Konfliktbetreuung per E-Mail von der Gründung bis heute
Zuerst war die Idee…
2006 habe ich mich mit Training und Coaching selbstständig gemacht. Ich wollte aber auch Menschen, die nicht viel Geld haben, die Möglichkeit bieten, sich in Krisensituationen beraten zu lassen. Da ich immer auch ehrenamtlich gearbeitet habe und der Überzeugung bin, dass es uns allen besser ginge, wenn wir alle nur ein wenig von dem, was wir haben, teilten, wurde die Idee geboren, eine E-Mail-Betreuung für Menschen in Krisen einzurichten.
Ich habe viel recherchiert und bin auf die Diplomarbeit einer Psychologie-Studentin zum Thema E-Mail-Betreuung gestoßen. Die Hauptaussage war, dass so etwas in Deutschland in geeigneter Form fehlt. Die meisten Beratungen wurden getestet und scheiterten an vielen unterschiedlichen Themen. Bei einigen Beratungen dauerte es Tage, bis eine Antwort kam, eine andere verwendetet Textbausteine und wieder andere nahmen jedes Thema an. Meine Euphorie war groß, etwas Geeignetes anzubieten, und ich machte mich an viele Stunden Visionsarbeit, Textarbeit und Programmierarbeit.
Die Herausforderungen…
Die Herausforderungen wurden mir sehr schnell klar:
Wie sollte eine ansprechende Gestaltung aussehen?
Wie kann man Seriosität gewährleisten?
Wie sollten Zahlungseingänge erfolgen?
Wie gewinnt man Kunden?
Wie macht man auf sich aufmerksam?
Welche zeitlichen Ressourcen gibt es?
Wie schließt man aus, dass sich kranke Menschen melden, für die die E-Mail- Betreuung nicht geeignet ist?
Wie geht man mit Scherz-E-Mails um?
Wie geht man mit Spam-Mitteilungen um?
Nicht zuletzt bin ich Bankbetriebswirtin und die Frage, wie sich die Investition einmal amortisiert, beschäftigte mich ebenfalls. Psychologische Beratung in allen Ehren, aber der pekuniäre Aspekt muss nun auch stimmen.
Alle diese Herausforderungen haben wir irgendwann gelöst. Ich war über die Investitionshöhe dennoch überrascht bis erschreckt, wobei ich die vielen Stunden, die ich investiert habe, zunächst einmal mit null bewertet habe.
Beratungen…
Alle vorbereitenden Tätigkeiten waren abgeschlossen und die ersten Beratungen trudelten ein. Erstmal gab es ein absolutes Hochgefühl, dass ich Beratungsanfragen hatte. Dieses Gefühl wich schnell der Realität. Nämlich, dass man zwar meine Hilfe in Anspruch nehmen wollte, aber den kleinen Betrag, der zu zahlen ist, nicht zahlen wollte. Ich habe daraufhin die Bearbeitungsweise umgestellt und antwortete nun auf jede Schilderung eines Anliegens mit detaillierten Fragen, um den ratsuchenden Menschen noch besser zu verstehen und auch die Idee der seriösen Bearbeitung zu vermitteln. Dieser Erstkontakt ist offensichtlich wichtig, um ein wenig die "Chemie" zu ertasten, die es auch in einer E-Mail-Betreuung geben muss.
Das funktionierte wirklich super. Ich werde seitdem mit vielen Anliegen konfrontiert. Inzwischen kann ich auch absolute Themenschwerpunkte benennen: Liebeskummer, Trennungen, Eifersucht, Probleme am Arbeitsplatz.
Ich habe im Laufe der Zeit sehr viele Anliegen gelesen. Jedes ist immer eine Nuance anders und es ist immer wieder spannend, in das Leben eines anderen einzutauchen. Manche Beratungen sind kurz und knapp, es geht dann nur um ein kurzes Feedback, andere sind sehr intensiv. Vielen Menschen kommt es zunächst auf die Anonymität der Beratung an und manche "Beratungsbeziehungen" entwickeln sich. Nachdem erst so viel Wert auf Anonymität gelegt wird, wird dann oft der richtige Name genannt, häufig bekomme ich Fotos und ganz oft erhalte ich an besonderen Festtagen, wie z. B. Weihnachten, Grüße von Kunden.
Ein Phänomen ist auch die Anrede: Vom eher nüchternen "Hallo Frau Simon" gehen viele Kunden automatisch nach einigen Mails zu "Hallo Stefanie" über und schicken oft liebe Grüße und ähnliche nette Zeilen. Es ist, als ob man ein Stück "Freundin" für die Leute wird. Die Distanz wird von meiner Seite nicht aufgehoben, daher fällt es den Kunden auch später leicht, wieder Abschied zu nehmen.
Schwierigkeiten im Laufe der Zeit…
Das liest sich zunächst alles sehr positiv und klingt nach sehr viel Spaß. Das ist auch so, dennoch gab es im Laufe der Zeit auch einige Schwierigkeiten:
Es gab Missbrauchsfälle der Seite: Ich bekam E-Mails von Personen, die diese angeblich nie abgeschickt hatten.
Ich wurde mit der Polizei konfrontiert und musste meine Abläufe offenlegen, dies konnte gut gelöst werden.
Dann gab es Suizidandrohungen, bei denen ich ebenfalls auf die Unterstützung der Polizei zugreifen musste. Auch hier gab es seine sehr positive, schnelle und effektive Unterstützung.
Ich wurde von Mitbewerbern getestet, die darauf bedacht waren, mich abmahnen zu können, und viele solcher Dinge mehr.
Ich weiß nicht, wie viele Menschen mich angeschrieben haben, die das Internetdesign verändern wollten und glaubten ein Auftrag sei zu generieren, wenn man den potenziellen Kunden nur kräftig beleidigt.
Eine Frau kopierte nahezu vollständig unsere Internetseite und bat anschließend um eine Beratung, warum sie keine Buchungen bekäme, mit der Frage, was sie wohl falsch mache.
Schwierig sind auch zeitliche Ressourcen. Von einer E-Mail-Beratung kann man definitiv nicht leben, denn schließlich muss man sich privat versichern, was schon einen erheblichen Anteil ausmacht. Das bedeutet, dass man auch noch einer anderen Tätigkeit nachgehen muss.
Wenn man die Beratung allerdings ernst meint, dann nimmt eine schriftliche Beratung etwa eine Stunde Zeit in Anspruch. Viele Kunden schreiben sehr lange Texte, die es auch zu lesen gilt, das nimmt auch Zeit in Anspruch. Der Vorteil der E-Mail- Beratung für den Kunden liegt darin, dass er sein Anliegen jederzeit formulieren kann. Das bedeutet aber auch, dass man die E-Mails schon sehr regelmäßig abrufen muss.
Wenn ich ein Anliegen erhalte, dann lese ich fast immer, dass es eilig ist und derjenige sehr gespannt ist auf eine Antwort. Besonders an Feiertagen haben Menschen Zeit, über ihre Probleme nachzudenken und die Lösungslosigkeit macht an solchen Tagen noch mehr zu schaffen. Dem versuche ich natürlich gerecht zu werden, dass bedeutet aber auch, dass die E-Mail-Betreuung ein 365-Tage-im-Jahr-Projekt ist.
Schwierig sind für mich auch immer Mails, aus denen hervorgeht, dass es ein dringendes Anliegen gibt, die Menschen aber sehr offen darlegen, dass sie kein Geld haben, die Beratung zu bezahlen. Was macht man? Gut, man kann die eine oder andere E-Mail auch kostenlos schicken, aber es ist immer schwierig zu entscheiden, wer ist wirklich bedürftig und wer ist nur ein cleverer Internetsurfer.
Der Dank für einige kostenlose E-Mails war, dass eine Fernsehzeitung schrieb, dass man bei uns auch kostenfreie Beratungen erlangen kann.
Eine Frauenzeitschrift bittet um ein Interview…
Eine PR, von der jeder träumt. Uns wurde ein Fotograf avisiert, eine Dame kam zum Interview und es meldeten sich einige andere Zeitungen. Wir vergeudeten unglaublich viel Zeit. Es wurden Kannen von Kaffee und Pakete Plätzchen vernichtet, mit einem sehr mäßigen Erfolg. Die Berichte erschienen, aber es hatte nur eine unwesentliche Steigerung des Umsatzes zur Folge.
Viele schienen aber zu glauben, dass ich sehr viel Geld verdiene und traten mit zahlreichen absurden Ideen an uns heran: Ich bekam Spendenaufrufe, Angebote, meine Werbung zu unglaublichen Preisen überprüfen zu lassen, Krankenversicherungen überschwemmten mich mit Angeboten, fragliche Inhalte zur Charaktererkennung anhand von Fotos sollten auf meiner Internetseite Platz haben und besonders hartnäckig war eine Seitensprung-Hotline, die sich auf der Seite platzieren wollte.
Erforderliche Qualifikationen…
Es bedarf selbstverständlich einer guten fachlichen Qualifikation. Es bedarf aber auch einer guten Intuition und auch des eigenen Vertrauens in diese Intuition, denn nur dann kann man die Beratungen herausfiltern, die das Gegenüber auch weiterbringen. Es bedarf auch des ehrlichen Eingeständnisses, an welchen Themen man im Moment einfach zu nah dran ist.
So bekam ich einmal die Mail mit der Bitte, jemand während der Krankheit des so geliebten Haustiers zu unterstützen. Da mein eigener Hund zu dem Zeitpunkt sehr krank war, habe ich dies ehrlich kommuniziert und von einer Beratung abgesehen.
Die oberste Priorität aber ist Wertschätzung und damit verbunden der Wille, die eigenen Vorurteile abzulegen. Am anderen Ende sitzt immer ein Mensch, ein Mensch, dem es schlecht geht und der Hilfe sucht. Man hat schnell ein kritisches oder hartes Wort geschrieben, der andere muss aber damit umgehen. Manchmal glaubt man, dass man von der Art des Schreibens auf den Menschen schließen kann. Hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich viele Überraschungen erlebt habe. Ich musste mich manches Mal mit mir auseinandersetzen und eigene Anteile hinterfragen. Ich habe in einigen Fällen einen Supervisionspartner benötigt, um Anliegen zu bearbeiten.
Fazit…
Die Konfliktbetreuung macht nach wie vor unglaublichen Spaß. Es bedeutet viel Arbeit, ein hohes Maß an Idealismus, viel Engagement und es bedeutet, mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Man bekommt tolle Feedbacks und viele Einblicke in das Leben anderer Menschen. Die Konfliktbetreuung hilft mir in meiner täglichen Arbeit als Coach und Managementtrainerin immer wieder und hilft mir in Seminaren in Unternehmen im Auge zu behalten, welche Schwierigkeiten Menschen bewegen.
Ich wollte auf die Konfliktbetreuung nicht verzichten, bin unglaublich erfreut, wenn mein Tagebuch in der Konfliktbetreuung sehr häufig gelesen wird, und bin sehr sicher, dass es sich um ein gutes Projekt handelt, um Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen. Es bringt auch mich weiter auf meinem Weg, aber es ist, wenn man es nach strengen betriebswirtschaftlichen Regeln betrachtet, kein lukratives Projekt.
Großer Dank gebührt auch meinem Ehemann Uli, der mich im Aufbau sehr unterstützt hat und viel Geduld an den Tag legt, wenn auch am Wochenende die Konfliktbetreuung Raum hat. Auch die Internetfirma Manfred Zach scheute nie davor zurück, Änderungen herbeizuführen und unterstützte mich sehr, wann immer es Probleme mit der Seite gab. Ohne diese Unterstützung wäre das Projekt sicherlich sehr viel schwieriger gewesen.
Kraft schöpfe ich aber auch aus den vielen so positiven Feedbacks meiner Kunden, die mich immer wieder motivieren, weiterzumachen oder – wie Barack Obama es sagen würde: Yes, we can.
Stefanie Simon
Coach, Psychologische Beraterin, Bankbetriebswirtin. Weiterbildung in Monodrama, Psychodrama, Hypnocoaching und Trancearbeit, Provokatives Coaching, kollegiale Supervision, Mentaltraining.
Am Taubenschlag 25a
41352 Korschenbroich
Telefon 0 21 61/5 49 69 82
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