Warum ist ein Zuhause so wichtig?
Wohnen ist sehr individuell, aber bestimmte Bedürfnisse sind bei allen Menschen fest verankert: Sicherheit, Geborgenheit, Vertrautheit und Ungestörtheit. Zustände geschätzter Lebensqualität. Sobald dieses friedvolle und selbstständige Dasein durch eine drohende Wohnungslosigkeit gefährdet wird, dominieren plötzlich Haltlosigkeit, Unsicherheit und Ängstlichkeit das eigene Leben.
In seiner ursprünglichsten Form bedeutet das Wort wohnen „im inneren Frieden sein” und „geschützt sein”. Das Zuhause ist also weit mehr als nur ein Schlaf- und Duschplatz. Es bietet Schutz vor Schaden und Bedrohung, gibt Raum für Individualität und ist ein Ort der Selbstbestimmung. Wie die eigenen vier Wände aussehen, welche Personen die Schwelle übertreten dürfen und welchen Hobbys man ungestört nachgeht, ist allein einem selbst überlassen.
Wohnen beeinflusst das gesamte Leben. Das eigene Zuhause ist ein Ort des Wohlfühlens und Durchatmens. Hier kann man sich zurückziehen und vollkommen man selbst sein. Mit diesem Ort fühlt man sich verwurzelt. Manche Forscher sprechen davon, erst dann richtig leben zu können, wenn man ein eigenes Zuhause hat.
Haben sie recht oder ist diese Sichtweise übertrieben? Basierend auf einer im Jahr 2018 durchgeführten Umfrage zu den Emotionen gegenüber dem eigenen Zuhause ist diese Ansicht durchaus nachvollziehbar. Denn 68 % der befragten Deutschen sagten aus, sie fühlen sich zufrieden, sobald sie an ihr Zuhause denken. 61 % gaben an, der Gedanke an ihr Zuhause entspannt sie und etwa 43 % der Befragten fühlten sich ruhiger, sobald ihre Gedanken nach Hause wanderten. Diese Statistik macht deutlich, wie wichtig das eigene Zuhause für die mentale Verfassung ist.
Neben den psychischen Aspekten spielen auch die körperlichen eine wesentliche Rolle. Gesunder Schlaf, regelmäßige Ernährung, kontinuierliche Hygiene sowie Entspannungs- und Erholungsphasen sind wichtige Konstanten im Leben.
Denn körperliche und mentale Zustände wirken sich sehr schnell auf das Berufsleben und das soziale Umfeld aus. Bei großem Stress, psychischer oder körperlicher Natur, sinkt die Konzentrationsfähigkeit, die allgemeine Stimmung sowie die Leistungsfähigkeit und Motivation. Zudem wirkt man schnell unzufrieden und in sich gekehrt. Vorgesetzte, Kollegen, Freunde, Bekannte und Verwandte merken Verhaltens- und Wesensänderungen schnell. Mit der Zeit können aus diesen inneren Veränderungen auch äußere werden. Beruflicher Druck, soziale Auseinandersetzungen oder körperliche Erkrankungen können fatale Folgen darstellen.
Das Zuhause: ein Spiegel der Persönlichkeit
Nach einem anstrengenden Tag will man schnellstmöglich nach Hause.
Ist man gestresst, will man schnellstmöglich nach Hause.
Fühlt man sich körperlich angeschlagen, will man schnellstmöglich nach Hause.
Sobald die Tür ins Schloss fällt, atmet man tief durch: Man ist endlich zu Hause. Egal, welche Probleme Bestandteil der Gedankenwelt sind oder wie energielos man sich fühlt – die eigenen vier Wände schenken stets eine warme und aufbauende Umarmung.
Neben der wohltuenden Atmosphäre der eigenen Wohnung repräsentiert sie die Persönlichkeit des Bewohners. Überwiegend unbewusst wählt man Einrichtungsstile, Ordnungssysteme und Dekoelemente, die auf Persönlichkeitsstrukturen schließen lassen. Diverse Studien beschäftigten sich mit den Zusammenhängen zwischen den eigenen vier Wänden und der Persönlichkeit. Laut diesen Forschungen können Gegenstände oder Fotografien aus der Kindheit auf Heimatverbundenheit schließen lassen.
Manche Menschen sehnen sich auch in die Zeit zurück, in der „das Leben noch einfacher war“. Bei Menschen, die sich oft und intensiv mit den eigenen Gedanken auseinandersetzen, sind häufig Fotos, Terminkalender, Tagebücher und sogar Kuscheltiere zu finden. Weit weniger verspielt sind Wohnungen mit wertvollen Raritäten und kostspieliger Inneneinrichtung. Bewohner dieser Art sollen Überlegenheit gegenüber ihren Mitmenschen demonstrieren wollen.
Die Coronapandemie macht das Zuhause zum Lebensmittelpunkt
Ungeachtet des Wohnstils wollen Menschen ein schönes Zuhause genießen. „Schön“ ist subjektiv und kann sich im Laufe der Zeit wandeln. Besonders in der aktuellen Coronakrise ist man häufiger und länger zu Hause, als es in den letzten Jahren der Fall war. Sobald das Zuhause nicht nur ein Ruhepol ist, sondern ebenfalls Arbeitsplatz, Sportbereich und Freizeitcenter darstellt, beginnen viele Menschen zu überlegen, wie sie ihren neuen Lebensmittelpunkt noch schöner und praktischer gestalten können.
Es liegt in der menschlichen Natur, sich oft, gerne und ausgiebig mit dem eigenen Zuhause, dem gemütlichen Nest, zu beschäftigen. Denn sobald das eigene Heim in Ausstattung, Gestaltung, Komfort und Sicherheit die menschlichen Bedürfnisse stillt, kann man sich auf andere, ebenfalls existenzielle Dinge deutlich besser konzentrieren und fokussieren.
Soziale Träger für einen Neuanfang
Hierzulande verschreiben sich zahlreiche soziale Träger der Wohnungslosenhilfe, um Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben.
Soziale Träger in der Wohnungslosenhilfe legen ihren Schwerpunkt zwar auf die Erlangung von Wohnraum, kümmern sich darüber hinaus aber auch um begleitende Problematiken im Leben der Betroffenen.
Dieses Spektrum reicht von Arbeitslosigkeit über Drogenabhängigkeit, körperliche sowie psychische Belastungen bis hin zu Verschuldung und (straf)rechtlichen Problemen. Jedes Individuum wird persönlich und empathisch betreut und unterstützt.
Zahlreiche soziale Träger in ganz Deutschland nehmen sich wohnungslosen Menschen an, denen das heimelige Gefühl momentan verwehrt ist. Mittels kompetenter Unterstützung und empathischer Begleitung erfahrener Sozialpädagogen sollen Betroffene schon bald wieder ein eigenes Nest beziehen, zur Ruhe kommen, das Leben in geregelte Bahnen lenken und sich endlich wieder mit einem geliebten Ort verwurzeln können.
Alexa Moustaka
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Journalistin, Autorin
Fotos: ©Contrastwerkstatt, ©Peter Atkins