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Vom Atem zur Stimme

Eine methodische Klangtherapie

- Sonologie -

Musik ist Leben. Sie ist Schwingung, sie hält uns als Teil eines schwingenden Kosmos in Verbindung mit der Gesamtheit des Alls. Wenn sie diese Aufgabe hat, dann muß sie uns zu diesem inneren Gleichgewicht verhelfen, dem Gleichgewicht zwischen Intuition und Bewußtsein. Zwischen dem Unterbewußten und dem Bewußten zu vermitteln hat alle große, gute gedient, ob sie nun indisch oder afrikanisch, einstimmig, gregorianisch oder von kompliziertester harmonischer Struktur ist wie unsere abendländische Musik.

Yehudi Menuhin

Die Sonologie befaßt sich mit der Bedeutung und Wirkung von Klang, sowie dessen Anwendung. Sie stellt eine Verknüpfung jahrtausenderalter Lebensweisheit und wissenschaftlichen Erkenntnissen dar, eine Verknüpfung des Nada Yoga (Nada = Klang) und musiktherapeutischen Ansätzen. „Im Yoga leben heißt, unmittelbar, von Augenblick zu Augenblick, ohne hemmende Bindung an die Vergangenheit, ohne sogenanntes „Wissen", ohne Gewohnheit oder überkommene Weltanschauungen leben," (1) Die Sonologie ist der stimmhafte Weg, sich behutsam von den hemmenden Bindungen zu lösen und dadurch diesem Zustand entgegenzuwachsen. Unsere heutige Zeit zeichnet sich durch zunehmende Hektik und immer weniger vorhersehbare Veränderungen aus. Um als Mensch nicht ein Opfer dieser äußeren Umstände zu werden, bedarf es einer größeren inneren Stabilität. Zwei Aspekte sind, meines Erachtens, von grundlegender Bedeutung dafür. Der erste ist, zur Ruhe kommen, der zweite, wieder ein Gespür für die eigenen inneren Vorgänge zu entwickeln und lernen, mit Gedanken und Gefühlen umzugehen. Es heißt nicht umsonst: „In der Ruhe liegt die Kraft." Die Kraft, sich frei, nach eigenem Willen, für eine Sache, für ein Ziel zu entscheiden, klar zu sehen: „Was will ich?" „Wie kann ich das erreichen?", und zu spüren, welche Gefühle mit dieser Zielsetzung einhergehen. Sich frei zu entscheiden heißt, nicht immer nur auf äußere Ereignisse zu reagieren. Die Umkehrung würde bedeuten, wenn von außen kein Impuls kommt kann ich selbst nichts tun. Diese Haltung schwächt das Selbstvertrauen und läßt die innere Stabilität auf ein Minimum schrumpfen. Man wird zum Spielball der Ereignisse, übernimmt zwangsläufig deren Hektik und verliert dabei selbst die Orientierung. Der 1. Schritt in Richtung innerer Stabilität ist, wieder bewußt den Kontakt zum eigenen Körper herzustellen, den Körper wirklich zu spüren. Es ist ein kleiner aber bedeutsamer Unterschied, ob man die Reibung und die entstehende Wärme spürt wenn man sich mit der Hand über den Oberschenkel streicht, oder ob man denkt: „Ich streiche mir über den Oberschenkel': Ersteres ist eine direkte körperliche Empfindung, während letzteres die Vorstellung davon ist. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten in dieses Spüren zu kommen. Ich möchte mit der Atmung beginnen.

Die Atmung

Atmen ist Leben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber im heutigen Alltag immer weniger bewußt ist. Wir können einige Zeit ohne feste Nahrung auskommen, nicht ohne Flüssigkeit, Beispiel: Fasten, aber ohne funktionierende Atmung bleibt uns sprichwörtlich „die Luft weg"; die Folgen sind allgemein bekannt. In kürzester Form bedeutet Atmung den Austausch von Gasen zwischen einem Körper und der Umgebung. Beim Einatmen wird Sauerstoff in den Körper aufgenommen. Er dient unter anderem zur Verbrennung von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Dabei wird Energie in Form von Wärme freigesetzt (Körpertemperatur). Bei der Ausatmung wird Kohlendioxid, als ein Stoffwechselprodukt, ausgeschieden. Durch die Atmung werden so, in Verbindung mit den entsprechenden Organen, wesentliche Körperfunktionen aufrechterhalten:

· Kreislauf (Herz)

· Ausscheiden von Giftstoffen (Leber, Darm, Nieren)

· Säuere-Basen-Haushalt (Nieren)

· Körpertemperatur (Haut)

· Stärkung des Immunsystems

Außerdem wird die Atemluft gebraucht, damit wir uns über die Stimme miteinander verständigen können. Die Atembewegungen laufen normalerweise automatisch ab, unterliegen aber inneren und äußeren Einflüssen, wodurch sich Atemrhythmus und Volumen ändern. Bei Streß, Anspannung, Angstgefühlen wird der Atem hektisch, unregelmäßig und flach. Während einer Ruhephase ist er dagegen langsamer und tiefer. Die Atembewegung läßt sich aber auch willentlich beeinflussen. Jeder von uns kennt die wohltuende und ausgleichende Wirkung einiger tiefer Atemzüge. Diese Wirkung kann verstärkt werden, indem man die Atemluft mit einem Seufzen oder Stöhnen entläßt; es ist zu spüren, wie sich Anspannungen lösen und man freier wird. Gleichzeitig streckt sich der Körper beim vertieften Einatmen. Sehr viele Menschen üben heutzutage eine überwiegend sitzende Tätigkeit aus. Oft resultiert daraus eine gekrümmte Sitzhaltung. Dadurch werden ganze Körperregionen ein- und abgeklemmt, nicht mit ausreichend Energie versorgt. Mit dieser Körperhaltung geht eine flache Atmung einher, bei der sich nur die Brust hebt und senkt, die Brustatmung. Die Lungen füllen sich lediglich im oberen bis mittleren Teil mit Luft. Die Symptome, die diese schnellere, flache Atmung begleiten, wurden oben angedeutet. Dagegen ist die Bauchatmung, der Bauch hebt und senkt sich beim Atmen, tief und natürlich; z.B. atmen Kinder ganz selbstverständlich auf diese Art. Die Lungenkapazität wird zu mehr als 2/3 genutzt. Aus einer langsameren, tiefen Atmung gehen Gefühle hervor wie Ruhe, Ausgeglichenheit, Zufriedenheit etc. Im Normalfall ist unsere tägliche Atmung eine Mischung aus Brust- und Bauchatmung. Eine gleichmäßige Atmung führt zu erhöhter Konzentration und innerem Gleichgewicht. Gezielte Atemübungen können die Pulsfrequenz verlangsamen oder beschleunigen, den Blutdruck regulieren, kurz: sie fördern die allgemeine Gesundheit und können entspannend als auch belebend wirken. Es ist sinnvoll, bei der Atembewegung die Aufmerksamkeit auf die Ausatmung zu lenken. Erstens hat die intensivierte Ausatmung eine reinigende Wirkung; die Lungenbläschen werden besser entschlackt und können so, beim Einatmen, mehr Sauerstoff aufnehmen. Zweitens ist alles, was wir mit persönlichem Ausdruck bezeichnen, also entlassen von Gefühlen, sprechen, singen usw., direkt mit dem Ausatmen verbunden. Je sicherer unsere Atmung ist, umso klarer, eindeutiger ist unser Ausdruck; aber auch: „Alles, was nicht zum Ausdruck kommt, bleibt innen - als Druck': Ich möchte jetzt noch auf eine Atemtechnik hinweisen, die die natürliche Atembewegung bewußt intensiviert. Unsere Atmung ist nie ein immerwährendes Aus- und Einatmen. Dazwischen liegen, meistunbemerkt, kleinere Pausen, in denen die Atembewegung kurz stoppt.

Der Ablauf ist also:  Ausatmen - Pause - Einatmen - Pause - usw.

Wenn diese Pausen bewußt ein wenig verlängert werden (3-5 sec.), tritt, nach etwas Übung, eine tiefe Ruhe ein, die über eine Entspannung hinausgeht. Wie kommt das? Wir können beobachten, daß bei völliger Konzentration die Atembewegung nahezu still steht. Daraus wird klar, daß die Atmung auf den Gedankenstrom einwirkt. Durch ein kurzes Innehalten zwischen den Atemzügen unterbrechen wir auch den Gedankenstrom. Das bringt eine sehr tiefe innere Ruhe hervor. Wenn der Gedankenfluß unterbrochen wird, bleibt nur noch das Spüren und das ist eine körperliche Empfindung (s.o.), im Gegensatz zur Vorstellung oder der Autosuggestion, wie sie im autogenen Training verwendet wird. Im Übrigen ist der Gedankenstrom ebenso von Pausen unterbrochen wie die Atembewegung. Da wir üblicherweise aber nur die Gedanken wahrnehmen, nicht die Pausen, haben wir den Eindruck eines steten Gedankenflusses. Abschließend zu diesem Kapitel läßt sich also feststellen, daß die Atmung Rückschlüsse auf unsere Befindlichkeit zuläßt und, daß wir die Befindlichkeit durch bewußte Atmung ändern können. Wir sollten eine Änderung aber nie erzwingen!

Vom Atem zur Stimme

Da schon die Atmung Rückschlüsse auf seelische Vorgänge zuläßt, wie erst die Stimme. Über unsere Stimme entlassen wir Gefühle, der Klang unserer Stimme signalisiert den Mitmenschen, wie wir uns fühlen. Im Zusammenhang mit der Atmung ist das nicht weiter verwunderlich; z.B. drückt eine tiefe, fließende, bauchige Stimme Ruhe, Wärme und Gelassenheit aus, man denke an die Bauchatmung. Eine hektische, angespannte Stimme ist nicht tief, sie steht unter Druck, ist dadurch höher und geht einher mit der flacheren, schnelleren Brustatmung. Bei Wut wird die Stimme laut, gepreßt bei unterdrücktem Arger, leise bei innerer Unsicherheit, bei Freude wird sie offen und nähert sich dem Singen an, da die Sprachmelodie lebendiger wird. Und noch etwas: Welche Bedeutung haben Worte, die die Wortwurzel Stimme enthalten?

Die Stimme erheben, sich einstimmen, abstimmen, bestimmen, Unstimmigkeit, Stimmung Stimmungsschwankung, das stimmt. Im Wesentlichen laufen sie auf 2 Aspekte hinaus, nämlich

· persönlicher Ausdruck

· Harmonie / Disharmonie

und niemand kann leugnen, daß ihn ein Mensch mehr anzieht als ein anderer. Das beruht nicht zuletzt auf dem Klang der Stimme, der von einer Person ausgeht. Wir haben gesehen, daß die Atmung in ihrer Wirkung gesteigert werden kann, wenn wir geräuschvoll ausatmen, also mit einem Seufzen oder Stöhnen. Als „tönen" bezeichne ich den Vorgang, bei dem wir mit einem klar erkennbaren Ton ausatmen. Der Unterschied zum Sprechen ist hier lediglich, daß der Ton über die gesamte Länge der Atemphase gehalten wird. Das hat, gegenüber der stimmlosen Atemübung den Vorteil, daß die Ausatmung verlängert wird, da wir uns auf den Ton konzentrieren und bemüht sind, diesen zu halten. Weiterhin ist an der Stabilität des Tones zu erkennen, ob die Atmung gleichmäßig ist oder schwankt, was wiederum Rückschlüsse auf die Befindlichkeit zuläßt. Ganz nebenbei, eher spielerisch, wird dadurch auch das Ausdrucksvermögen trainiert. Der nächste Punkt ist, daß durch das Tönen Vibrationen im Körper erzeugt werden, die als ausgesprochen angenehm empfunden werden. Es ist eine Klangmassage mit der eigenen Stimme, und eine Massage hilft bekanntlich Spannungen zu lösen, Streß abzubauen, Schmerz zu lindern etc. Durch wechseln der Tonhöhe (höher/tiefer) werden unterschiedliche Körperregionen angesprochen, sie vibrieren, treten in Resonanz. Begriffe wie Kopfstimme, hohe Stimmlage, oder Bruststimme für eine mittlere Lage resultieren aus dieser Tatsache. Wir sind also in der Lage, bestimmte Körperregionen und dazugehörige Organe mittels der Tonhöhe zu erreichen. Über den Stimmklang werden sie sanft in Bewegung versetzt, wodurch der Stoffwechsel gefördert wird. Jeder von uns kann nachvollziehen, was Bewegung für unser Wohlbefinden bedeutet, mag sie auch noch so gering sein. Eine weitere Möglichkeit unseren Körper zu spüren ist daher das bewußte Einsetzen der eigenen Stimme. Wir spüren die Vibrationen des Stimmklangs. Durch regelmäßiges Üben gewöhnen wir uns allmählich daran, unseren Körper zu spüren. Das Körperbewußtsein wird gesteigert, die Wahrnehmung wird feiner, so daß wir bald auch ohne zusätzlichen Impuls mit unserem Körper in Kontakt sind, zumindest diesen Kontakt jederzeit willentlich herstellen können. Das ist unser Fundament, der Ruhepol im täglichen Leben, unsere „Insel". Meine Erfahrung zeigt, daß es von großer Bedeutung für die innere Stabilität ist, diesen Ruhepol täglich ein wenig zu „pflegen", auch wenn es nur einige Minuten sind.

Atem, Stimme und mehr ...

Wenn wir die Wahrnehmung des Ruhepols in uns stabilisiert haben, d.h., wenn wir im körperlichen Empfinden sind, fällt es uns leichter, innere und äußere Ereignisse „neutraler" zu betrachten, ähnlich einem Wissenschaftler. Die Vorgänge werden wahrgenommen, ohne daß automatisch eine unvermeidbare Verbindung zur eigenen Person hergestellt wird. Dadurch entsteht ein gewisser Abstand. Wir sind, nach einiger Übung, in der Lage, klarer mit äußeren Geschehnissen aber auch mit Gedanken und Gefühlen umzugehen. Auftretende Gedanken können beispielsweise im Sinne eines Angebotes gesehen werden, aus dem man bewußt auswählt. Gleiches geschieht ja auch im Alltag. Wenn uns eine Situation mißfällt oder sie keinen momentanen Nutzen für uns hat, nehmen wir sie zwar wahr, gehen aber nicht näher darauf ein. Wir entscheiden uns. Das macht uns unabhängiger, freier und ermöglicht ein zielgerichteteres Handeln. Wie bei den Atemübungen geht es also auch hier darum, bewußter mit völlig natürlichen Vorgängen umzugehen. Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen werden so gestärkt. Ich empfinde es als äußerst beruhigend zu sehen, wie ähnlich sich die Abläufe sind.

Warum dann überhaupt Atemund Stimmübungen?

Wir haben gesehen, daß die Atemübungen zu einer tiefen Ruhe führen, unserer „Ausgangsbasis': Mit den Stimmübungen trainieren wir unseren Ausdruck und werden vertrauter im Umgang mit Tönen. Die unterschiedlichen Tonhöhen setzen verschiedene Körperbereiche in Resonanz, wodurch unterschiedliche Bilder und Gefühle in uns auftauchen, z.B. „das Kribbeln im Bauch" bei Freude; Aufregung und Hektik „schlägt auf den Magen" oder „mir platzt der Kopf" bei Streß und Anspannung. Durch das Tönen lernen wir Energien im Körper zu lenken und sich ständig wiederholende Gedanken und Gefühle allmählich aufzulösen. Diese immer gleichen Gedanken und Gefühle können als Energieblockaden bezeichnet werden, die Energie fließt nicht mehr frei, sie „hängt fest' Das kann sich in der Folge in bestimmten Krankheitsbildern ausdrücken. Für Ruhe, innere Stabilität und Gesundheit ist ein ungehinderter Energiefluß von wesentlicher Bedeutung, wie man aus der Akupunktur weiß.

Der individuelle Grundton

Jeder Mensch hat einen ihm eigenen Stimmklang. Man kann vereinfacht sagen, jede Stimme „umkreist" ein Zentrum, einen zentralen Ton - den Grundton. Bei genauer Beobachtung könnte jeder von uns erkennen, daß die Stimme in Bezug steht zu bestimmten Charaktereigenschaften. Das Wissen um die Bedeutung und Wirkung von Tönen macht es möglich, den Grundton eines Menschen zu bestimmen und so klare Aussagen über grundlegende Veranlagungen zu machen, Eigenschaften, die uns von der Natur mitgegeben sind. Die Grundtonbestimmung kann dazu verhelfen, neue Lebensziele zu definieren oder überhaupt adäquate Lebensinhalte zu finden. Klar ist, daß die Probleme zunehmen, je weiter man sich von den eigenen Anlagen entfernt hat, wodurch auch immer.

Das Zusammenspiel von Atem- und Stimmübungen auf der Basis des Grundtones stellt direkt den Kontakt zum eigenen Körper her und gleicht gegensätzliche Kräfte aus. Man „stimmt" sich selbst, tritt in Eigenresonanz, wodurch Körper, Geist uns Seele in Einklang gebracht werden; gleichzeitig wird der Ausdruck eigener Anlagen gefördert.

Der Körper als Instrument - das Grundprinzip

Jedes Musikinstrument hat einen spezifischen Grundton, der nicht unbedingt identisch ist mit dem tiefsten, auf dem Instrument zu spielenden Ton. Da der Grundton eines Menschen ebenfalls selten der tiefste sprech- oder singbare Ton ist, verhilft die Analogie, den menschlichen Körper als Instrument zu betrachten, in vielerlei Hinsicht dazu, klangtherapeutische Aspekte zu erklären und zu verdeutlichen. Auf jedem Instrument lassen sich mehrere Oktaven spielen. Eine Oktave ist die Wiederholung eines Tones auf der nächst höher oder tiefer liegenden Ebene. So wird auch der menschliche Körper in 3 Oktaven unterteilt:

· 1. Oktave, tief: von den Fußsohlen zum Bauchnabel, dem Ruhepunkt

· 2. Oktave, mittel: vom Bauchnabel zu einem Punkt an der Stirn, zwischen den Augenbrauen, oberhalb der Nasenwurzel; nach alter Lehre auch Drittesoder Spirituelles Auge genannt, der Punkt, an dem körperliche Energie transformiert wird

· 3. Oktave, hoch: vom Spirituellen Auge zum Scheitel

Man kann erkennen, daß die 1. Oktave eine größere körperliche Ausdehnung hat als die 2. Oktave und diese sich wiederum von der 3. Oktave unterscheidet. Das macht Sinn. Im 19. Jhdt. erforschte der Physiker Fechner die Zusammenhänge von physikalischen Reizen und der korrespondierenden Erlebnisintensität im Menschen. Seine Erkenntnisse finden im Fechnerschen Gesetz Ausdruck, das bis heute gilt und Grundlage der Psychophysik ist: „Die erlebte Intensität wächst proportional zum Logarithmus des physikalischen Reizes." (2) Ein Beispiel zum verdeutlichen: Auf einem Gitarrengriffbrett werden die Bünde, die Unterteilungen, bei ansteigender Tonhöhe immer enger. Unser Gehör nimmt den Wechsel von einem Bund zum nächsten als einen Halbtonschritt wahr. Der physikalische Reiz steht in einem logarithmischen Verhältnis zur Empfindungsintensität, währen diese linear ansteigt. Dieses Muster erkennen wir bei den 3 Oktaven des Körpers wieder. Wir sahen, daß mit wechselnden Tonhöhen unterschiedliche Gedanken und Gefühle auftauchen. Das läßt sich, durch die Oktaveinteilung des Körpers, konkretisieren. Ein vereinfachtes Beispiel: Die „zitternden Knie" in der 1. Oktave, führen in der 2 Oktave zum „kribbeln im Bauch" und können in der 3. Oktave einen „Schock" auslösen. Nun kann jede Oktave in 12 Tonabstände, Intervalle, unterteilt werden (Chromatik), und jeder Ton steht in einem bestimmtes Schwingungsverhältnis zum Grundton. Musikalisch zeichnen sich diese Intervalle durch ihre Konsonanz/ Dissonanz zum Grundton aus. Die Sonologie nutzt dieses Phänomen, indem jedes Intervall einer definierten Empfindungsqualität zugeordnet wird. Zusätzlich sind weitere 10 Qualitäten beschrieben, die durch bestimmte Arten zu tönen miteinbezogen werden. Jede Empfindung steht in direktem Bezug zu einem Körperpunkt. Somit wird ersichtlich, daß bestimmte Emotionen in Resonanz sind mit entsprechenden Organen und umgekehrt. Unsere Sprechstimme entspricht in diesem Kontext einer mittleren Stimmlage, d.h., daß die Arbeit mit der eigenen Stimme überwiegend in der „bequemen" 2. Oktave geschieht. Hinzukommt, daß die meisten inneren Organe in diesem Bereich liegen und unmittelbar mitschwingen. Wird nun ein bestimmter Körperpunkt stimuliert, setzt das die entsprechenden Emotionen frei. Diese treten dadurch ins Bewußtsein und können bearbeitet werden. Durch gezielte Tonhöhenveränderung wird die Energie umgewandelt, transformiert, sodaß wieder ein ungehinderter Energiefluß entsteht. Um Symptome wie Angst, Unsicherheit, aber auch körperliche Beschwerden zu behandeln, ist es erforderlich, genau definierte Körper-/ Emotionspunkte der Reihe nach „anzusprechen", um sie miteinander in Beziehung zu bringen. So geschieht eine schrittweise Umwandlung. Aus musikalischer Sicht entspricht somit eine Tonfolge oder Tonleiter einer zugrundeliegenden, psychosomatischen Symptomatik. Wichtig zu wissen ist, daß sich auf jedem Grundton mindestens 72 verschiedene Tonfolgen aufbauen lassen, unter Berücksichtigung der Chromatik. Hiermit wird deutlich, daß in der Sonologie sehr exakt und lösungsorientiert gearbeitet wird. Die Sichtweise, den Körper als Instrument zu betrachten, hat weitere therapeutische Vorzüge für den Klienten. So wird die Motivation gesteigert, denn: „Wenn ich täglich übe werde ich besser, geschickter im Umgang mit meinem Körper"; ähnlich einem Musiker, der durch tägliches Üben seine Instrumentalfähigkeit verbessert. Weiterhin werden Selbstverantwortung und Selbstwert erhöht: „Ich bin, mit dem nötigen Handwerkszeug ausgestattet, in der Lage, meine Befindlichkeit selbst zu ändern." Außerdem möchte ich auf einen mit wesentlichen Aspekt hinweisen, den Assagioli, Begründer der Psychosynthese, Disidentifikation nennt. Er sagt: „Ich habe einen Körper, aber ich bin nicht mein Körper. Ich habe Gefühle, aber ich bin nicht meine Gefühle. Ich habe einen Verstand, aber ich bin nicht dieser Verstand." (3) Die Betrachtungsweise des Körpers als Instrument schafft eine gesunde Distanz, man lernt, das Instrument Körper zu „spielen" und löst sich allmählich aus der Opferrolle, in der einem alles widerfährt, ohne Möglichkeiten zu haben, selbst etwas zu ändern. Durch den freien Willen bin ich weitgehend selbst in der Lage zu entscheiden, wie ich mich fühle. Gedanken können, im Sinne eines Angebotes, ausgewählt werden. Ich lebe und wahre meine Individualität, wobei mir die Umwelt als „Spiegel" meiner Ausstrahlung dient. Die Analogie zwischen Körper und Instrument ist also kein trefflicher Trick, sondern von großem therapeutischen Nutzen. Sie ermutigt den Klienten, sich weiterhin aktiv an der Problemlösung zu beteiligen und selbstständig Ressourcen zu entdecken oder zu entwickeln. Grundsätzlich ist die Sonologie eine Energiearbeit mit der eigenen Stimme. Man wird zum eigenen energetischen Transformator! Es geht, im Sinne des Yoga, darum, hemmende Bindungen der Vergangenheit zu lösen, seien sie psychischer oder körperlicher Art. Körper, Geist und Seele werden allmählich wieder zu ihrer ursprünglichen Einheit zusammengeführt, woraus innere Stabilität, Ruhe und Gelassenheit resultieren. Gleichzeitig lernt man gegensätzliche Kräfte auszugleichen und zu beherrschen.

Weitere Anwendungsbereiche:

· Partnerschaftsprobleme: Aufarbeitung und Beratung auf der Basis der individuellen Grundtöne.

· Begleitung am Arbeitsplatz:

Kollegen eines Teams, deren individuellen Grundtöne in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen, arbeiten freudiger miteinander und dadurch effektiver.

· Betreuung von Schwangeren

· Kinder: Erziehungshilfe, Schulprobleme etc.

· Unterstützung bei Konzentrationsschwäche

· Förderung des Selbstausducks

· Steigerung der Kreativität

· Erleichterter Zugang zu Ressourcen

· Musikpädagogische Hilfe

· Unterstützung im Alter

· Sterbebegleitung

Die Sonologie steht im Einklang mit den Strömungen der humanistischen und der transpersonalen Psychologie. Das zugrundeliegende System ist offen genug, um mit anderen therapeutischen Verfahren kombiniert zu werden. Die Übungen in der Gruppe sind ähnlich angelegt wie in der Einzelarbeit, so daß keine Umgewöhnung notwendig ist. Der individuelle Grundton kann in der Gruppe natürlich nicht berücksichtigt werden (s. Anhang). Die gezielte Aufarbeitung spezieller Symptome und damit verbundener Akzente bleibt der Einzelsitzung vorbehalten. Da die sonologische Arbeit sowohl präventiv, als auch in akuten Fällen einsetzbar ist, gibt es kaum eine Zielgruppenbegrenzung.

Anhang

- weitere Aspekte der Sonologie in Stichworten

Klang + Farbe

Jedem Ton entspricht eine Farbe des sichtbaren Lichts. Anhand des elektromagnetischen Spektrums läßt sich die Parallelität aufzeigen. Dem Ton „G"=396 Hz (reine Stimmung) entspricht der Farbton Rotorange mit 4,35x10 14 Hz.. Durch oktavieren des Tones kommt man zum Farbton. Erkenntnisse aus der Grundtonbestimmung weisen Parallelen auf zu den farbpsychologischen Forschungsergebnissen Dr. Heinrich Frielings. Töne und Farben kombiniert eingesetzt verstärken die therapeutische Wirkung.

Die Grundtonbestimmung erfolgt über die normale Sprechstimme.

Der Ton „G" kommt überaill dort zum Tragen, wo die Grundtonbestimmung keine eindeutigen Resultate aufzeigt, z.B. bei Kindern, Schwangeren, schwer erkrankten Patienten. Ebenso in der Arbeit mit Gruppen. Warum? Unterschiedliche wissenschaftliche Untersuchungen über Resonanzen bringen den Ton „G" in Verbindung mit: Resonanzmaximum der DNS / Fritz A. Popp Harmonikale Struktur der Spin- Resonanzen in Atomen / Wilfried Krüger Die Schwingung des Erdentages / Hans Cousto

Rhythmus

Die Art, wie Rhythmusübungen in der Sonologie verwendet werden ist eine Kombination aus Fingerübungen und Sprachsilben; im weiteren Verlauf kommen Töne hinzu. Diese Verbindung fördert u.a. die Konzentration, logisches Denken und Motorik.

Sprachsilben

Jeder Vokal hat eine bestimmte räumliche Ausrichtung. Sie wird mittels Silben benutzt, um Energie im Körper noch exakter zu lenken. Die körpereigene Selbstregulation wird in ihrer Wirkungsweise unterstützt.

Verwendete Literatur:

(1) Patanjali - Die Wurzeln des Yoga, O.W. Barth, 1993

(2) Legewie / Ehlers - Knaurs moderne Psychologie, Knaur, 1994

(3) Roberto Assagioli - Psychosynthese, Rowohlt, 1993

 

Weiterführende Literatur:

Steven Halpern - Klang als heilende Kraft, Bauer, 1985 Hazrat Inayat Khan - Musik, Schiekler, 1983 Stephen Levine - Schritte zum Erwachen, Rowohlt, 1997 Ken Wilber - Das Spektrum des Bewußtseins, Rowohlt, 1996 Franz Moser - Bewußtsein in Raum und Zeit, Leykam, Graz 1998 Holger Blome arbeitet als Sonologe und psychologischer Berater in Hannover. Er wurde von Vemu Mukunda, Bangalore (Indien) zum Sonologen ausgebildet und besuchte die Intensivseminare in Methoden der Humanistischen Psychologie bei Henning von der Osten. Er ist Mitbegründer der Gesellschaft für Sonologie, e.V.

2002_01_Vom-Atem-zur-Stimme

 

von Holger Blome