Trauerbegleitung im Einzel- und Gruppensetting
BERICHT AUS DER PRAXIS
Wie die Zeit vergeht. Vor drei Jahren, im Oktober 2022, habe ich in Bodolz/Lindau aus eigener Betroffenheit und dem Mangel an einer ortsansässigen Trauergruppe selbst eine Gruppe gegründet und ihr den schönen Namen „Geborgen im Leben“ gegeben. Davor absolvierte ich eine Ausbildung zur Trauerbegleitung an der Paracelsus Gesundheitsakademie in Lindau, um trauernden Menschen, die zu mir in die Praxis kommen, gut helfen zu können. Und wie das so ist, wenn man sich in eine Fachrichtung weiterbildet, meldeten sich immer mehr Menschen, die von einem Trauerfall in Familie oder Freundschaft betroffen waren und Hilfe benötigten. Doch warum kamen sie zu mir?

© Tom Merton/KOTO I adobestock.com
Weil sie ganz allein mit dem Verlust ihres geliebten Menschen waren und es einfach niemanden gab, mit dem sie reden konnten.
Weil sie sich trotz Familie oder großem Freundeskreis mit ihrem Schicksalsschlag kurz nach der Beerdigung völlig im Stich gelassen fühlten, gerade dann, wenn sie am meisten Unterstützung benötigten.
Weil man sich als Frau vom eigenen Mann, wie es leider vielen Frauen immer wieder passiert, beim Tod des gemeinsamen Kindes völlig im Stich gelassen fühlt.
Meistens liefen im Aufnahmegespräch zu Beginn schnell die Tränen, wenn die Klienten über den Verlust des Ehemannes oder der Ehefrau sprachen. Wenn ich später fragte, wie sie sich denn kennengelernt hatten, strahlten immer die Augen. Es kam ein Lächeln und die Liebe, die sie immer noch verband, war sehr deutlich spürbar. Selten vereinbarten wir wöchentliche Termine, oft waren die Abstände größer, auch um nicht unnötig zu oft und zu tief in den frischen oder auch alten Wunden herumzustochern und gleichzeitig aber ein Netz aufzuspannen, das halten und tragen soll. In den meisten Sitzungen zur Trauerbegleitung sprachen wir einfach immer wieder über den geliebten Verstorbenen, die schöne Zeit mit ihm und die schweren Stunden des Abschieds. Natürlich waren spätestens da die Trauer und die Sehnsucht spürbar.
Oft half die Frage nach dem „sicheren Ort“ aus dem Buch von Roland Kachler: „Meine Trauer geht und Du bleibst“. Wo mag er jetzt sein? Wo hat er sich zu Lebzeiten wohlgefühlt und wo war er glücklich? Das kann dann z. B. das Urlaubsland Schweden sein, die Berge in Österreich oder einfach eine kleine rote Bank, die immer auf dem gemeinsamen Spaziergang aufgesucht wurde. Vielleicht sind unsere geliebten Verstorbenen ja da – wer weiß? Und wir können sie dort in unserer Vorstellung immer wieder aufsuchen, wenn die Sehnsucht zu groß ist. Tröstlich waren dieser Gedanke und dieses Bild immer, das war jedes Mal deutlich sichtbar.
Hilfreich war auch immer wieder, die Trauernden zu ermutigen, die besonderen Tage, man nennt dies auch Gedächtnistage wie Geburtstage oder Hochzeitstage, gemeinsam in der Familie gebührend zu feiern, um sich dann zusammen an den Verstorbenen in Dankbarkeit zu erinnern. Auch riet ich meinen Klienten stets am Todestag, dem sensibelsten Tag von allen, nicht alleine zu sein. Und wenn es eben keine Familie mehr gibt, mit der man zusammen ans Grab gehen kann, gut für sich zu sorgen und eine Freundin oder eine Nachbarin zu bitten, dies zu tun. Sofern man überhaupt ans Grab gehen kann oder will. Auch das wird ganz unterschiedlich gehandhabt.
Ich habe schon einige Zeit eine Klientin, die noch nie am Grab ihres Vaters war, weil sie Angst hat, dort zusammenzubrechen. Und obwohl ich ihr schon mehrfach angeboten habe, mit dorthin zu gehen, lehnt sie jedes Mal ab und meint, sie sei noch nicht so weit. Für andere ist es ein schönes Ritual, auf den Friedhof zu gehen, eine Kerze anzuzünden, sich um das Grab zu kümmern, Blumen zu bringen und eine Zwiesprache mit dem Verstorbenen zu halten, so wie dies meine Oma in Innsbruck täglich bei meinem Opa tat.
Wenn dies eben aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geht, auch weil man im Alter Probleme mit dem Laufen oder dem Schwindel haben kann, rate ich immer, falls nicht sowieso schon vorhanden, zu Hause ein Bild aufzustellen, eine Kerze anzuzünden und eben da ins Gespräch zu kommen. Bei mir steht am Eingang eine Buddhafigur und dort brennt noch jeden Tag eine Kerze für meine im Juni verstorbene geliebte Tante. Und weil ich nicht jede Woche nach Innsbruck reisen kann, um dort ans Grab zu gehen, steht ihr Bild neben Blumen und Kerzen bei mir und ich schaue sie immer wieder an und denke an die schöne Zeit, die wir hatten. Manchmal schlage ich statt einer weiteren Sitzung zum Thema Trauerbegleitung eine schöne Entspannungsstunde oder eine heilsame Suggestivhypnose vor, um wieder zur Ruhe zu kommen. Aber immer erwähne ich nach den ersten Sitzungen, wenn das Vertrauensverhältnis aufgebaut ist, dass ich auch eine Trauergruppe hier in Bodolz vor Ort leite, die offen ist für alle,
die Hilfe und Unterstützung benötigen. Die Gruppe war und ist kostenlos und dort konnte natürlich Menschen geholfen werden, die nicht die finanziellen Mittel haben, sich einzelne Sitzungen beim Therapeuten leisten zu können. Und dennoch ist auch eine solche Trauergruppe nicht für jeden etwas, auch das muss man wissen.
Ein Klient meinte gleich zu Beginn der Therapie, sein Thema wäre nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und er ziehe das Einzelsetting vor.
Ein anderer Klient kam einige Mal zu mir ins Einzelsetting, bis es ihm besser ging und er, mit viel Angst zu uns in die Gruppe kam. Dort gefiel es ihm so gut, dass er regelmäßig über einige Monate in die Gesprächsgruppe kam, bis er schrieb, dass er jetzt eine neue Partnerin habe und es ihm sehr gut gehe. Gibt es einen schöneren Grund für eine Abmeldung aus einer Trauergruppe? Ich glaube nicht!
Eine Klientin kam vor drei Jahren zu mir in die Praxis kurz nach Ende des Trauerjahres und sie leidet bis heute sehr unter dem Verlust ihres geliebten Mannes. Obwohl sie aktuell jetzt sowohl in größeren Abständen zu mir in die Praxis als auch regelmäßig in die Gruppe kommt, ist sie immer noch sehr tief in ihrer Trauer verfangen. Auch das gibt es, selten, aber es kommt vor und auch dies hat seine Berechtigung. Wie eine freie Trauerrednerin einmal zu mir gesagt hat: „Zum Glück sind die wenigsten Ehen glückliche Ehen!“. Damals verstand ich ihre Aussage nicht, jetzt schon. In dem Fall stirbt nach fünfzig oder sechzig Jahren glücklicher Ehe die Ehefrau beim Tod des geliebten Mannes mit und auch keine noch so große Kunst kann ihr das Herz für eine neue Liebe öffnen. Aber was macht man in einer Trauergruppe? Redet man da immer nur über den Tod und Krankheiten? Ja, wir reden über den Tod, die Trauer und unsere Gefühle, und nein, das machen wir nicht nur. Wir reden bei Tee über ganz alltägliche Dinge des Lebens, empfangen Gäste, besuchen Einrichtungen, wie das Hospiz, machen zusammen eine kleine Adventsfeier oder lassen uns bei Kuchen und Kaffee in einem Café verwöhnen. Wie habe ich schon oft gesagt: „Wir sind eigentlich sehr lebendig für eine Trauergruppe – zum Glück!“.
Über allem schwebt immer der gemeinschaftliche Gedanke, alles darf bei uns sein und wir sind füreinander da. Hier darf alles angesprochen werden, was uns belastet oder gar quält. Denn wir sind hier wirklich unter Leidensgenossen, die alle wissen, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen verloren zu haben.
Hier ein paar Teilnehmerstimmen aus dem Jahr 2024: - Die Treffen geben mir Stärke.
- Mir tut es einfach gut hier. Es holt mich immer aus meinem tiefen Loch heraus.
- Mir hat am meisten geholfen, dass man mir zuhört und dass ich über meine Probleme reden kann. - Unter Leute zu kommen, Gesellschaft zu haben, neue Kontakte zu knüpfen, hilft mir sehr. - Gleichgesinnte zu treffen und verstanden zu werden, finde ich schön.
- Die regelmäßigen Treffen sind für mich ideal.
Gestartet bin ich im Oktober 2022 mit zwei Anmeldungen und die Gruppe wuchs stetig Monat für Monat auf zwölf Teilnehmer. Bald kamen auch Teilnehmer aus anderen Orten hinzu, die immer liebevoll von den schon alten Hasen aufgenommen wurden. Jetzt nach drei Jahren ist es meiner Ansicht nach Zeit, den nächsten Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Daher wird die von mir gegründete und mit viel Herzblut geleitete Gesprächsgruppe im November kurz nach ihrem dritten Geburtstag zur Selbsthilfegruppe mit einer neuen Ansprechperson. Dadurch kommen die Teilnehmer mehr und mehr ins Handeln, in die Eigenverantwortung und das Leben darf auch da in der Gruppe langsam weitergehen.
Selbstverständlich stehe ich der Gruppe immer mit Rat und Tat zur Seite. Auch im Einzelsetting geht meine Arbeit in der Praxis als Trauerbegleiterin ja weiter.
Alles hat seine Zeit: Es gibt eine Zeit der Freude, eine Zeit der Stille, eine Zeit des Schmerzes, der Trauer und eine Zeit der kostbaren Erinnerung.
Dietrich Bonhoeffer
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, und passen Sie bitte auf sich auf!
Trauerbe- gleitung hilft, Verluste zu verarbeiten – alle Gefühle sind erlaubt.

Barbara Michaela Hux
Heilpraktikerin für Psychotherapie und Trauerbegleiterin mit Praxis in Podolz