zuvor im Bett geschlafen hatte.

Ungewiss, welche Krankheitskeime, Bakterien, Viren oder Tierchen (Bettwanzen?) sich im Bett befinden. Schon allein der Gedanke daran löste bei ihr Jucken und Sorge um die Gesundheit aus.

Was macht das Schlafen so schwierig auf dem Pilgerweg?

Alles, was normalerweise als schlafschädlich vermieden werden sollte, ist in Pilgerherbergen eine große Herausforderung:
– unbequeme Betten
– durchgelegene Matratzen mit Plastiküberzug – Kissen mit Einwegbezug, auf die man sich eigentlich nicht freiwillig legen möchte
– laute Schnarcher
– Licht, das ständig an- und ausgeht, weil Pilger vorbeihuschen
– schlechte Luft
– das Wissen um eventuelle Bettwanzen
– kalte Füße, frieren oder schwitzen
– Schmerzen, teilweise im ganzen Körper
– spätes Essen (in Spanien gibt es manchmal erst um 21 Uhr Abendessen).
Kann man unter diesen Umständen schlafen? Die meisten Menschen sind doch bereits zu Hause in ihrem Alltag gestresst. Der Kopf ist auch am Abend und in der Nacht aktiv. Wer schläft schon abends schnell ein und wacht erst wieder am nächsten Morgen fit und erholt auf?

Ist Schlafhygiene tatsächlich der Schlüssel für einen gesunden Schlaf?
Müssen tatsächlich alle Bedingungen für gesunden Schlaf erfüllt sein? Die Regeln der Schlafhygiene und die Tipps für gesunden Schlaf, die Carola Graf ihren Patienten (immer m/w/d) normalerweise mit „ins Bett“ gibt, sind bei der Übernachtung in Pilgerherbergen schlicht und ergreifend unmöglich. Kein spätes Abendessen, ein bequemes Bett, Dunkelheit, ein ruhiger Raum, frische Luft, warme Füße ... Ist es tatsächlich möglich, trotz aller Widrigkeiten einzuschlafen?

Kann man es lernen, die Situation anzunehmen? Wie soll man sich entspannen und die Umstände akzeptieren?

Tatsächlich tritt der Schlaf irgendwann ein, trotz schlechter Bedingungen. Jedoch nur, wenn es gelingt, sich zu entspannen, abzuschalten, sich nicht aufzuregen und loszulassen.

Manchmal hat auch die Schlafexpertin einige Zeit wach gelegen. Und das war in Ordnung.

Zu wissen, dass sie irgendwann wieder einschlafen wird, hat sie beruhigt. Und nur wenn man ruhig und entspannt ist, kann man einschlafen.

Jetzt könnte man behaupten, dass es daran liegt, wenn tagsüber 20 Kilometer oder mehr mit schwerem Gepäck gelaufen wurde, man einfach vor Erschöpfung einschläft. Doch das trifft nicht ganz zu. Auch bei täglicher körperlicher Höchstleistung kann Schlafen zur Herausforderung werden und quält oftmals Schlafgestörte Nacht für Nacht, obwohl sie tagsüber übertrieben viel Sport treiben, um müde zu werden.

Die schlimmste Nacht?

In der ersten Woche auf dem Camino (spanisch: Weg) war es auch für Carola Graf nicht immer einfach zu schlafen. Schlafen im oberen Stockbett, Matratze und Kopfkissen aus Gummi mit Einmalbezug, viele Pilger in einem Raum. Der Herbergsvater verkündet, dass um 22 Uhr das Licht gelöscht wird und dann Bettruhe herrscht, um 7 Uhr geweckt wird und um 8 Uhr die Herberge verlassen sein muss.

Es war also wichtig, relativ schnell einzuschlafen, was für eine Nachteule, die normalerweise spät ins Bett geht, nicht ganz einfach ist.

Doch schlimmer war die Nacht ein paar Tage später, als direkt neben ihr ein laut schnarchender stark übergewichtiger Franzose lag, dessen Geräusche selbst mit hochwertigen Ohrenstöpseln kaum zu ertragen waren. In dieser Nacht war es selbst für sie als „erfahrene Schläferin“ nicht leicht, ruhig zu bleiben.

In der folgenden Nacht war dieser laut schnarchende Herr wieder in der gleichen Herberge eine Etappe weiter. Mit etwas mehr räumlicher Distanz, höherem Schlafdruck durch die vorige Nacht, Akzeptanz mit einer Mischung von Ausgeliefertsein und Ertragen schlief sie dann doch erstaunlich gut.

Was hat sie gemacht, wenn sie einmal gar nicht zur Ruhe gekommen ist?
Sie hat zum Beispiel Spanischvokabeln gelernt. Das hat ihren Geist auf sinnvolle Weise von den Widrigkeiten abgelenkt und müde gemacht. Irgendwann sind ihr dann die Augen zugefallen.

Zurück von ihrer Pilgerreise genießt die Schlafexpertin ganz besonders ihr kuscheliges Bett zu Hause.

Sie freut sich, wenn sie in der Nacht aufwacht, dass sie sich in ihre warme Bettdecke einmummeln kann, auf einer sauberen, bequemen Matratze liegt, ungestört weiterschlafen darf und am Morgen frisch und erholt aufwacht. So schläft sie selbst meist schnell wieder ein. Ein bewährter Tipp, den sie ihren „Schäfchen“ mit in die Nacht gibt, ist, ein schönes Hörbuch wie „Der kleine Prinz“ anzuhören. Nichts Aufregendes, sondern eine Geschichte, die ein gutes Gefühl gibt, vielleicht an die Kindheit erinnert und die Gedanken in eine positive Richtung lenkt.


Auf dem Jakobsweg zu sich selbst finden. Warum ist die Pilgerreise eine ganz besondere Reise? Ein sehr persönlicher Einblick

Als Pilger bist du einer von vielen auf deinem eigenen Weg. Ein Weg, auf dem du mit vielen Herausforderungen konfrontiert bist und letztendlich immer mit dir selbst. Auch mit der Einsamkeit. Wer du bist, was du tust, was du sagst, wie du aussiehst, was du denkst – niemand urteilt, niemand bewertet – nur du selbst. Auf dem Weg fand ich Offenheit, Akzeptanz, Empathie und Hilfsbereitschaft. Ja, auch Freunde aus der ganzen Welt. „Nichtpilger“ belächeln es, wenn ich den Ausdruck Freunde benutze.

Doch tatsächlich kommt man sich so nah wie nirgendwo anders. Nichts ist oberflächlich. Gespräche gehen tief. Sogar in verschiedenen Sprachen.


Da sich jeder im Prozess befindet und mit seinen Themen beschäftigt ist, teilt man sich mit. Jeder hat eine Story. „Warum läufst du den Camino?“ ist eine Frage, die gang und gäbe ist. Warum soll man sich nicht mitteilen? Schließlich sieht man seinen Gesprächspartner vermutlich nach dem Weg nie wieder ... oder doch?

Reden hilft. Laufen hilft. Egal für oder gegen etwas.

„Den Jakobsweg zu laufen ersetzt ein Jahr Therapie“ (sowohl Psycho- als auch Physiotherapie). Zitat eines bekannten Arztes. Selbst Hippokrates sagte einst: „Laufen ist die beste Medizin“.

Die wichtigste Erkenntnis für mich: Ich habe alles in mir, was ich brauche. Ich kann! Ich bin!

Carola Graf Heilpraktikerin für Psychotherapie, Schlafexpertin und Schlaftrainerin Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.