Reinkarnation - nur ein Märchen?
Über meine Arbeit mit Tiefenentspannung habe ich schon vor längerer Zeit in der „Freien Psychotherapie“, 04/2005, geschrieben. Ganz kurz möchte ich hier eine Zusammenfassung geben, wie diese Arbeit aussieht, wie sie wirkt – und was sie mit der Reinkarnation zu tun hat.
Die Tiefenentspannung ist ein leichter hypnotischer Zustand, in dem das Bewusstsein keineswegs ausgeschaltet ist. Während der Sitzung sind wir die ganze Zeit im Dialog. Der Klient ist sich jederzeit bewusst, wo er ist, und er gibt vor, wohin die gemeinsame „Reise“ geht. Er schildert mit klaren Worten, was er sieht und fühlt und wie es ihm gerade geht. Ich arbeite nicht mit Suggestionen, um jede Beeinflussung von meiner Seite zu vermeiden. Meine Aufgabe ist es, seinen Weg zu begleiten und ggf. Vorschläge zu machen, wenn er in eine „Sackgasse“ gerät. Er kann diese Vorschläge annehmen oder dadurch neue, eigene Wege finden, die ihm weiterhelfen.
Unsere bewusste Erinnerung reicht etwa bis in ein Alter von drei Jahren zurück. Was davor liegt, verschließt sich normalerweise unserem Bewusstsein, ist deswegen aber keineswegs ausgelöscht. Es wird in unserem Unterbewusstsein aufbewahrt. Neben unserem bewussten Gedächtnis haben wir auch ein Körper- und ein emotionales Gedächtnis. Wie sehr wir geleitet werden von diesen „Gedächtnisinhalten“, entzieht sich unserem Bewusstsein nahezu vollständig. Aber sie bestimmen unsere Lebensmelodie und wie wir uns in unserer Welt fühlen.
In der Tiefenentspannung ist es möglich, die Schranken zum Unterbewusstsein zu überschreiten. In Bildern und Szenen kommen wir an die Wurzeln unserer Probleme und können sie abstellen oder ändern – und zwar hier und jetzt in diesem Augenblick, da wir sie in der Tiefenentspannung noch einmal erleben. Hier und jetzt bedeutet, dass im Gehirn genau die gleichen Aktivitäten stattfinden, die einem ganz realen Geschehen gleichzusetzen sind.
Ausgangspunkt ist die Fokussierung auf ein ganz bestimmtes Problem, das der Klient vorgibt. Manchmal dauert es etwas länger, bis sich ein Bild einstellen möchte, manchmal geht er direkt in die Zielgerade und landet punktgenau am Ort des Geschehens. Meistens kommen wir dabei an Ereignisse, die in der Kindheit, in der sehr frühen Kindheit oder auch im Mutterleib stattgefunden haben. Aber manchmal liegen die Ereignisse noch viel weiter zurück.
Und jetzt kommt sie ins Spiel:
Die Reinkarnation
Es war mir ziemlich unheimlich, als ich ihr zum ersten Mal begegnete: Ein Mann hatte zeit seines Lebens eine panische Angst vor Höhen. In der Tiefenentspannung bat ich ihn, in der Zeit zurückzugehen, bis er an die Szene gelangen würde, da diese Höhenangst zum ersten Mal auftauchte. Es dauerte nicht lange, da begann er zu stöhnen: Seine rechte Seite schmerzte heftig und er schilderte, was ihm geschehen war: Er war ein junger Mann, der eben noch dicht am Rand eines Abgrunds entlanggelaufen war. Er war ausgeglitten, abgestürzt und lag nun unten auf dem Grund mit zerschmetterten Rippen. Über sich sah er einen hohen Baum, dessen Krone immer mehr vor seinem Auge verschwamm und sich langsam auflöste. Dann wurde es dunkel um ihn: eine Sterbeszene.
Vor allem in der Sorge, er möge Probleme mit dem Herzen haben, führte ich ihn sofort zurück ins Hier und Jetzt. Die Schmerzen waren sofort verschwunden, sie hatten nichts mit dem Herzen zu tun.
Wir waren alle beide ziemlich irritiert über das Geschehen. Was war das gewesen? Der Klient hatte als junger Mann nie ein solches Erlebnis gehabt. Daran hätte er sich in jedem Fall erinnern können. Es machte wenig Sinn, darüber zu diskutieren, denn zu einem logischen Schluss kamen wir nicht.
Dennoch hatte diese Sitzung erstaunliche Folgen: Von da an hatte der Mann nie wieder Probleme, auf einen Turm zu steigen oder im Gebirge zu wandern. Selbst steile Abhänge schreckten ihn nicht mehr. Seine Höhenangst war wie weggeblasen und trat nie wieder auf.
Immer wieder begegneten mir solche Fälle, in denen die Klienten auf einmal in einem anderen Leben landeten. Eine Klientin war eine Priesterin, die im alten Indien Menschenopfer zu bringen hatte.
Ein Klient von Mitte 30, gebürtiger Türke, dunkel und untersetzt, hatte seit ein paar Jahren panische Angst vor Behörden. In der Tiefenentspannung erlebte er sich als blonden, schlanken jungen Mann, der in einem düsteren Raum einem anderen Mann gegenübersaß. Auf einmal sagte er ganz erschrocken: „Das ist ja Adolf!“
„Wer ist Adolf?“, fragte ich.
„Na, der Hitler!“, sagte er. Es wurde ihm ganz übel, aber dann war er in der Lage, diese Situation zu verändern: Er schickte Hitler einfach aus dem Raum.
Was war das bloß gewesen? Immerhin war er von nun an seine Angst vor Behörden los.
Eine blonde, 40 Jahre alte Klientin erlebte sich als sehr junge Frau mit langen dunklen Haaren und einem langen weißen Kleid. Ihre Umgebung schilderte sie sehr ausführlich: Sie lebte auf einem kleinen Schloss und erwartete ungeduldig die Heimkehr ihres Gatten. Ich versuchte, sie „auf den Boden der Tatsachen“ zurückzuholen. „Wie spät ist es auf Ihrer Armbanduhr? Was für ein Auto steht in der Garage?“ Sie war sehr ungehalten und wies mich mit hochmütigem Ton zurecht: So etwas gebe es nicht. In der Remise stünden Kutschen und im Salon gebe es eine kostbare Standuhr. Ob sie wisse, wo sie lebe und in welcher Zeit, wollte ich wissen. Sie fand eine Jahreszahl im Schlussstein der Toreinfahrt: 1646. Und sie wusste, dass sie in Frankreich lebte.
Ich nahm diese Geschichten, so detailliert sie auch immer geschildert wurden, einfach zur Kenntnis und wusste eigentlich nicht, was ich damit anfangen sollte. Natürlich begleitete ich diese Klienten genauso gewissenhaft durch ihr „anderes Leben“ wie ich es tue, wenn die Probleme ihre Ursachen in diesem Leben haben. Nach der Sitzung waren die Klienten dann ebenso erstaunt wie ich.
Dann brachte mir eine Klientin ein Buch mit: „Die zahlreichen Leben der Seele“ von dem bekannten amerikanischen Psychiater Brian L. Weiss, ursprünglich ein überzeugter Schulmediziner. In dem Buch schildert er die Therapie einer jungen Frau – auf sehr sachliche Weise – in deren Verlauf sich ihre massiven Ängste mehr und mehr auflösten. Immer wieder war sie in ein anderes Leben geraten, und immer fanden sich hier die Ursachen für ihre aktuellen Ängste.
Schließlich war sie vollständig geheilt!
Dieses Buch war für mich eine unglaubliche Entdeckung, denn im Prinzip geschieht hier genau das, was mir auch immer wieder bei meinen Klienten begegnet: Sie geraten in ein anderes Leben und in der Folge lösen sich ihre spezifischen Probleme auf. Brian Weiss arbeitet mit Hypnose und verfährt ebenso wie ich in der Tiefenentspannung, indem er ausschließlich Fragen stellt.
Was Brian Weiss schildert, hat nichts mit Esoterik zu tun und hat auch keinerlei religiösen Hintergrund, ebenso wenig, wie es bei mir der Fall ist. Er geht ebenso absichtslos an die Arbeit mit seiner Klientin wie ich es bei meinen Klienten tue.
Seither habe ich den Mut, meine Klienten auch in einem von ihnen geschilderten anderen Leben auf Entdeckungsreise zu schicken, nicht anders, als wenn die Wurzeln ihrer Probleme in diesem Leben aufzuspüren sind. Ich mache keinen Unterschied mehr. Die Erfolge sind frappierend.
Der erste Fall nach der Lektüre dieses Buches war bald auf meiner Couch. Eine junge Frau litt seit einiger Zeit unter dumpfen, quälenden Kopfschmerzen. Sie war schon bei vielen Ärzten gewesen, die keine Ursache finden konnten. Auch starke Schmerzmittel halfen ihr nicht.
In der Tiefenentspannung bat ich sie, sich ganz auf die Stelle zu konzentrieren, in der sie den Schmerz lokalisieren könne. Da begann sie heftig zu jammern – sie spürte einen unerträglichen Druck auf ihrem Kopf, so als ob ihr etwas furchtbar Schweres daraufgefallen wäre. Ob sie, nur in ihrer Vorstellung, einmal mit den Händen dorthin fassen könne? Kann sie ertasten, was diesen Druck bewirkt?
Ich fasse kurz zusammen, was sich hier über einen Zeitraum von etwa zwei Stunden abspielte, denn die „Geschichten“ sind keineswegs auf die Schnelle da. Sie entwickeln sich meistens recht langsam und es entstehen manchmal ziemlich lange Pausen, in denen ich auf dem Gesicht ablesen kann, wie anstrengend es für den Klienten ist.
Es hatte ein heftiges Erdbeben stattgefunden. Sie war in ihrem Haus gewesen, das über ihr zusammengebrochen war und sie erschlagen hatte. Der Schmerz war schrecklich, schlimmer aber war für sie, dass auch ihre beiden kleinen Töchter getroffen waren. Die eine war schon tot, aber die andere lebte – was würde aus ihr werden, wenn sie als Mutter nicht mehr für sie sorgen könnte? Die Klientin weinte gequält. In diesem Zustand wollte ich sie nicht einfach so lassen. Und so bat ich sie, noch weiter zurückzugehen bis zu einer Zeit, in der es ihr gut ging.
Da leuchtete ihr Gesicht: Sie hatte soeben ihre erste Tochter zur Welt gebracht. Zwei Frauen waren bei ihr, die ihr bei der Entbindung geholfen hatten, eine jüngere und eine ältere. Sie ging in der Zeit weiter vor. Da erlebte sie die Geburt der zweiten Tochter, auch über dieses Kind freute sie sich sehr. Aber sie hatte Bedenken: Was würde ihr Mann sagen, dass es schon wieder eine Tochter war? Ich fragte dazwischen, ob sie wisse, in welchem Land sie sei und zu welcher Zeit sie lebe. Es fiel ihr ein: Sie war in der Türkei am Ende des 19. Jahrhunderts.
Dann kam sie wieder zu dem Tag, an dem das Erdbeben stattfinden sollte. Sie schilderte eine fröhliche Dorfszene, wo sie mit den anderen Frauen am Fluss war und Wäsche wusch. Die Frauen waren in lange erdfarbene Gewänder gekleidet und schwatzten munter bei ihrer Arbeit. Viele Kinder sprangen herum, die Welt war in Ordnung.
Dann kam die Nacht und sie erlebte noch einmal das Erdbeben. Ihr Haus war eingestürzt, sie sah die weinenden Nachbarn, die ihr Schicksal beklagten. Wieder weinte die Klientin – was würde mit ihrer kleinen Tochter geschehen? Ich machte einen Vorschlag: Ob sie im Kreise der Nachbarn nicht irgendjemanden entdecken könne, dem sie ihr Kind anvertrauen wolle? Ja, und da wurde sie ganz ruhig: Die junge Frau, die bei der Entbindung dabei gewesen war, der konnte sie ihr Kind überlassen. Ihr Gesicht war ganz friedlich geworden. Jetzt konnte sie ihren Tod akzeptieren. Und sie fühlte sich ganz leicht und schwebte einem hellen Licht entgegen.
Wie sah es jetzt in ihrem Kopf aus? Der Schmerz war vollständig verschwunden. Und er blieb es auch weiterhin.
Danach häuften sich die Fälle von Reinkarnation. Sicher nicht, weil ich daraufhin in einer Erwartungshaltung gewesen wäre, sondern weil ich sensibilisierter war als zuvor.
Eine Klientin hatte immer starke Nackenbeschwerden. Sie kam in eine Szene, in der sie als 14-jähriges Mädchen in der französischen Revolution enthauptet wurde. Man richtete noch nicht mit der Guillotine hin, sondern mit dem Schwert. Sie sah im Augenblick des Fallens den Rasen auf sich zukommen. Erstaunt stellte sie fest – und das sagte sie in einem Zwischensatz mit ihrer ganz normalen Stimme – „Also ist man doch noch nicht sofort tot, wenn man geköpft wird“. Aber dann weinte sie verzweifelt, sie war sich ja keiner Schuld bewusst. Aber schließlich konnte sie diesen Tod akzeptieren: Es war ein sehr langweiliges Leben gewesen. Von da an hatte sie keine Nackenschmerzen mehr.
Immer wieder kamen Klienten mit chronischen Kopfschmerzen (immer medizinisch abgeklärt!). Eine Klientin hatte als junge Frau ihr Leben verloren, als sie bei einem heftigen Unwetter von einem Baum erschlagen wurde. Da war sie Angehörige eines Nomadenstammes gewesen. Diesen Tod konnte sie gut akzeptieren. Danach waren die Kopfschmerzen weg.
Eine Klientin war ein Junge von 12 Jahren gewesen, der auf einem mittelalterlichen Markt von einem schweren Fuhrwerk erfasst wurde und mit zerschmetterten Knochen sein Leben beendete. „Er“ konnte den Tod erst akzeptieren, nachdem „er“ sich von seiner Mutter verabschiedet hatte, denn sie hatte ja nicht gewusst, wo „er“ hingegangen war.
Eine war das Opfer eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg geworden, als sie mit ihrem Kind im Arm zum Bunker laufen wollte. Sie konnte diesen Tod erst akzeptieren, nachdem sie ihrem Kind ein Grab schenken konnte, das sie mit Blumen und Spielzeug schmückte. In beiden Fällen waren danach die Kopfschmerzen verschwunden und blieben es auch.
Ich könnte noch von vielen anderen Fällen erzählen, in denen die Menschen häufig unter dramatischen Umständen ihr Leben verloren. Sehr wichtig ist es, dass sie ihren Tod akzeptieren, was manchmal erst möglich ist, wenn sie etwas, was noch offen geblieben ist, zu einem guten Ende bringen konnten. Dann sind die Beschwerden, die darauf zurückzuführen sind, verschwunden.
Ich gebe gerne zu, dass mich diese Geschichten sehr berühren. Aber wenn ich dann erlebe, wie viel besser es den Menschen danach geht, ist das ein geringer Preis, den ich gerne zahle.
Eine ganz persönliche Erfahrung möchte ich in diesem Zusammenhang erzählen. Ohne es damals zu wissen, sind mir die Folgen eines früheren Lebens bei meiner jüngsten Tochter begegnet. Meine Tochter hat mir die Erlaubnis gegeben, sie zu veröffentlichen. Nur ihren Namen habe ich verändert.
Regina wurde 1973 geboren. Sie war von Anfang an unser „Fräulein Nein“, abweisend und eigenbrötlerisch. Zärtlichkeiten duldete sie mehr, als dass sie sie genoss, wie es unsere beiden Großen taten. Sie war keineswegs das, was man ein typisches Mädchen nennen konnte. Sie beschäftigte sich viel allein, ließ sich niemals Kleider oder Röcke anziehen und verabscheute jede Art von „Mädchenkram“. Zudem hatte sie eine große Druckempfindlichkeit am Hals und sie ertrug es nicht, wenn sie etwas eng Anliegendes anziehen sollte. Das brachte sie jedes Mal in Panik, so dass ich ihr immer etwas weitere Sachen anzog. Sie hatte einen unsichtbaren Spielkameraden, der immer bei ihr war, und mit ihm führte sie oft Dialoge. Wenn sie etwas angestellt hatte, behauptete sie, das sei der „Ottos“ gewesen. Es war nicht einfach, mit ihr umzugehen. Wir fragten uns, was wir bloß falsch machten in der Erziehung, denn mit den beiden älteren Geschwistern – Mädchen und Junge(!) – gab es solche Probleme nicht.
Als Regina zwei Jahre alt war, besuchten wir mit unseren drei Kindern einmal eine kleine, rustikale Gastwirtschaft. Regina war ein süßes Kind mit blonden Löckchen. Sie gefiel der freundlichen Bedienung, und so fragte diese, wie sie denn heiße. Regina antwortete prompt: „Ich heiße Peter!“ Wir korrigierten sie natürlich, und da fragte die Bedienung, ob sie denn ein Mädchen oder ein Bub sei. Und wieder kam die prompte Antwort: „Ich bin ein Bub!“
Von da an beharrte sie zwei Jahre lang darauf, ein Junge zu sein, den wir gefälligst Peter nennen sollten! Erst mit vier Jahren – nach einem Gespräch, woher denn die Babys kämen und dass nur Frauen ein solches bekommen könnten – fand sie diese Vorstellung so schön, dass sie beschloss, nun ein Mädchen sein zu wollen, und nun könnten wir sie gerne Regina nennen.
Regina hat an diese Zeit keine Erinnerung, aber sie kennt die Geschichte aus unseren Erzählungen. Sie weiß natürlich von meiner Arbeit mit der Tiefenentspannung und auch, dass es immer wieder spontane Rückführungen in ein anderes Leben gibt. So war sie neugierig und hätte gerne gewusst, woher der „Peter“ und der „Ottos“ aus ihrer frühen Kindheit gekommen sein mochten.
Ich führte sie in die Tiefenentspannung. Dann bat ich sie, in die Szene zu gehen, in der sie mit zwei Jahren behauptet hatte, Peter zu heißen. Sie kam bald dorthin und konnte diese Szene gut beschreiben. Ob sie noch weiter zurückgehen und sich von dem Namen Peter leiten lassen könne – wohin führte er sie? Da begann sie heftig nach Luft zu ringen – es war als ob ihr jemand die Kehle zudrückte.
Ich konnte sie unmöglich in dieser bedrohlichen Situation belassen. So bat ich sie, zeitlich noch etwas zurückzugehen, ehe der Druck auf die Kehle begann. Es fiel ihr zunächst schwer, Bilder wahrzunehmen. Aber nach und nach entwickelte sich folgende Szene: Sie war ein junger Mann mit Namen Peter. Peter war Kfz-Mechaniker und hatte vor kurzer Zeit eine Werkstatt übernommen. Er hatte zwei Mitarbeiter. Einer hieß Manfred und der andere Matze. Peter spürte, dass die ihn nicht sonderlich mochten. Es war eine feindliche Atmosphäre. In der Werkstatt hing ein Kalender, so dass er das Jahr benennen konnte: 1967.
Ich bat Peter, noch weiter in seine Vergangenheit zu gehen, bis zu einer Zeit, in der es ihm gut ging. Nun war Peter ein Junge von acht Jahren. Er spielte mit seinem besten Freund: Otto. Sie hatten sich als Ritter verkleidet und tobten unbeschwert herum. Es wurde Abend, Peter ging nach Hause.
Seine Mutter kümmerte sich um den kleinen Bruder Dieter, den Peter aber nicht besonders mochte. Der Vater kam nach Hause. Ich bat Peter, den Vater zu fragen, wo sie denn seien und in welchem Jahr sie lebten. Der Vater gab Antwort: Sie waren in Berlin, und es war das Jahr 1954.
Peter wurde älter, er machte eine Lehre zum Kfz-Mechaniker. Schließlich war Peter wieder in seiner Werkstatt. Sein Mitarbeiter Manfred verlangte Geld von ihm. Peter weigerte sich, ihm welches zu geben, denn er hatte Manfred seinen zustehenden Wochenlohn schon ausgezahlt. Manfred wollte an die Kasse, was Peter ihm verwehrte. Der Streit eskalierte. Manfred wurde handgreiflich. Er packte Peter und erwürgte ihn. Peter starb. Eine große Anspannung lag auf dem Gesicht meiner Tochter. Dann entspannte es sich und wurde ganz ruhig und friedlich. Nach einiger Zeit fragte ich: „Wo bist du jetzt?“ Lächelnd gab sie zur Antwort: „Jetzt bin ich auf deinem Arm, Mama“.
Ehe ich Regina wieder zurückholte ins Hier und Jetzt, bat ich sie noch einmal in die Ausgangsszene in dem kleinen Gasthaus. Wie war es dieses Mal? Die Bedienung fragte sie nach ihrem Namen, und die kleine Regina antwortete fröhlich: „Ich heiße Regina und bin ein Mädchen.“ Von da an konnte Regina auch am Hals eng anliegende Sachen tragen. Die Druckempfindlichkeit war verschwunden.
Man kann sich vorstellen, dass mich diese Geschichte sehr bewegt hat. Aber hatte ich bis dahin noch einige Zweifel an der Möglichkeit der Wiedergeburt – diese Erfahrung mit meiner eigenen Tochter wirft für mich noch einmal ein ganz anderes Licht auf das Thema Reinkarnation. Sie liefert mir nach so vielen Jahren eine – für mich heute durchaus plausible – Erklärung für ihr damals so unverständliches Verhalten.
Offenbar kommt es gar nicht so selten vor, dass sich kleine Kinder an ein früheres Leben erinnern, was sie aber später meistens wieder vergessen. Der amerikanische Psychiatrie- Professor Ian Stevenson befasste sich in ausführlichen Arbeiten mit diesem Thema. Er ist vielen Fällen nachgegangen, hat Interviews geführt mit solchen Kindern und ihren Familien und hat oft bei seinen Nachforschungen auf frappierende Weise die Bestätigung für die Aussagen der Kinder gefunden (Ian Stevenson: „Reinkarnation – der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt“). Ich vermute, dass solche frühen Erinnerungen bei Kindern dann auftreten, wenn das zuvor gelebte Leben noch nicht sehr lange her ist. Viel weiter zurückliegende Leben hinterlassen aber offenbar auf andere Weise ihre Erinnerungsspuren, wie ich sie zu Beginn meiner Ausführungen geschildert habe.
Für viele Menschen mag das Thema Reinkarnation befremdlich sein; es passt nicht in unser rationales Weltbild, denn wir suchen für alle Erscheinungen handfeste Beweise – finden wir keine, werden die Phänomene geleugnet.
Ich möchte hier noch auf ein Buch hinweisen, das einen Erklärungsansatz bieten könnte: „Endloses Bewusstsein“ vom niederländischen Kardiologen Pim van Lommel. Er ist Chefarzt einer Herzklinik und hat die Berichte von Nahtoderlebnissen seiner Patienten, die bereits klinisch tot waren und wieder ins Leben zurückgeholt wurden, sehr ernst genommen. Seine Erklärungsversuche erscheinen mir sehr plausibel und könnten ebenso eine Erklärung sein für die Phänomene der Reinkarnation.
Viele weitere Fragen könnte man noch stellen: Woher kommen unsere Talente und Neigungen? Woher stammen unser Charakter und manche Eigenarten. Warum sind Geschwister – selbst eineiige Zwillinge – trotz gemeinsamen Aufwachsens so unterschiedlich? Was hat es auf sich, dass bereits ganz kleine Kinder bestimmte Vorlieben oder Aversionen haben?
Es liegt mir fern, alles mit einem früheren Leben erklären zu wollen; natürlich gibt es in jedem Lebensalter vielfältige Beziehungsund Umwelteinflüsse, die uns formen. Vieles haben wir erlernt – aber ganz bestimmt nicht alles. „Erinnerungen“ an frühere Leben scheinen mir ein bedenkenswerter Teil zu sein.
Amrei Spalek
Privatpraxis für Psychologische Beratung mit Schwerpunkt Tiefenentspannung. Ausbildung zur Psychologischen Beraterin an der Deutschen Paracelsus Schule, Seminarleiterin in Autogenem Training und Progressiver Muskelentspannung, Fortbildung in Hypnose, Hospitation in einer Suchtklinik, ehrenamtliche Mitarbeit in einer telefonischen Beratungsstelle.