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Die Liebe ist kein Sofakissen, sondern eine Herausforderung

2003_04_Die-Liebe-ist-kein-Sofakissen-sondern-eine-Herausforderung

Gedanken zu einer Liebe und Sexualität der Zukunft

Der französische Philosoph Georges Bataille schreibt in seinem Buch »Tränen des Eros«, dass die Liebe so etwas wie ein »kleiner Tod« sei. So sterben wir bis zu unserem psysischen Tod viele Liebestode, werden durch jeden solchen Tod aber wiedergeboren – verändert, erwachsen, reif. So können wir das Leben als ein Geschenk betrachten und mit den Göttern an einem Tisch sitzen, in der ewigen Gegenwart. Wie wunderbar, wenn wir doch nur immer das Geben und Nehmen der Liebe zu lassen könnten! Davor aber stehen so viele Ängste wie ein Schatten verfolgen sie uns auf Schritt und Tritt. Auf dem Weg zum neuen Menschen empfiehlt die Tantralehrerin und Psychotherapeutin, Advaita Maria Bach die Konfrontation und Überwindung dieser »Schattenanteile« mit Mut und Freude


Wenn ich vom »alten Menschen« spreche, meine ich den Typus Mensch, der in seinen festen Weltbildern erstarrt ist, der Werte wie »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« verinnerlicht hat und der »weiß, was sich gehört« oder »was die Leiute denken«, wenn jemand sich daneben benimmt. Er glaubt noch an »die Nation« – nicht an die Weltgemeinschaft der Völker; und an »die Tradition« – dass Werte kulturell austauschbar sind, das weiß er nicht. Seine eigene Kultur ist ihm die nächste und beste und – wenn er so frei ist, das zuzugeben – die einzig gültige. Gedanken zu einer Liebe und Sexualität der Zukunft von Advaita Maria Bach Der französische Philosoph Georges Bataille schreibt in seinem Buch »Tränen des Eros«, dass die Liebe so etwas wie ein »kleiner Tod« sei. So sterben wir bis zu unserem psysischen Tod viele Liebestode, werden durch jeden solchen Tod aber wiedergeboren – verändert, erwachsen, reif. So können wir das Leben als ein Geschenk betrachten und mit den Göttern an einem Tisch sitzen, in der ewigen Gegenwart. Wie wunderbar, wenn wir doch nur immer das Geben und Nehmen der Liebe zu lassen könnten! Davor aber stehen so viele Ängste wie ein Schatten verfolgen sie uns auf Schritt und Tritt. Auf dem Weg zum neuen Menschen empfiehlt die Tantralehrerin und Psychotherapeutin, Advaita Maria Bach die Konfrontation und Überwindung dieser »Schattenanteile« mit Mut und Freude

Der neue/alte Mensch

Sein Beziehungsleben ist einfach strukturiert: Er glaubt an die gute alte Monogamie, die ein Leben haIten sollte selbst, wenn er sich dann mit einer »seriellen Monogamie« abfinden muss. Kann er seinem romantischen Lebensideal, einem Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert, nicht entsprechen, empfindet er sich selbst als gescheitert und muss unglücklich sterben. Jeder neue Mensch trägt die Programmierungen des alten Menschen in sich. Die Eltern geben dem Kind ihre eigenen Überzeugungen erst einmal mit, das lässt sich gar nicht verhindern. So werden unsere unbewussten ImpuIse geformt. Die bewusste Auseinandersetzung damit ist erst sehr viel später möglich. Sich selbst nicht nur eine neue Überzeugung zu Eigen zu machen, sondern sich auch selbst neu zu programmieren, bis ins Unterbewusstsein hinein jenseits des lntellekts - das ist eine lebenslange Aufgabe.

Das Leben als Geschenk

Ich selbst orientiere mich seit 21 Jahren an Oshos Menschbild: »Mein Konzept des neuen Menschen ist, dass er Alexis Zorbas ist und zugleich Gautama Buddha. Er wird sinnlich sein und spirituell, physisch, äußerst physisch, im Körper, in den Sinnen, den Körper genießend und alles, was der Körper ermöglicht, und doch ein großes Bewusstsein, eine großartiges Zeuge- Sein wird da sein. Er wird Christus und Epikur in einem sein.« Oshos Menschenbild ist ganzheitlich orientiert und dabei »allzumenschlich «; die Spaltung von Geist und Fleisch sowie die übertriebene Orientierung am Tod und am jenseits fallen weg; die Schuldgefühle, was die Sexualität betrifft, sind nicht vorprogrammiert; und dennoch ist gerade auf diese Weise ein spirituelles Leben möglich und das tiefe Verlangen der Seele gestillt – das Leben wird als Geschenk genossen! Es ist ein Leben, das beziehungsfähig macht. Der Mensch braucht sich nicht abzuschotten, sondern genießt und kuItiviert seine Sinnlichkeit und Erlebnisfähigkeit. Die körperliche Liebe wird geadelt, der Mensch empfindet sich durch sie göttergleich.

Geborgen in sich selbst

In meiner Praxis als Psychotherapeutin und Tantra-Lehrerin habe ich mit der Erbschaft des alten Menschen ganz viel zu tun, vor allem mit den sexuellen Blockaden und der abgespaltenen Körperlichkeit. Viele Menschen erwarten von einer Liebesbeziehung auch Geborgenheit – eine Qualität, die eigentlich ein Kind braucht, um störungsfrei aufzuwachsen. Ein spirituell gereifter Mensch weiß, dass er letztendlich Geborgenheit nur in sich selbst finden kann, weil es im Leben grundsätzlich keine Sicherheit gibt – außer der Gewissheit des Todes. So ist in der Liebe unbedingte Aufrichtigkeit wichtig, die Vertrauen nach sich zieht, auch wenn Schmerz dabei nicht vermieden werden kann. Wer die Liebe in all ihren beseligenden, aber auch aufwühlenden Aspekten gelebt hat, weiß, dass sie kein Ersatz sein kann für eine schlechte Kindheit. Ein solcher Mensch weiß auch um seine Schattenanteile, die eine solche Kindheit bei ihm im Bezug auf das Verhältnis von Liebe hinterlassen hat – und um eventuelle Hass- Angst-Projektionen, die noch wirksam sind. Nicht, dass er sie unbedingt überwunden haben müsste – aber es ist so viel an Selbsterkenntnis in ihm, dass nicht der Partner sämtliche Schuldzuweisungen abbekommt. Der neue Mensch weiß um die Tatsache von Projektionen und hat eine grundsätzliche Bereitschaft, immer wieder den Schleier der Projektionen zu zerreißen. Dadurch gelingt es ihm, die Liebe von falschen Erwartungshaltungen zu befreien, und er versucht zu verstehen, woher diese kommen. Liebe, in einem sich ewig wandelnden, unverbindlichen Wertekanon, definiert sich selbst neu, weil es dafür keine Vorbilder gibt. Sie hat den Mut zum Irrtum. Neue Wege sind keine Autobahnen, sondern versteckte, noch nicht ausgetretene Pfade! Die Mühe, die individuelle Liebesart zu finden, wird freudig aufgenommen – in ihr liegt die Chance, Freiheit zu spüren und zu leben, eine Freiheit, die so weit ist wie das Blau des Himmels am Tag und so tief wie das Dunkel des Weltalls bei Nacht.

Offenheit und Hingabe

»Wahre Liebe« heißt nicht umsonst so: Sie beruht auf Wahrheit, und zwar nicht der ewigen, sondern der persönlichen – und die hat viele Schattierungen. In der Sexualität ist sie frei von Versagensängsten, denn sie weiß, dass sie nicht »gemacht« wird, sondern entsteht und fließt. Sie ist eher ozeanisch als feurig. Eine neue Sexualität kann mit dem Ego und seinem Selbstbestätigungsdrang nichts anfangen. Sie verzichtet auf den possessiven Anteil der Leidenschaft und lernt Offenheit und Hingabe. Was Macht und Ohnmacht betrifft, so weiß der neue Mensch, dass es in der Liebe nicht darauf ankommt, der Stärkere zu sein oder Recht zu haben. Das allerdings bedeutet keineswegs, dass Konflikte unter den Teppich gefegt werden. Denn Konfrontation wird als Chance zum Wachstum wahrgenommen. Wenn einem der Partner Unangenehmes spiegelt, dann wird nicht gleich die Flucht ergriffen, um nicht kommunizieren zu müssen, sondern wahrgenommen, wo die Meinungen auseinander gehen und weshalb. Eine Beziehung, die tiefer geht, ist nicht immer angenehm. Beispielsweise die Tendenzen, dominant zu sein oder eifersüchtig zu reagieren, sind »Schattenthemen «, aber sie wollen konfrontiert werden.

Die Wahrheit des Herzens

Das neue Liebesverständnis weiß um das tiefe Geheimnis des Menschlichen und orientiert sich an der Wahrheit des Herzens. Ob die Liebe da ist und ob die Wahrheit gesprochen wird bei dem Satz »Ich liebe Dich«, ist dann offenkundig. Das Herz bemüht sich, immer im Hier und Jetzt zu sein, der einzigen Ewigkeit, die es gibt. Nur das Herz kann absolute Präsenz und Zuwendung geben – wenn es die Mauern und eisernen Ringe, die es oft umgeben, durchbricht und Tränen nicht fürchtet oder als Zeichen der Schwäche interpretiert. Der Lohn ist Freude, die bei den Göttern mit am Tisch sitzt. Der neue Mensch weiß, dass Liebe ein Prozess ist und kein Konzept, ein dynamisches Geschehen, das aus der Erstarrung hinausführen möchte. Sie ist kein Sofakissen, sondern eine Herausforderung an alle Ebenen menschlichen Daseins – um immer mehr das Blau und die Weite des Himmels in sich aufnehmen zu können. Tausend Tode sterben aIle, die jemals in das Feuer der Liebe gegangen sind. Wer bereit ist dazu, wird wiedergeboren. Wer dazu nicht bereit ist, der kann nicht wachsen.

Krise und Hoffnung

Ich habe den Eindruck, dass in dieser Zeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise der »alte Mensch« sich noch einmal richtig aufbäumt – weil er Veränderung fürchtet und sich nicht mit der Relativierung alter Werte auseinander setzen will. Und weil sein Konsumdenken ihn beziehungsunfähig macht. Er befindet sich in einer Krise. Aber diese Krise ist eine Chance, kollektiv und persönlich zu reifen. Wenn es uns gelingt, sie als die Geburtswehen des Neuen zu betrachten und wir das Neue so freudig begrüßen wie EItern ihr Neugeborenes – dann haben unsere großen Visionen eine Chance, realisiert zu werden.

 

von Advaita Maria Bach


 

Bereits erschienen in:
Der neue Mensch
Connection Spezial 03/03
Connection Medien GmbH
D-84494 Niedertaufkirchen
www.connection.de