Physioyoga als Yogatherapie in der Psychoonkologie
Die Diagnose Krebs bekommen in Deutschland jedes Jahr etwa eine halbe Million Menschen. Sie wird noch immer mit Ängsten und Hoffnungslosigkeit in Verbindung gebracht. Dank großer Fortschritte in der Krebsforschung und neuer Therapieansätze kann heute mehr als die Hälfte der Patienten auf dauerhafte Heilung hoffen. Yogatherapie kann die Betroffenen auf dem Weg der Genesung begleiten und unterstützen, indem sie Selbstheilungskräfte aktiviert, um Abwehrmechanismen zu stärken. Sie steigert die Selbstwirksamkeit und bietet eine wertvolle Hilfestellung sowohl in der Akutphase, in der Nachsorge, als auch in der Zeit danach.
Ungesunder Lebensstil und psychosoziale Belastung steigern das Erkrankungsrisiko
„Die meisten Krebserkrankungen sind auf die moderne unnatürliche Lebensweise zurückzuführen: Bewegungsmangel und Übergewicht, falsche Ernährung, Schadstoffe im Alltag ... Es sind fast durchgängig psychosoziale Risiken, die bei den Menschen zu Dauerstress führen und damit die Krebsinzidenz erhöhen.“ (Tschuschke, 2011).
Aus Gesprächen mit Betroffenen, die ich im Kontext meiner therapeutischen Tätigkeit regelmäßig führe, geht hervor, dass auch das subjektive Empfinden einer enormen Belastung, z. B. durch den Verlust eines geliebten Menschen oder unbewältigte psychische Konflikte, mit zum Ausbruch der Erkrankung beitragen können, auch wenn dies wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt ist.
Bewegung und Entspannung erhöhen die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit
Heute gilt jedoch als gesichert, dass moderate Bewegungstherapie in allen Stadien der Erkrankung und Behandlung substanzielle Verbesserungen physischer Parameter bewirkt und damit den Prozess der Genesung vorantreibt. Regelmäßige Bewegung und Entspannung reduzieren die Nebenwirkungen wie Fatigue, Übelkeit, Schmerz, Angst und Depressivität und steigern das Wohlbefinden. Sie erhöhen häufig die Akzeptanz der Chemo- und Strahlentherapie. Auch wenn jeder Betroffene grundsätzlich anders auf bestimmte Interventionen reagiert, können durch entsprechende Maßnahmen dieser Art die Therapie-Ergebnisse oft signifikant verbessert werden.
Physioyoga als Synergie für Körper, Geist und Seele
Im Physioyoga steht das Zusammenspiel der Physiotherapie und modernen Psychologie mit dem Hatha Yoga im Vordergrund. Die Ausrichtung ist individuell, frei von Leistungsdruck und esoterischen Praktiken. Angepasst an die modernen westlichen Lebensbedingungen ist der Physioyoga für jeden zugänglich – unabhängig von Alter, Geschlecht und körperlicher Verfassung. Dabei geht es nicht um akrobatische Haltungen. Vielmehr sind es die einfachen Übungen, die den größten Wert haben, denn sie sind leicht nachvollziehbar und erlauben es am besten, die eigenen Grenzen auszuloten. In diesem Zusammenhang betrachtet die Yogatherapie die Erkrankung ganzheitlich, als Störung im Körper-Geist-System. Sie geht von einem salutogenetischen Ansatz aus und zielt darauf ab, die physische und psychische Gesundheit zu fördern. Dies geschieht einerseits über Körperhaltungen und eine achtsame innere Ausrichtung, andererseits über Techniken der Atemtherapie, der Tiefenentspannung und Meditation, um einen positiven Gemütszustand zu entwickeln. Auf diese Weise wird der Übende befähigt, einen bewussten Zugang zu seinen inneren Kräften zu finden und im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten und Bedürfnisse zu praktizieren.
Die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Studien zum Thema Yoga und zu seiner Wirksamkeit steigt stetig. Dies zeigt erfreulicherweise ein zunehmendes Forschungsinteresse in diesem Bereich.
Energetische Impulse und Heilkraft des Lachens im Fokus
Betrachtet man die Chakralehre als therapeutischen Leitfaden, so lässt sich gezielt Einfluss auf die inneren Organe und bestimmte Lebensthemen nehmen. Diese Form der Energiearbeit integriert sich gewinnbringend in das Coaching und Physioyoga. Es ermöglicht einen zusätzlichen und heilsamen Behandlungsansatz.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der in die Yogatherapie eingebettet werden kann, sind Lachyoga-Übungen. Zu den in der Gelotologie (Lachforschung) erwiesenen Effekten des Lachens zählt neben der Veränderung der Schmerzwahrnehmung auch die Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems. Zusätzlich stimuliert das Lachen das Immunsystem und wirkt gegen Angst und Depression. Es befreit vom Grübeln und führt zumindest für einen Moment zur heiteren Gelassenheit. Genau aus diesem Grund ist die Arbeit der Klinikclowns so unendlich wertvoll, nicht nur in der Onkologie.
Ganzheitliche Konzepte helfen, Prioritäten zu überdenken und neu zu definieren
„Paradoxerweise hat die Möglichkeit einer verkürzten Lebenserwartung den Effekt einer Aufmerksamkeitslenkung auf vitale Interessen“ (Tschuschke, 2011). Oft kommt es in diesem Zusammenhang zu einer Neudefinierung der eigenen Lebensziele und Lebenssicht. Yoga und die Achtsamkeitspraxis, die er beinhaltet, können diesen Prozess vorantreiben und nachhaltig fördern. Ebenso kann die Integration von Meditation in den Alltag, als tägliche Übung zur „Reinigung des Geistes“ – vergleichbar der täglich Körperpflege – durch regelmäßige Übungspraxis wertvolle Impulse für das eigene Lebenskonzept geben. Dazu gehört auch, sich mit der aktuellen Situation auszusöhnen statt sich aufzugeben, um hoffnungsvoll nach vorne zu schauen. Somit kann Yogatherapie als Hilfe zur Selbsthilfe betrachtet werden, um langfristig die Lebensqualität zu steigern.
Physioyoga als Selbstmanagement für Therapeuten
Als Therapeuten werden auch wir täglich vielfach mit belastenden Situationen konfrontiert, nicht nur in der Arbeit mit Krebsbetroffenen. Trotz der Professionalität bedarf es nicht selten großer Kraft und Empathiefähigkeit, um mitfühlend auf Distanz zu bleiben und dabei dem Klienten und sich selbst gerecht zu werden. Hier kann Physioyoga in Form eines Selbstmanagements helfen, sich abzugrenzen und gezielt Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um der therapeutischen Tätigkeit nachzugehen, ohne dabei die eigene Lebensfreude zu verlieren. Denn neben der therapeutischen Wirksamkeit steht im Fokus der gesundheitsfördernden und präventiven Wirkung des Physioyoga auch die Ausbildung ethischer, intellektueller und spiritueller Aspekte des Seins.
Literatur
- Sarah Majorczyk: Das Handbuch gegen Krebs. Zabert Sandmann Verlag, 2014
- Monika A. Pohl: Krebs und Yoga. Weingärtner Verlag, 2014
- Volker Tschuschke: Psychoonkologie. Schattauer Verlag, 2011
Monika A. Pohl
Heilpraktikerin für Physio- und Psychotherapie, Dozentin der Yogatherapie, Buchautorin