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Zauber der Hypnose oder hypnotischer Zauber?

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Aus der Geschichte

© Thomas R-fotoliaVor 5.000 Jahren hatten die Sumerer in Ritualen und Tänzen ihre Körperlichkeit und ein Nachlassen des Denkens bemerkt und so die Trance entdeckt. Eigentlich bedeutet der Begriff Hypnose Heilschlaf (aus dem altertümlichen Tempelschlaf abgeleitet), obwohl wir dabei nicht schlafen, sondern nur in einem vertieften und entspannten Zustand sind. Nachgewiesen und messbar durch eine abgesenkte Frequenz der Gehirnwellen.

Stichpunkte der Hypnosegeschichte

Erste Ära: Spirituelle Phänomene Ägypten: Papyrus Eber – Hellenischer Tempelschlaf, Keltische Druiden, Heilungstexte, Gregorianik, Mystik, ca. 2. vorchristliches Jahrtausend

Zweite Ära: Außermenschliche, natürliche Kräfte, Pater Gassner – Tierischer Magnetismus (Messmer) – Marquis de Puysegur – Lehrstühle für Magnetismus, ca. bis 1820

Dritte Ära: Psychisch, abnormale Phänomene, Braid – Esdaile – Charcot, ca. bis 1860

Vierte Ära: Normale Phänomene durch Suggestion, Liebaut – Berheim – Sigmund Freud – Pawlow, ca. bis 1920

Fünfte Ära: Systematische Erforschung, Ausweitung, Hilgard – Barber – Sapin – Milton H. Erickson, ca. bis 1980

Farben, Bilder, Klänge, Visionen, Gebete, Tänze, Kunst, Malerei, Phantasie, Imagination, Gerüche, Musik, Symbole – Möglichkeiten, die uns für Momente oder auch länger in einen Zustand bringen, in dem Erneuerung geschehen kann. Trancezustände, die jeder vom Autofahren her kennt, wenn er telefonierend und rauchend die ihm seit Jahren bekannte Abfahrt verpasst hat, aber tapfer behauptet, er sei wach gewesen, oder?

In der modernen Zeit

Menschen verbinden heute mit dem Begriff Hypnose immer noch Vorstellungen wie Kontrollverlust und Manipulation und erinnern sich sofort an spektakuläre Bühnenshows, bei denen Menschen scheinbar willenlos dem Schausteller ausgeliefert sind. In der Medizin gibt es so etwas nicht, eher sprechen wir von Trance, welche die inneren Heilkräfte hervorruft. Die Vis Vitalis, die Lebenskraft, wird angeregt und Fragestellungen werden unbewusst weiterverarbeitet. Schmerzen, Schlafstörungen, Lernprobleme, Ängste, Depressionen, Migräne, Stress, Rauchen, Übergewicht, Unruhezustände, Sucht, erhöhter Blutdruck, Zahnextraktion, Allergien u. Ä. können in einem neuen Licht und bisher unbekannten Zusammenhängen gesehen werden.

2010-01-Hypnose3Hypnose ist ein Trancezustand, der, nach innen gerichtet tief entspannt Erfahrungen zulässt, die normalerweise von unserem Unbewussten unter „Verschluss“ gehalten werden. Durch die Suggestion angenehmer Bilder wird ein anderes Erleben traumatisierter Inhalte möglich, neue Fähigkeiten werden erweckt und auf der bewussten Ebene verwandelt. Besonders, weil Konflikte neutral und unzensiert wahrgenommen werden können.

Eine besondere Qualität haben die Beziehungs- und Überzeugungskraft zwischen Klient und Therapeut. Krise und Lösung sind gleichzeitig aktiviert, also medizinisch und psychologisch nebeneinander möglich. Zeit wird ohne Dogma von Eile erlebbar und Intuition, Magie, Mystik, Instinkt und Rationalität sind neben Denken und Fühlen zeitgleich wirksam.

Beispiele für die Wirkung der Hypnose

  • Bei verbalen Suggestionen sinkt der Blutdruck
  • Stotterer sprechen fließend
  • Schmerz verschwindet, wenn er auf eine visuelle Wahrnehmung verlagert werden kann
  • Raucher spüren Zitronengeschmack auf den Lippen
  • Der Fluggast fühlt sich trotz Flugangst in der Erinnerung auf dem Fahrradlenker des Vaters, auf dem er sicher gesessen hatte. Trotz aller Wackelei spürte er den Vater in seinem Rücken, während er unter sich den Boden vorbeifliegen sieht.

Aus Leben und Überlieferung

Eine alte Dame im Hospiz kann allein durch die Betrachtung der Fotos ihrer Enkel in einen glücklichen Zustand gelangen und ihre Schmerzen besser ertragen. Im 19. Jahrhundert hatte der Apotheker Coué bei der Tablettenausgabe für jeden seiner Klienten einen Spruch parat, z. B.: „Das wird ihnen besonders gut helfen.“ So entstanden die ersten Suggestionen.

Auch Rasputin hatte bereits mit der Augenfixation den Zaren hypnotisch beeinflusst. Milton Erickson wurde zu einem Kranken (Paranoiker) gerufen, der sich für Jesus hielt. Er begrüßte ihn mit der Frage: „Ich habe gehört, dass sie Erfahrung als Zimmermann haben.“ Das konnte der Patient nicht verneinen (Jesus und Josef). Seitdem baut er Möbel. Bei Napoleons Feldzug nach Russland gab es einen Arzt, der, weil er keine Medikamente hatte, den Namen des Präparates auf einen Zettel geschrieben, diesen zerrissen, den hoffnungslos Erkrankten zu essen gegeben hat und damit Heilung bewirkte.

Sigmund Freud hat mit Hypnose begonnen und heute setzen Spitzensportler, Zahnärzte und Chirurgen die Hypnose ein, um bei großen Anforderungen zu Erfolgen oder Höchstleistungen zu kommen. Wir kennen die hypnotische Wirkung von Märchen besonders bei Kindern, die Identifikation und Verhalten im späteren Leben auslösen. Hypnotisch wirkende CDs und Kassetten sind Alltag geworden.

Hypnose in der Beratungspraxis bietet folgende Möglichkeiten

  • Lernen von Symptomkontrolle (Schmerz ist nicht mehr Symptom, sondern wird zum Lernimpuls.)
  • Lernen und Üben neuer Verhaltensweisen (Kind lacht bei Hausaufgabe. Ich esse mich satt, ohne Gewichtszunahme.)
  • Auslösen unbewusster Suchprozesse in Trance (Innere Bilder geben die Ressourcen frei als Antwort auf komplexe Fragen.)

In mehr als 120 wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass durch Hypnose bis zu 74 % höhere Erfolgsquoten erreicht werden können als mit andern Methoden.

Definition der modernen Hypnose

2010-01-Hypnose4Die alte Art, mit Suggestionen den Patienten zu beeinflussen oder gar zu manipulieren, ist einer neuen Sichtweise gewichen. Eigentlich gibt es keine Hypnose, es gibt nur Trancen. Hypnose heißt Heilschlaf, obwohl man nicht schläft, sondern ständig in Kontakt ist mit sich, seiner inneren Bilderwelt, die ständig aktiv ist, dem Therapeuten und der Umwelt (z. B. Geräusche, Gerüche). Es geht heute um neue Formen der Anleitung zur Transformation und einer naturalistischen Veränderung mit dem Ziel, eine kreative Angleichung an eine äußere, realistische Welt zum inneren Frieden zu erreichen. Und darum, die vorhandenen positiven Ressourcen für die eigene gesunde Lebensbewältigung zu nutzen.

Mit sich, seiner Umwelt und seiner Lebensbewältigung im „Reinen“ sein und sein Leben sinnvoll bewältigen können, so könnte man es aus der Salutogenese entleihen, in der Antonowski den Gesundheitsbegriff definiert hat. Milton Erickson drückte es so aus: „Ich behandle keine Depressionen, sondern den Menschen.“ Alles ist Trance, so wie auf dem Bild oben mit dem sitzenden Paar. Schon die Bildbetrachtung kann etwas auslösen.

Methodische Aspekte der Hypnotherapie

Tranceinduktion – Armlevitation – Handschuhanästhesie – Rückführung – Positive Visualisierung – Phantasiereise – Switch – Wasserballtechnik nach Rossi – Hypnosystemische Intervention – Six-Step- Reframing – Ideomotorische Fingersignale – Sprachmuster – Analoge Markierung – Jettison-Technik – Innerer Dialog – Zwei-Fäuste-Intervention – Fünf-Schritte-Intervention – Spiegelintervention – Der innerste Raum – 5-4-3-2-1-Struktur – Zukünftiges Ich – Prägesituationen auffinden – Metapher – Dissoziation – Körperbrücke – Imagination – Alters- und Zeitprogression.

Allen Interventionstechniken ist eines gemeinsam, sie finden in Trance statt, dem wundersamen Zustand, der ein Loslassen bedeutet, ein Lösen von Kontrolle, Ärger, Stress, Bewertung und Grübeln. Die inneren Bilder, die wie beim Traum auf der Augennetzhaut erscheinen, sind in der Lage, autonom zu einem psychischen Gleichgewicht zu führen.

Beispiel: Ein Naturliebhaber und Tierfreund möchte abnehmen. In der Trancegeschichte sieht er eine Reise in Frankreich, spürt den Duft von Lavendel und die herrliche Farbe der Lavendelfelder. Auf einem Bauerhof sieht er, wie Helfer Gänse zwischen den Knien halten und mit Stöcken deren Mägen füllen, um die beliebte Gänseleberpastete zu produzieren. Gekoppelt mit seinem Abnehmwunsch wirken die Bilder in der Person nach. Auf der Rückkehr geht die Reise noch über Afrika zum Zwischenstopp und der schlafende Löwe, der entspannt im Sand liegt, hatte sich satt gegessen und dann Pause gemacht. Der Rest der Beute blieb unangetastet liegen. Der schlanke muskulöse Löwe aß nur so viel, wie er Hunger hatte. Beide Beispiele können unserem Naturund Tierfreund helfen, weniger zu essen.

Wie man Trance erkennt, deren Tiefe kein Qualitätsmerkmal ist (Objektiv beobachtbar)

Gesicht: Glättung – Ebenmäßigkeit – gelegentlich gespannt – gleichmäßiger Farbton – Bewegungslosigkeit der Augen – Anschwellen der Lippen – Mundöffnung – fehlender Blinzel- und Schluckreflex – Augenbewegung bei Visualisierung

Atmung: Verlangsamung – Vertiefung – Bauchatmung

Restlicher Körper: Starre – Unbeweglichkeit – Kathalepsie – Dissoziation – Verzerrung des Körperschemas – Schwere – Entspannung – Leichtigkeit – Gespanntheit, Ideomotorik – Levitation – Fühllosigkeit – angenehme Gleichgültigkeit – Ruhe – Trägheit – Abwesenheit oder Präsenz – Wachheit – Sicherheit – Neugier

Sonstige Wahrnehmungen: negative Halluzinationen – Zeitverzerrung – Amnesie – Regression – lebhafte Vorstellung – Tunnelvision

Einen Trancezustand könnte man auch verstehen als den Moment kurz vor dem Einschlafen, wenn man sich wissend, genussvoll rumdreht, nicht noch zum Telefon geht, weil der Anrufer es morgen noch mal versuchen kann.

Der Acht-Phasen-Verlauf eines Hypnoseprozesses

Warm-up – Einstieg – Induktion – Vertiefung – Intervention – Rückweg – Beendigung – Alltagstransfer

Vertrauen und die Beziehungsqualität zwischen Behandelndem und Klient oder Patient bestimmen den Erfolg mit. Eine klare Situations- und Rahmenbeschreibung, Kompetenz und Überzeugungskraft sind die Faktoren für einen guten Verlauf. Der Rapport zwischen den beiden ist der Schlüssel. Die Spiegelneuronen unseres Gehirns ermöglichen eine intuitive und direkte Übereinstimmung in einer autonomen Resonanz. Eine Vertrautheit, Professionalität, Sympathie könnten laienhafte Ausdrücke dieses Prozesses sein.

Gesänge, Tänze, Musik, Meditation, Rosenkranz beten, alles Möglichkeiten, die hypnoseähnlich ein vertieftes Zwiegespräch und die Beteiligung der eigenen inneren Resonanz ermöglichen. Eine stressfreie, befreite Wahrnehmung geschieht durch die losgelöste Empfindung im intermediären Raum, die man mit der erhebenden und harmonischen Schwingung als Chorsänger oder dem erlebten beidhändigen Werken an einer Tonskulptur vergleichen könnte. Die Wahrnehmung wird leicht und Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl in die unbewussten, eigenen Energien wachsen im Laufe der Zeit. So wie der niedergetretene Grashalm zum Pfad und dann später zum Weg wird.

Hypnose hat eben doch einen Zauber – aber ohne Tricks und Täuschungen – alles ist echt und freiwillig!

2010-01-Hypnose5Dieter Loboda
Gestalt- und Hypnotherapeut Counselor grad.
Praxis für Familiengesundheit
Dieter Loboda
Koblenzer Straße 4, 56112 Lahnstein
www.learnline-loboda.de