Skip to main content

Auf allen Ebenen kommunizieren

2012-03-Ebenen1

Ein zentraler Schlüssel für Therapie und Beratung

fotolia©Christian SchwierMit einer gelungenen Kommunikation steht und fällt der berufliche und private Erfolg. Manchmal schauen wir neidisch zu anderen hinauf und fragen uns: „Was hat er/sie, was ich nicht habe?! Warum läuft es in meiner Praxis nur schleppend, wohingegen sich andere vor Zuläufen kaum retten können!?“ Unser Selbstschutzinstinkt setzt sich in solchen Fällen häufig durch: Wir sehen lieber weg, anstatt unser Verhalten kritisch zu beleuchten und versperren uns dadurch gegenüber Optionen persönlicher Weiterentwicklung. Zu schmerzhaft sind Erfahrungen, durch die wir reflektieren und die unser Ego ankratzen könnten. Doch dieser Selbstschutz wird uns von den Klienten negativ gespiegelt: Anstatt Gelassenheit und Energie zu transportieren, übertragen wir Verspannung und Sorge über mögliche Interaktionsfehler.

Dabei steht fest: Man kann sich nur selbst schützen, wenn man sich vor anderen öffnet und über sein Interaktionsverhalten nachdenkt. Schauspieler, teilweise auch Politiker, insbesondere aber charismatische Redner beherrschen diese Tools in unverwechselbarer Weise: Sie ziehen den begeisterten Blick der Masse auf sich und wecken Verlangen nach noch mehr Interaktion. Doch diese Fertigkeiten sind nur in den seltensten Fällen angeboren. Meist wurde über Jahre oder gar Jahrzehnte trainiert, ohne dass dies für Kommunikationslaien nach außen gekehrt wird. Erfolgreiches Kommunizieren wird so direkt oder indirekt als angeborene Fähigkeit (im Sinne eines feststehenden Persönlichkeitsmerkmals) dargestellt.

Fallbeispiel aus der Therapeutenpraxis

Angelika S., 45 Jahre, verheiratet, zwei Kinder: Sohn 12 und Tochter 15 Jahre alt. Nach 15 Jahren Berufspause entschloss sich Angelika zu einem Studium der Naturheilkunde. Sie schloss dieses erfolgreich ab und eröffnete daraufhin ihre eigene Praxis.

Wir lernten uns bei einer Fortbildung kennen und kamen ins Gespräch. Dabei konfrontierte sie mich mit ihren innersten Gedanken: Sie habe so viele Fortbildungen gemacht, überall Werbung ausgelegt, viel Geld für ihre Homepage bezahlt und trotzdem blieben die Patienten aus. Sie wisse einfach nicht mehr weiter. Daraufhin fragte sie mich, wie ich es schaffe, in diesem Metier erfolgreich zu sein, zumal uns einige Jahre Lebenserfahrung voneinander trennten.

Erster Schritt: Einstiegssitzung

Für eine genauere Analyse, vereinbarten wir einen Termin in meiner Praxis. Im ersten Schritt ließ ich Sie mögliche Gründe für ihren Misserfolg aufzählen. Dabei kamen interessante Überzeugungen und Grundannahmen zutage: Den Leuten wäre eine naturheilkundliche Behandlung schlicht und ergreifend zu teuer. Hinzu käme, dass die Wirtschaftskrise voll im Gange sei. Sie könne das alles nachvollziehen und habe sich auch schon überlegt, mit Rabatten dagegen vorzugehen. Allerdings, sei dies im Heilwesen leider nicht erlaubt.

Ich war überrascht, denn durch die vielen Ausbildungen hatte sie bereits eine Menge Geld und Mühe investiert. Wie konnte sie nur darüber nachdenken, den Preis zu senken, denn ihre Fachkompetenz war zweifelsohne vorhanden.

Daraufhin fanden wir gemeinsam heraus, dass der wirtschaftliche Umschwung nicht Kern ihres Problems war. Vielmehr konnte ich ihr spiegeln, dass ihre Selbstschutzstrategie (externe Attribution bei Misserfolg; vgl. Weiner, 1986) ihr in diesem Punkt nicht weiterhalf. Was dazu führte, dass sie sich für eine tiefergehende Analyse interessierte. Meine Kollegin und ich führten diese in den weiteren Sitzungen durch.

Zweiter Schritt: Folgende Sitzungen

Durch Simulationsgespräche und Videoaufzeichnungen konnten wir der Klientin in kurzer Zeit ihre Schwierigkeiten aufzeigen. Diese lagen insbesondere darin, dass es ihr sehr schwer fiel im Gespräch Begeisterung rüberzubringen. Nervosität und Resignation waren an ihrem ganzen Körper abzulesen. Hier nur einige Punkte: Ihr Fuß wippte unkontrolliert hin und her, der Blick schweifte ständig ab, die Stimme entglitt ihr in hohe Tonlagen. Souveränes Auftreten und Zuversicht schauen anders aus (vgl. Kosinár, 2009).

Dritter Schritt: Training von alternativen Kommunikationsstrategien

Wir lenkten nach und nach ihre Aufmerksamkeit auf die verschiedenen nonverbalen Kanäle der Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt und Stimme (vgl. Richmond, MyCroskey & Hickson, 2012). Dadurch halfen wir ihr, sich mit ihren kommunikativen Botschaften auseinanderzusetzen. Muster und Knackpunkte in der Kommunikation schauten wir gemeinsam an und deckten Alternativen u. a. durch Gesprächssimulationen auf. So wurde Angelika nach und nach selbstsicherer. Durch erneute Videoaufnahmen und einen Vergleich mit den wenige Wochen zuvor gemachten Bändern, konnte sie ihre Veränderungen hautnah nachvollziehen. Sie war erstaunt darüber, dass es ihr gelang, eine derart starke Entwicklung zu durchleben.

Letzter Schritt: intermittierende Supervision

Nur ein einziges Mal supervidierten wir sie „live“ in einer Therapiesitzung. Doch schon bald war unsere Hilfe weniger wichtig. In unregelmäßigen Abständen nahm sie Supervisionen in Anspruch, was sie unter dem Motto „Rückfallprophylaxe“ abspeicherte.

Wovon sie am meisten profitierte? Bei der Beratung konnte sie nun vollkommen bei der Sache sein, weil sie Sensibilität für den eigenen Ausdruck entwickelt hatte.

Literatur

  • Kosinár, J. (2009). Körperkompetenzen und Interaktion in pädagogischen Berufen. Konzept, Training, Praxis. Bad Heilbrunner: Klinkhardt
  • Richmond, V. P., MyCroskey, J. C. & Hickson, M. L. (2012). Nonverbal Behavior in Interpersonal Relations (7th ed). Boston: Allyn & Bacon
  • Weiner, B. (1986). An attributional theory of motivation and emotion. New York: Springer-Verlag

Isabella Bender
Isabella Bender
Heilpraktikerin,
Dozentin an Paracelsus Schulen,
Praxis für individuelle Psychotherapie & Naturheilverfahren

Jasmin Römer
Jasmin Römer
Dipl.-Psychologin,
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Uni Frankfurt,
Systemische Beraterin