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Fallstudie Beziehungsklärung

2011-02-Beziehung1

1. Sitzung

Der 37-jährige H., von Beruf Kameramann, kommt zu mir in die Praxis, um seine vorangegangene Beziehung aufzuarbeiten. Von seinen insgesamt 4 bisherigen Beziehungen dauerte die längste 4 Jahre, während die letzte nur ganze 8 Monate anhielt. Er ist beunruhigt, dass keine Beziehung länger hält. Eine seiner stärksten Ängste ist daher die, keine dauerhafte Beziehung etablieren zu können. Es wird im Laufe der Therapie deutlich, dass hier letztendlich seine gesamten vorhergehenden Beziehungen zu Frauen aufgearbeitet werden, wofür stellvertretend die letzte Beziehung steht.

fotolia©Werner HeiberAussagen seiner bisherigen Partnerinnen ihn betreffend geben ein gutes Bild über die zugrunde liegenden Muster

  • „Du hast ja eh immer recht“
  • „Du bist ja der Größte“
  • „Du Egoist, es geht immer nur um dich“

Weiterhin erläutert er, dass nur seine erste Freundin intellektuell auf gleicher Ebene mit ihm gewesen wäre, alle anderen – so auch seine letzte Beziehung, um die es geht – hätten sich geistig unter seinem Niveau befunden.

Im Laufe der insgesamt acht therapeutischen Sitzungen kommen recht überheblich anmutende Bemerkungen und Denkweisen über Frauen zum Vorschein, welche eine narzisstische Grundlage haben.

2. bis 4. Sitzung

Ein psychografischer Test nach Friedmann ergab einen ausgesprochenen „Sachtyp“. Daher arbeitete ich vornehmlich kognitiv mit ihm, wobei vorwiegend NLP-Techniken zum Einsatz kamen. Hauptsächlich wurden die logischen Ebenen nach Dilts, Reframing- Techniken und die Analyse und Bearbeitung sowie die Etablierung von neuen funktionalen Glaubenssätzen angewendet.

Zu Beginn suchten wir stellvertretend eine typische und noch lebhaft verankerte Konfilktszene aus der letzten gescheiterten Beziehung und analysierten sowohl seine als auch im Rollenwechsel die Welt seiner Partnerin. Dazu brachte ich die sieben logischen Ebenen nach Dilt ins Spiel, die da sind

  • Umwelt
  • Verhalten
  • Fähigkeiten
  • Identität
  • Zugehörigkeit
  • Werte und Glaubenssätze
  • Sinn – Spiritualität

In der jeweiligen Ebene ließ ich ihn sowohl in seine Rolle als auch in die seiner Partnerin schlüpfen, um ihn danach auf einer dritten Position, der Meta-Position, über das Wahrgenommene bezüglich dessen, was sich da zwischen den beiden (H. und seiner Partnerin B.) abspielte, reflektieren zu lassen.

Bei der Analyse der damaligen Konfliktsituation sieht sich H. bezüglich der Verhaltensebene durch seinen Arbeitstag genervt und gestresst und sitzt ruhig mit B. vor dem Fernseher. In der Rolle von B. meint H., dass sie lieber ausgehen und was unternehmen möchte, aber H. ist geschafft, was er jedoch nicht kommuniziert, weil er meint, dass andere merken müssen, wenn er kaputt sei. In ihrer Rolle fühlt er sich als B. durch ihn beengt, weil immer gemacht wird, was er sagt, sie möchte was sagen, traut sich aber nicht. Auf der Metaebene als Beobachter beschreibt er die beiden wie ein altes Ehepaar, ihm fällt die Ruhe auf, also die Kommunikationslosigkeit und meint, dass die beiden gar nicht zusammenpassen.

Es wird deutlich, dass seine Partnerin mehr Nähe zu ihm und allgemein mehr mit ihm unternehmen möchte. Entsprechende Aussagen von seiner Partnerin diesbezüglich fasst H. immer als Vorwürfe auf.

Auf der Ebene der Fähigkeiten stelle ich die Frage, was er denn besonders gut kann in dieser Situation, worauf er entgegnet mit „trotzig sein und sich in etwas reinsteigern“.

Auf die Frage, welche Fähigkeit er da besonders gut gebrauchen könnte, antwortet er mit „offen sein, abschalten können“. Hier ergeben sich Ansätze für spätere Ressourcen, die ich in den nächsten Sitzungen zu aktivieren versuche. Das wichtigste Ergebnis dieser Ebene ist, dass er offener sein möchte im Umgang mit dem weiblichen Gegenüber. Hier stoßen wir zudem noch auf ein weiteres Konfliktmuster. Herr H. will sich von sich nichts wegnehmen lassen, er hat Angst, dass die Partnerin ihm etwas wegnimmt. Auf meine Frage hin, was das denn sein könnte, antwortet er mit „Freiheit und Zeit für mich selbst“.

Auf der Identitätsebene stelle ich die Frage, was er in dieser Situation gut ausleben kann, worauf H. kontert mit „Witze machen, den Kasper machen, Diktator spielen“. Ich frage nach, welche Teile er denn von sich da besonders ausleben kann, worauf er entgegnet: „mit Überlegenheit und Selbstbewusstsein“, was seine bisherigen, eher despektierlichen Bemerkungen über Frauen verdeutlicht und klarer macht.

Auf die Frage „Wer sind Sie dort?“ antwortet er: „ein Dickkopf, Trotzkopf, der Recht haben will, seinen Willen durchsetzen will“.

„Wer könnten Sie wirklich sein in dieser Situation?“, überrascht ihn und nach einigem Zögern meint er: „Ein liebevoller Partner, der aufmerksam ist.“

Auf der Ebene der Zugehörigkeit frage ich Herrn H. wo er sich zugehörig fühle und er antwortet: „zu mir, zu keinem“. Womit er sich denn verbunden fühle, frage ich und es kommt „mit niemandem“. Dann kommt ganz plötzlich „mit einem Rockstar“.

Ich frage, was denn so ein Rockstar für ihn darstelle, „na Unabhängigkeit, Freiheit, Rücksichtslosigkeit, Spaß“ antwortet er. Das ist bezeichnend für Herrn H. Man muss dazu sagen, dass Herr H. selber Musik macht (spielt Gitarre).

In der Rolle seiner Expartnerin B. sagt er, sie fühle sich ihm zugehörig sowie zur Natur und zu den Menschen allgemein.

Auf der Ebene der Wertvorstellungen verdeutlicht sich, dass Herrn H. wichtig ist, dass er seine Ruhe hat und dass sich niemand über ihn beschwert. Vor Beschwerden schien er immer weggelaufen zu sein, ob sie nun beruflicher oder privater Natur waren. Diese Fluchttendenzen ergeben das Bild eines nicht konfliktfähigen bzw. eines konfliktscheuen Menschen. Darauf scheint sich auch ein Glaubenssatz von ihm zu gründen, der hier im Verlauf des Prozesses auftaucht: „Wenn jemand nichts sagt, ist alles in Ordnung.“

Auf der letzen Ebene, der Stufe der Sinngebung und der Spiritualität ist es für Herrn H. essenziell, im Leben etwas zu schaffen, egal ob im Beruf, im Hobby- Bereich oder in der Familie, aber mit dem Weg des geringsten Widerstandes, wie er danach auf der Metaposition erkennt.

Im Laufe des bisherigen Prozesses konnten wir bisher insgesamt vier dysfunktionale Glaubenssätze identifizieren:

  • allgemein: Frauen sind intellektuell unterlegen, speziell: Ich bin cleverer und stärker als meine Partnerin
  • Partnerin muss sich mir unterordnen
  • Andere müssen merken, wenn ich kaputt bin
  • Wenn jemand nichts sagt, ist alles in Ordnung

5. Sitzung

Auf Wunsch des Klienten gehen wir zuerst auf die Themen „nicht offen sein“, „trotzig sein“ und „meine Ruhe haben wollen“ ein, da diese von ihm ungeliebten Verhaltensmuster ihm schwer auf dem Magen liegen. Wir erkunden zusammen, welche Dynamiken dahinterstecken. Wir finden drei Zustände, die Herr H. überhaupt nicht mag:

  • eingeschränkt zu sein
  • unterdrückt zu werden
  • kritisiert zu werden

Es handelt sich um fundamentale Ängste von Herrn H. Er fühlt sich daher sehr schnell verletzt und angegriffen. Dazu kommt sein ausgeprägtes Schamgefühl, das sich immer dann einstellt, wenn er einen Fehler gemacht hat. Es zeigt sich, dass Liebe und Anerkennung von anderen und der Wunsch, im Mittelpunkt stehen zu wollen, bei ihm eine zentrale Rolle spielen. Es kristallisiert sich heraus, dass Herr H. eine recht narzisstische Persönlichkeitsstruktur besitzt, ein Mensch, der nicht den Mut aufbringt, Unsicherheiten auch einmal auszuhalten. Ich deute seine Sensibilität als Stärke um, weil er diese als Schwäche sieht.

Ich versuche weiterhin ein Kontext-Reframing: „In welchen Situationen ist es ok, eingeschränkt zu sein?“ Antwort von Herrn H.: „Wenn ich weniger Ahnung habe als der andere.“

Ich frage weiter: „In welchen Situationen ist es in Ordnung, andere einzuschränken?“ Antwort: „Wenn jemand keine Ahnung hat, wenn jemand über die Stränge schlägt, wenn jemand etwas ungefragt macht, ohne mich vorher zu fragen.“

Durch die Herstellung dieser Kontexte, die vertieft werden, ist Herr H. in der Lage, das „Eingeschränktsein“ sowie die anderen unangenehmen Zustände zu relativieren und die entsprechenden Verhaltensmuster als ganz normale Schutzreaktionen zu sehen und anzunehmen.

6. Sitzung

Wir kommen schließlich zum Thema Offenheit, offen sein können in der Kommunikation mit seiner Partnerin. Ich frage nach Ressourcen: „Wo waren Sie einmal richtig offen? In welcher Situation fühlten Sie sich total offen?“

Ich bringe ihn durch Erfragen sinnesspezifischer Details ganz in eine vergangene Situation, sodass er sie in der Gegenwart nacherlebt. Ich frage ihn dabei nach seinen körperlichen Empfindungen. Er meint, er fühle sich sehr gut, er spürt ein sanftes Kribbeln oder Strömen auf seiner Kopfhaut, eine Leichtigkeit im Schulterbereich und beim Atmen, während er ganz aufrecht sitzt. „Wenn dieser Zustand jetzt eine Farbe wäre, was wäre das für eine?“ Er nennt die Farbe „Grün“. „Gibt es auch ein Symbol für diesen angenehmen Zustand?“ Er gibt ein silbernes Dreieck in 3-D an, das sich dreht.

Neben der visuellen Verankerung, lasse ich diesen Zustand auch kinästhetisch verankern: er wählt eine Bewegung, indem er die rechte Hand auf die Brust legt. Ich sage ihm, dass ihm sein Unterbewusstsein eben viele Geschenke gemacht habe, die er jederzeit nutzen könne und die ihn bei seinem Ziel, offener sein zu wollen, unterstützen könne.

7. bis 8. Sitzung

Die Anker für die Offenheit werden getestet und verstärkt und anschließend mache ich eine Zeitprogression mit ihm und gehe mit ihm in eine zukünftige Situation, in der er sich absolut offen fühlt. Er spürt Offenheit und Erleichterung, welche er körperlich durch ein Lächeln zeigt. Er meint, seine Mundwinkel sowie seine Schulter seien leicht, gepaart mit freiem Atmen. Auch diese Situation wird verankert und zu einer wirkungsvollen Ressource.

Als Hausaufgabe schlage ich ihm vor, dass er sich über seine Wunschpartnerin einmal Gedanken machen soll. Damit will ich seine Vorstellung von einer adäquaten Partnerin eruieren. Er soll sich folgende Fragen stellen:

  • Wie muss meine Partnerin sein? Welche Eigenschaften sollte sie haben?
  • Mit welchem Verhalten macht sie mich glücklich?
  • Wie darf sie überhaupt nicht sein?
  • Wie darf sie sich überhaupt nicht verhalten?

Nun sind die Glaubenssätze aus den ersten drei Sitzungen Thema der Stunde. Wir schauen uns zunächst den Glaubenssatz an, dass Frauen ihm intellektuell unterlegen seien. H. hält Frauen grundsätzlich für emotional und umständlich, von daher sei der Mann ihr überlegen.

Seinen Glaubenssatz personalisiert Herr H. folgendermaßen: „Ich bin cleverer (und stärker) als meine Partnerin.“ Ich frage nach Ort und Klang dieses Glaubenssatzes in seinem Kopf: „Wo in ihrem Kopf hören Sie diesen Glaubenssatz? Wie wird er ausgesprochen?“ Herr H: „In meiner Schädelmitte.“

Ich lasse ihn einen neuen GS formulieren, der angemessener, situationsadäquater ist, den Herr H. dann auf seine Glaubwürdigkeit und Bekömmlichkeit überprüfen soll. Zunächst kommt von H. „Ich stehe nicht über der Frau“. Dabei lasse ich ihn mit geschlossenen Augen eine innere leere Tafel visualisieren, auf der der neue Satz entsteht. Ich schmunzle und meine, natürlich wollen wir einen positiv formulierten Satz, worauf H. ihn umformuliert in „Ich stehe auf gleicher Höhe mit der Frau“. Dieser Satz trifft jedoch nicht seine ganze Zustimmung. Schließlich paraphrasiert er: „Die Frau steht auf gleicher Höhe mit mir.“

Das ist interessant, man könnte diese Umformulierung auch wieder narzisstisch begründen. Er sieht diesen Satz als weiße Farbe auf der Tafel in kursiver Schreibschrift. Interessant erscheint mir hier auch, dass der Satzteil „Höhe mit mir“ in der zweiten Zeile steht.

Im weiteren Verlauf lasse ich den ersten Glaubenssatz abschwächen und im Kopf ganz nach hinten verlagern, wo er kaum mehr zu hören ist und auch nur in einem ganz gleichgültigen Ton, während wir den neuen Glaubenssatz im Innern von H. akzentuiert ertönen lassen, so dass die vordere Stirn bis zur Schädelmitte ausgefüllt wird. Ähnlich, aber auch z. T. mit anderen Methoden bearbeiten wir die anderen Glaubenssätze von Herrn H.

Während dieses Prozesses stellte sich heraus, dass Herr H. sich minderwertig fühlt, wenn eine Frau beliebter und intelligenter ist als er. Diese Minderwertigkeitsgefühle bilden auch die Grundlage seiner narzisstischen Grundstruktur.

Als Grundbedingungen für eine stabile Partnerschaft, die Herr H. für sich als Ziel definiert hat, haben wir in den zurückliegenden Sitzungen folgende Punkte für Herrn H. erarbeitet:

  • Frauen (Partnerin) mehr wertschätzen
  • offener sein, offene Kommunikation
  • sich auseinandersetzen wollen (Konfliktfähigkeit)
  • Hilfe von Frauen (von der Partnerin) annehmen können (Ausgleich zwischen Geben und Nehmen)

Zum letzten Punkt ist zu bemerken, dass es für H. schwierig ist, zu nehmen. Er ist lieber die Person, die gibt. Auch hier manifestiert sich wieder sein narzisstisches Thema. Wer verweigert, dass man ihm gibt, will der Mächtigere von beiden sein, hält sich für besser und kann so aber auch schnell einsam werden. Ich betone die Wichtigkeit des Gleichgewichts zwischen Geben und Nehmen in einer Beziehung. Wer nur gibt und niemals nimmt, gefährdet die Partnerschaft.

Ich lasse ihn für dieses Gleichgewicht ein Symbol visualisieren, das ihn dabei unterstützen kann, offener für das Nehmen zu werden und durchaus auch einmal Hilfe von einer Frau anzunehmen. Herrn H. erscheint als Symbol für Geben und Nehmen ein Einkaufswagen. „Etwas geben und etwas dafür bekommen“, erklärt H.

Zum Abschluss der Sitzungen gebe ich ihm noch wichtige Kommunikationsregeln mit auf den Weg.

Herr H. ist sehr dankbar für die Erkenntnisse, welche die Prozesse in den vorangegangenen Sitzungen ans Tageslicht gebracht haben und ist sehr zufrieden mit unserer gemeinsamen Arbeit.

Auch für mich war die psychologische Beratung mit Herrn H. sehr lohnenswert und ergiebig, es machte zudem Spaß mit ihm zu arbeiten, da er immer sehr motiviert war.

Dr. rer. nat. Klaus Dieterich Dr. rer. nat. Klaus Dieterich
Jahrgang 1960, Gestalt- und Hypnotherapeut, Heilpraktiker für Psychotherapie, Neurobiologe. Mehrjährige Forschungs- und Lehrtätigkeit in der Medizin und der Pharmakologie. Mehrjähriger Auslandsaufenthalt in den USA. Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie, Ausbildung zum Hypnosetherapeuten und Gestalttherapeuten. Weiterbildungen in Paar- und Familientherapie, systemischer Aufstellungsarbeit, NLP, energetischer Psychologie sowie Trauer- und Sterbebegleitung.
Seit 2005 als psychologischer Berater und Therapeut tätig.
Markt 12a, 01468 Moritzburg
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