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Meditations- und Konzentrationsübungen und ihre Wirkung auf die psychische Gesundheit

138856327 Frau Konzentr„Der meditierende Mensch schafft
nicht nur eine empfindsame
Verbindung zu etwas Geistigem,
er vermag auch in der Welt
Beziehungen und Bezüge herzustellen.“

Der Begriff Meditation lässt sich von dem lateinischen Wort „meditatio“ herleiten und bedeutet „Versenkung, in die Mitte gehen“. Die Mitte des Menschen ist sein Ich-Selbst. Dieser Wesenskern, das Ich-Selbst des Menschen, steht in Verbindung mit der sichtbaren und unsichtbaren Welt.

Der Begriff Meditation wird heute mannigfaltig verwendet. Darunter fallen auch Entspannungsmethoden, Achtsamkeitsübungen sowie traditionelle religiöse Praktiken. Die hier beschriebene Meditationspraxis trägt der aktuellen Zeit Rechnung, indem sie eine Verbindung zum Inneren des Menschen sowie nach außen zur Welt herstellt. Wir leben in einer Zeit, die eine große Anforderung an Individualität und Selbstbestimmung stellt und gleichzeitig eine soziale und empfindsame Sicht zur Welt verlangt. Die Verknüpfung dieser beiden Bewegungsrichtungen drückt sich darin aus, dass der Mensch, um psychisch gesünder zu werden, authentischer werden und gleichzeitig seine Wahrnehmung der Welt verfeinern soll; durch eine Bewusstseinstätigkeit, die in denkender Weise zur Welt, zu einem Du oder zu einem Inhalt hin orientiert ist.

Die gesundheitliche Wirkung einer anhaltenden objektorientierten Meditationspraxis liegt darin, dass sich das Bewusstsein der Person durch die Schulung der Seelenkräfte (Denken, Fühlen, Wollen) über die im Unbewussten gespeicherten Erlebnisse und seelischen Einschränkungen erhebt, die wie autonom das Leben beeinflussen.

Diese gegenständliche Meditationspraxis

  • schult das realitätsbezogene Denken und die Wahrnehmung zur Welt,
  • fördert den bewussten Umgang mit den eigenen Emotionen und Stimmungen,
  • bewirkt eine Stärkung der Lebenskräfte,
  • festigt die innere Führungskraft der Person und ermöglicht selbstbestimmtes und zielorientiertes Handeln,
  • schafft Erkenntnis zu Projektionen, die auf der Person selber lasten, bzw. führt dazu, die eigenen Projektionen und Vorurteile besser zu erkennen. Dadurch verbessern sich Beziehungsfähigkeit und soziale Interaktion.

Die Selbststeuerungsfähigkeit und dadurch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verbessern sich; außerdem bewirkt die Meditationspraxis ein wachsendes Vertrauen in die Kraft der eigenen Gedanken. Die Übenden bemerken, wie sie durch aktives Denken Einfluss auf ungewollte Gefühle und Stimmungen nehmen können.

Bei Angststörungen drängen sich dem Betroffenen Gefühle von Unbehagen und Furcht auf, gegen die er sich nicht wehren kann. Es folgen die Vermeidung angstbesetzter Situationen und Rückzug. Der sich ängstigende Mensch stellt sich häufig jene Situationen vor, vor denen er Angst hat. Das wiederum verstärkt die Angst. Konzentrations- und Wahrnehmungsübungen stellen die Umkehrung dieser automatisierten Abläufe dar. Die angstbesetzte Situation kann durch die Übungspraxis dann auch im Alltag realistischer betrachtet werden und die Betroffenen (immer m/w/d) können sich ihr besser stellen.

Obwohl die Inhalte der Konzentrationsund Wahrnehmungsübungen thematisch nichts mit den Ängsten zu tun haben, zeigt sich ihre Wirksamkeit. Die Person fühlt sich sicherer und geschützter. Die Erfahrung der eigenständigen Gedankensteuerung samt Regelung der Emotionen bewirkt Sicherheit und Vertrauen in die eigene wachsende Kompetenz.

Im Zusammenhang mit depressiven Stö- rungen treten häufig Schuldgefühle auf sowie das Gefühl, „nichts wert“ zu sein oder „nichts“ zu leisten. Das Erlernen der objektiven Wahrnehmung einer Sache durch die Konzentrationsübungen fördert eine realistischere Einschätzung seiner selbst.

Die Meditationspraxis des Therapeuten unterstützt den therapeutischen Prozess. Sie verfeinert sein Einfühlungsvermögen und Verständnis für das Leiden des Klienten. Durch die meditative Erkenntnisforschung können äußerlich sichtbare Phänomene des Leidens oder des Konflikts in ihrem inneren Wesen erkannt werden. Dadurch lassen sich Zusammenhänge und Ursachen des Leidens besser identifizieren.

Meditation ist ein Weg, der erlernt werden will. Der Erfolg ist vielleicht nicht sofort sichtbar, jedoch eröffnet sich bereits durch die anhaltende Praxis von Konzentrations- übungen sehr bald eine erste Unabhängigkeit von eingeprägten Mustern. Konzentrations- und Meditationsübungen sind auch eine hervorragende Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung.

In Krisen bei Konflikten und Krankheiten ist der Mensch auf seine altbekannten Muster und Bewältigungsstrategien zurückgeworfen. Das Problem ist jedoch, dass überkommene Strategien in der Regel nicht mehr adäquat funktionieren. Das freie Potenzial des „Ich-Selbst“ ist dem Betroffenen gerade in diesen schwierigen Situationen meist nur schwer zugänglich. Er ist in seiner Not zu sehr in subjektiver Weise mit sich selbst beschäftigt. Der Mensch benötigt einen Zufluss, um über die Einengung der aktuellen Situation hinauswachsen zu können.

Durch die Hinwendung zu Meditationsinhalten, die außerhalb der subjektiven Sphäre sind, überschreitet der Übende eine Grenze. Es entwickelt sich eine Unabhängigkeit von jenen inneren Mustern, die sich in ungesunder Weise immer wieder aufdrängen.

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass der Übende nicht seinen Konflikt, seine Krankheit oder seine Belastung als Meditationsinhalt nimmt. Dies würde ihn zu sehr in eine einseitige Bindung daran zurückwerfen. Eine äußere fachliche Auseinandersetzung damit ist natürlich nicht ausgeschlossen. Ein neutraler Inhalt, und sei es ein ganz einfacher, wie die Betrachtung einer Pflanze, bewirkt mehr Unabhängigkeit.

Die wichtigste Ressource des menschlichen Daseins, das „Ich-Selbst“, wird tätig und schafft Raum für neue Perspektiven und Möglichkeiten. Dieser Prozess bewirkt neue Lebenskräfte und führt zum Erstarken der Person. Ängste, Konflikte, mangelndes Selbstvertrauen etc. verlieren ihre vordringliche Bedeutung. Der Meditierende macht mit zunehmender Praxis die Erfahrung, dass er, kraft seiner Denkfähigkeit, die er bewusst einsetzt, Führung in sein Leben bringen kann.

412274176 Frau MvenPraxis der gegenständlichen Meditation

Vorbereitungs- oder Konsolidierungsphase

Diese Meditationspraxis setzt bei einem Objekt im Außen an. Als Meditationsobjekt können weisheitsvolle Gedanken, Naturphänomene oder auch Fragestellungen gewählt werden. Für letzteren Inhalt ist eine fortgeschrittene Meditationspraxis von Vorteil. Objekte wie Naturerscheinungen, z. B. Heilpflanzen, bieten für den Lernenden eine gute Basis.

Die Sammlung von Wahrnehmungen und Eindrücken zur Sache unterstützt eine genaue Beschreibung des Objektes. Welche Eigenschaften, welches Aussehen oder welche Funktion besitzt es? Der Übende beschreibt seinen Eindruck mit Begriffen. Er ergänzt die Sinneswahrnehmung mit geeigneten Gedanken.

Diese beiden Faktoren, die Wahrnehmung des Objektes verbunden mit den dazugehörigen Begriffen, bilden die Grundlage für die nachfolgende Konzentrationstätigkeit. Der Übende schafft dadurch bewusst ein Vorstellungsbild zu dem Meditationsobjekt und erhebt dieses bereits in eine weite Betrachtung. Durch diese aktive mentale und wahrnehmende Tätigkeit stellt sich, neben wachsendem Interesse und Offenheit, eine innere Ruhe und Zentrierung ein.

Falls Hintergründe durch die Meditationspraxis erforscht werden wollen, können eine konkrete Frage oder eine vorhandene geistige Erkenntnis über das Meditationsobjekt bereits in dieser Phase hinzugenommen werden. Die Fragestellung könnte wie folgt lauten: „Was oder welches Geheimnis, welcher therapeutische Wert liegt hinter der äußeren Erscheinung?“ Beispielsweise fragt ein Homöopath nach dem Heilwert eines Mittels für seinen Patienten.

Konzentrationsphase

Der zweite Schritt zur Erkenntnisbildung nach dieser vorbereitenden Tätigkeit ist die Konzentrationsphase. Der Übende nimmt das Vorstellungsbild in die Erinnerung. Das ganze Denken und Empfinden wird auf den gewählten Inhalt, auf dieses Bild fokussiert. Das Bild steht förmlich vor ihm. Das Vorstellungsbild bildet nun ein Gegenüber zum Übenden. Dieses Erinnerungsbild bewahrt er über einen selbst gewählten Zeitraum in der Konzentration. Durch diese Denktätigkeit stellt sich eine authentische Empfindung zur Sache ein.

Das bedeutet höchste Aktivität, denn es erfordert eine permanente gedankliche Unterscheidung zwischen dem Meditationsinhalt und sonstigen, automatisch aufsteigenden Gedanken und Gefühlen. Inhalte, die zum Meditationsobjekt zugehörig sind, sollen bewusst zugelassen werden, während nicht dazugehörige Gedanken und Gefühle oder Unruhestimmungen beiseitegeschoben werden sollen. Diese aktive Konzentration bewirkt das Empfinden von Weite, als würde sich der Raum vergrößern. Tatsächlich entsteht ein freier Raum, da die subjektiven Assoziationen und eventuelle Projektionen zurückweichen.

Wahrscheinlich wird der Übende auf dem Weg zur Meditation Ablenkungen und auch Unruhezustände erleben. Durch Konsequenz in dieser Tätigkeit und durch rhythmische Wiederholung arbeitet jedoch die Zeit für ihn. Immer wieder schweifen die Gedanken ab und der Lernende muss die Gedanken fortwährend zurück auf das gewählte Meditationsbild lenken. Diese Tätigkeit macht etwas mit ihm. Er lernt, sein Bewusstsein zu steuern. Hierin liegt ein wesentlicher Aspekt der Heilkraft von Konzentrationsübungen und Meditation auf die Psyche des Menschen. Er ist nicht mehr wie ein Blatt im Wind, abhängig von Emotionen und Projektionen, er vermag auch im Alltag belastende Gefühle besser zurückzuweisen und ideale, zukunftsorientierte Empfindungen zu gestalten. Er lernt durch Unterscheidungsbildung eine Auswahl darüber zu treffen, was für ihn förderlich ist und was ihn in seine alten unbrauchbaren Muster zurückwirft. Eine Stärkung der seelischen Kraft tritt ein und diese Substanz kommt nicht nur ihm selbst, sondern auch seinem Umfeld zugute.

Meditation/Verwandlung

Die dritte und letzte Phase drückt die eigentliche Meditation aus. Diese Phase der Meditation kann nicht mehr aus der Aktivität des eigenen Wollens hervorgebracht werden. Der Übende muss eine Schwelle überschreiten. Diese Phase übersteigt die Grenze des körperlichen und seelischen Daseins. In dieser Phase wird das Denken des Meditierenden identisch mit dem innewohnenden Gedanken des Meditationsobjektes. Diese dritte und letzte Phase erfordert lange Zeiten des Übens und eine ethische Ordnung und Gestaltung des Lebens.

Es ist jedoch besonders hervorzuheben, dass sich bereits die vorbereitende Phase und in gesteigerter Form die Konzentrationsphase stärkend, beruhigend und heilsam auf die menschliche Psyche auswirken. Diese Form der selbstständigen Gedankenführung lässt sich erfolgreich auf Alltagssituationen übertragen. Das Erlernen eines projektionsfreien Denkens, also eines Denkens von der Sache ausgehend, ermöglicht im Alltag auch projektionsfreiere Beziehungen und eine Sicht auf das Wesen einer Sache, das hinter den äußeren Phänomenen liegt.

Gerade in der aktuellen Zeit ist es bedeutungsvoll, dass der Einzelne aktiv denkend seine Unterscheidungsfähigkeit schult. Diese Wahrnehmungs- und Unterscheidungsfähigkeit wirkt sich positiv auf die Resilienz (Widerstandskraft) und das Immunsystem aus. Konzentrations- und Meditations- übungen sind hervorragende Instrumente zur Psychohygiene. Der meditierende Mensch stellt durch seine bewusste Denktätigkeit eine Verbindung zur Welt her. Ideen und neue Perspektiven entstehen, die in der geistigen Welt ruhenden Möglichkeiten werden in Beziehung gebracht zu den Erfordernissen des Menschen und seiner Umwelt. Hierin liegt die Wurzel der Gesundung.

Der eigentliche Heilungsprozess bedarf immer eines Zuflusses von Neuem und einer Erweiterung von gebundenen, beschränkten Prinzipien. Neue Räume können sich eröffnen, bisher Unvereinbares kann sich vereinbaren. Der meditierende Mensch schafft nicht nur eine empfindsame Verbindung zu etwas Geistigem, er vermag auch in der Welt Beziehungen und Bezüge herzustellen.

Literatur

  • Heinz Grill: Übungen für die Seele, Synergia
  • Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten, GA10

Eva EngelEva Engel
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Logotherapeutin, Existenzanalytische Beraterin
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Fotos: ©karelnoppe, ©Ira