Mediation mit hochsensibler Mediatorin
Zum Artikel von Katrin Trimmel, Freie Psychotherapie, 04.22:
„Hochsensibilität und Mediation! Geht das überhaupt?“
Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich, HSP, meine Ausbildung zur zertifizierten Mediatorin begonnen habe.
Denn so wie man sich fragt, ob hochsensible Medianden diesem Verfahren gewachsen sind, ob es sie nicht zuweilen überfordert oder gar für den Einzelnen eine noch belastendere Situation erzeugt als der jeweilige Konflikt in seinen meist unbefriedigenden Bearbeitungs- und Lösungsversuchen, ist es spannend zu erörtern, wie Mediationsverfahren ablaufen, wenn die Mediatorin oder der Mediator eine hochsensible Person ist.
Welchen Herausforderungen stehen hochsensible Mediatoren gegenüber?
Kann ich das überhaupt leisten und was macht das mit mir und dem Mediationsprozess?
Da ich als zertifizierte Mediatorin in meiner Gemeinde auch als Friedensrichterin der Schiedsstelle ehrenamtlich tätig bin, habe ich regelmäßig mit Menschen zu tun, die mit Streitigkeiten und Konflikten jeglicher Art in meine Sprechstunde kommen und mir von diesen, meist über viele Jahre andauernden, Problemen berichten und um Hilfe und Unterstützung bitten.
In einigen Fällen ist es mir möglich, die Ratsuchenden insofern zu unterstützen, als dass es ihnen schon hilft, einfach gehört zu werden und auch Verständnis zu erfahren. Während dieser ersten Gespräche ist es für die meisten Menschen wichtig, so wie sie es sagen: ... mal darüber mit einer neutralen Person reden zu können.
Ich sehe es als meine primäre Aufgabe, den Menschen mit Empathie zu begegnen, ein offenes Ohr, Orientierung und manchmal auch Ideen zu geben, wie in einem Gespräch mit der anderen Partei der Konflikt deeskalierend bearbeitet und vielleicht sogar beigelegt werden kann.
Vielleicht wird das Problem dann als nicht mehr so bedrohlich und eventuell als doch lösbar empfunden.
Bis hierhin ist es für mich noch leicht, das Gehörte aufzunehmen, fokussiert zu bleiben, den richtigen Punkt zu finden, um das aus meiner Sicht Passende zu sagen und es nicht zu „meinem“ Problem zu machen. Dabei wird mir des Öfteren die Ausstrahlung von Ruhe und die daraufhin beruhigende Wirkung auf die ratsuchende Person attestiert.
Die verschiedenen Reize halten sich in Grenzen, da das Erst- bzw. Vorgespräch ja auch meist nur mit einer Person bzw. einer Partei stattfindet. Ich kann mich zwar in die Menschen einfühlen, nehme positive und auch negative Stimmungen war, aber es belastet mich in der Regel nicht. Nur so bin ich auch handlungsfähig.
Manchmal gelingt mir das durch Humor (natürlich kein Scherz auf Kosten anderer Personen, aber problematische und konfliktbeladene Situationen haben das Potenzial, auch komische Anteile zu enthalten). Abgrenzung und Distanz zum Problem und zur Konfliktpartei sind dabei ebenso notwendig. Dies meine ich auch ganz bewusst in der räumlichen Entfernung zur anderen Person.
Gerade dieser – körperliche Abstand – ist für mich entscheidend, denn als hochsensible Person fühle ich mich in diesem Zusammenhang schnell überfordert. Kommt es zu einer Mediation, sieht es bzgl. der wahrgenommenen Reize und der drohenden Reizüberflutung schon anders aus. Aber so wie den Medianden eine klare Struktur hilft, konzentriert und fokussiert zu bleiben, um den Konflikt bearbeiten zu können, ist das auch für mich und den Mediationsprozess unerlässlich.
Ich habe hierbei den Vorteil, die Struktur und den Rahmen vorzugeben und zu leben. Spüre ich selbst eine Überforderung durch lautes Durcheinanderreden und/oder den Versuch einer Partei, sich der Struktur entziehen zu wollen, ist es mir möglich, den Prozess zu stoppen oder eine Pause anzuraten, in der alle Beteiligten – auch ich - durchatmen und sich sammeln können.
Der Vorteil der Mediation besteht ja auch darin, den Beteiligten ungefähr gleiche Redeanteile zu ermöglichen.
Ein (eventuell) hochsensibler Mediand (immer m/w/d) wird vielleicht irgendwann ruhiger und zieht sich gefühlt aus dem Prozess zurück. Dies kann ich auffangen, indem ich zu offenem Reden ohne Unterbrechungen und im Tempo der (HS)P animiere.
Diese Verhaltensweisen färben auch meist auf die andere Konfliktpartei ab und das Verfahren ist zu einem strukturierten und konstruktiven „Gespräch“ geworden. Nun fällt es den Parteien auch leichter, sich auf einen Perspektivenwechsel einzulassen.
Ja, das klingt alles ganz gut. Aber natürlich gibt es auch Mediationen, in denen die Stimmung schon von Anfang an etwas aggressiver und lauter ist. Eine Einigung scheint dann schwierig oder gar unmöglich.
Dann ist es für mich als hochsensible Mediatorin ungleich schwerer, konzentriert zu bleiben und die einzelnen Medianden im Blick zu behalten. Und genauso, wie sich ein (hochsensibler) Mediand in diesen Momenten entziehen möchte, vielleicht aber auch vor Überforderung „unerhörtes“ Verhalten zeigt, kurz die Beherrschung verliert und mal etwas lauter wird, kenne ich diese Impulse selbst ja auch – nur sind sie in der Rolle der Mediatorin wenig zielführend. Hier kommt mir und den Medianden dann wieder mein Wunsch nach Regeln und Struktur entgegen, die den Prozess wieder weiterbringen.
Es ist im Verfahren trotzdem gut, wenn die Beteiligten ihren Emotionen freien Lauf lassen können. Ich lasse das auch bewusst zu, im Sinne von – „Ein Gewitter reinigt die Luft.“ – auch wenn das für mich nicht angenehm ist. Wobei ich ein Gewitter, das ich nicht mehr stoppen konnte und bei dem die Medianden von verbalen Entgleisungen, gar Drohungen, übermannt worden sind, noch nicht erlebt habe.
Vielleicht fällt es mir auch gerade als HSP leicht, einen ruhigen, geschützten und Vertrauen fördernden Rahmen zu schaffen, ganz einfach weil es auch für mich essenziell wichtig ist.
Beim Spiegeln des Gesagten meinte ein Mediand einmal zu mir: „Sie hören aber genau hin!“ Und genau das macht es für mich aus – hinzuhören – auch auf die Zwischentöne, um allen Beteiligten das Gefühl zu geben:
- Wir werden gehört.
- Unsere Sichtweise wird akzeptiert und nicht bewertet. Und nicht zuletzt:
- Wir sind nicht nur Teil des Problems, sondern vor allem Teil der Lösung.
Mein Fazit und um mir meine eingangs gestellte Frage selbst zu beantworten:
Ja, ich kann das leisten, auch wenn es für mich anstrengend ist und mich oft stark fordert (das ist bei Mediatoren ohne Hochsensibilität vermutlich auch teilweise so). Diese Arbeit macht mir Spaß, auch wenn mir Harmonie lieber ist. Aber es ist ja das Schöne an Konflikten, dass immer die Möglichkeit besteht, diese beizulegen, eine Einigung zu erzielen und gestärkt, vielleicht sogar versöhnt daraus hervorzugehen.
Und so kurios es klingen mag, Mediation und das Streitschlichten haben meine Hochsensibilität zum Potenzial gemacht – Reize, Wahrnehmungen und Impulse in die richtigen Kanäle zu leiten und diese (auch) für andere Menschen zu nutzen. Ich versuche, Struktur und Klarheit zu geben und die Möglichkeit, einen Konflikt und dessen Bearbeitung als Chance und auch positiven Effekt für die Zukunft zu erkennen.
Mein Ziel ist es, gemeinsam mit meinen Medianden über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und dabei die Sichtweise des anderen zu entdecken.
Anke Römer
Psychologische Beraterin, zertifizierte Mediatorin, Fachberaterin für Hochsensibilität,
Notfallseelsorgerin, Friedensrichterin der Stadt Markranstädt
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