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1001 Geheimnisse für ein stressfreies Leben

Die Leute sagen, du sollst das Leben in vollen Zügen genießen. Das habe ich getan. In der Bahn zwischen Hamburg und Berlin. Ich schleppte mich mit meinem großen Koffer durch den überfüllten Zug, in der Hoffnung, irgendwo doch noch einen Sitzplatz zu ergattern. Voller Einsatz hat sich hier schon oft ausgezahlt.

Genervt ziehe ich in den nächsten Wagen. Ein junger Mann scheint mich gesehen zu haben, denn als ich auf seiner Höhe bin, steht er auf und bietet mir mit einladender Geste seinen Platz an:

„Bitte schön.“ Ganz naiv frage ich ihn: „Warum?“

Er antwortet laut und gut hörbar für alle: „Ich bin jung, ich kann stehen.“

Was?! – brüllt es in mir. Wie wäre denn da der Umkehrschluss: Und du bist alt und musst sitzen? Hey, ich bin erst 46! Das war mein erstes Mal. Das hat gesessen.

Ich frage in die Runde der Mitreisenden: „Ist das gerade gut oder schlecht für mich gelaufen?“ Die meisten lachen. Immerhin. Ein kleiner Trost, mein Humor funktioniert noch. Jetzt, wo ich ins Alter komme, soll ich nichts mehr für selbstverständlich halten.

So unterhaltsam diese Geschichte auch ist – ich hatte Stress. Wenn wir mit einer Situation überfordert sind, die Kontrolle verlieren, die Dinge nicht mehr im Griff haben, dann spricht man von Stress. Dabei ist dieser Stress eine sehr individuelle Angelegenheit. Was den einen anhebt, lässt den anderen vollkommen kalt.

Ich jedenfalls war froh, dass ich über Techniken verfüge, mit denen ich mich schnell wieder „entstressen“ konnte. Diese Techniken möchte ich dir verraten, damit du ebenfalls keiner Situation mehr hilflos ausgeliefert bist und schnell wieder die Kontrolle zurückgewinnst, unabhängig davon, ob dein Stress klein oder groß ist, ob er von dir selbst oder durch andere verursacht wurde.

Der Stress-Notfall-Koffer

Übung 1: Den Stress wegatmen
Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis vier. Atme durch den Mund wieder aus und zähle dabei bis acht. Mache mindestens fünf Wiederholungen.

Das funktioniert auch gut im Gehen, wenn du schnell von A nach B musst und gestresst bist. Dann atme auf vier Schritte ein und auf acht Schritte wieder aus.

Übung 2: Den Stress wegklopfen
Mach eine flache Hand mit durchgestreckten Fingern, als ob du einen Karateschlag ausführen willst. Statt gegen einen Gegenstand schlägst du die Außenkante dieser „Karate-Hand“ im rechten Winkel gegen die Innenseite der anderen flachen Hand. Klopfe, bis sich der Stress aufgelöst hat.

Geheimnis 3: Den Stress abschalten
Schließe deine Augen. Atme ein und rolle deine Augen (hinter den geschlossenen Augenlidern) sanft nach oben, als ob du hochschauen willst. Atme aus und schaue hinter dem geschlossenen Augenlid wieder gerade. Mache fünf bis sechs Wiederholungen.

Wie? Was? Das soll schon alles sein? Das soll bei richtig starkem Stress helfen?

Deine Zweifel sind berechtigt. Normalerweise gilt: Was nichts kostet, ist nichts wert, und was nicht kompliziert ist, kann nicht helfen. Aber Achtung – unterschätze nicht die Wirkung dieser Übungen.

Übung 1:
Die kannst du völlig unbemerkt machen, im Meeting, am Telefon, im Streitgespräch, an der Kasse im Supermarkt, einfach überall. Niemand wird merken, dass du dich gerade regulierst, und das Gefühl von Stress lässt innerhalb einer Minute nach.

Bei Angst- und Panikattacken wende bitte die Übungen 1 und 2 gleichzeitig an. Statt dem Impuls nachzugeben, diese Situation schnellstmöglich zu verlassen, bleibe, wo du bist, atme und klopfe.

Die zauberhafte Einheit von Körper, Geist und Seele

Aber wie kann es sein, dass diese einfachen Übungen tatsächlich wirken? Das funktioniert über die Einheit von Körper, Geist und Seele. Das klingt esoterisch, nicht zuletzt, weil spirituelle Leute dir gern zeigen wollen, wie du diese Einheit findest. Aber da gibt es nichts zu suchen oder zu finden. Die Einheit von Körper, Geist und Seele ist immer da.

Wenn du einen richtig großen Lottogewinn machst, dann wird dir nahegelegt, möglichst keinem davon zu erzählen. Ich frage mich, wie das in der Praxis gehen soll, eben wegen der Einheit von Körper, Geist und Seele. Die Freude über den Gewinn wird riesig sein. Du bist glücklich und das wird man sehen können. Wahrscheinlich wirst du den ganzen Tag grinsen und bekommst diesen wippenden, federnden Gang. Du brauchst es gar keinem zu sagen, jeder wird sehen, dass bei dir etwas Großartiges passiert ist.

Es ist das Gleiche, wie wenn du verliebt bist. Da kommt dann noch der leicht verklärte Blick dazu. Aber auch, wenn deine Kollegin am Montag mit leicht gebeugter Haltung ins Büro kommt und einen eingefrorenen Blick hat, dann weißt du, was bei ihr am Wochenende wieder los war. Das heißt, jeder Gemütszustand ist am Körper abzulesen.

Es gibt keine intimere Beziehung als die zwischen Körper und Seele

Die unzertrennliche Einheit von Körper, Geist und Seele kannst du hervorragend zur Entspannung nutzen. Wenn du deinen Geist mit Meditation, autogenem Training oder beruhigender Musik ansprichst, dann wirst du innerlich ruhig und kurze Zeit später wird dein Körper folgen und sich ebenfalls entspannen. Den Geist zu beruhigen, um den Körper zu entspannen, ist ein Weg, aber leichter ist der umgekehrte Weg. Entspanne deinen Körper und dein Geist wird folgen. Die Wechselwirkung besteht immer in beide Richtungen.

Das vermittle ich in meinen Seminaren und freue mich jedes Mal wieder, wenn es aufgeht. Ich lade die Teilnehmenden zu einer Runde Qigong ein. „Die 18 Bewegungen der Harmonie“ sind eine einfache Bewegungsabfolge, die Ungeübte sofort umsetzen können. Die einzige Herausforderung ist das Tempo der Bewegungen.

Das ist nicht etwa hoch. Es ist genau das Gegenteil davon, nämlich eine Art Zeitlupe. Für Menschen, die das Tempo der westlichen Welt gewohnt sind, ist das eine echte Herausforderung. So sind die ersten Minuten für manche unerträglich. Sich dermaßen langsam zu bewegen, können sie kaum aushalten, und es kostet sie paradoxerweise größte Anstrengung. Aber wenn sie zulassen, dass sich der Körper in der Langsamkeit entspannt, dann sind viele erstaunt, wie relaxt sie sich auf einmal auch mental fühlen.

Der Stress-Notfall-Koffer setzt genau hier an: Du bringst deinen Körper in einen entspannten Zustand und wirst daraufhin auch innerlich zur Ruhe kommen. Der Stress-Auslöser selbst ist dabei irrelevant.

Ist Stress noch zeitgemäß?

Vor Millionen von Jahren war die Stressreaktion die Grundlage unseres Überlebens. Sobald eine Gefahr bestand, wurden Stresshormone produziert, die Unmengen an Energie freisetzten, um das Überleben zu sichern.

Obwohl wir heute keiner realen Lebensgefahr mehr ausgesetzt sind, produzieren wir den ganzen Tag Energie, die uns für den Kampf- oder Fluchtmechanismus zur Verfügung steht. Doch anstatt diese Energie abzuarbeiten, bleiben wir fein hinterm Schreibtisch oder Lenkrad sitzen, obwohl wir innerlich kochen. Dafür ist der Deutsche bekannt: immer schön brav und pflichtbewusst.

Stelle dir mal eine Italienerin vor, wie sie mitten auf der Straßenkreuzung aus ihrem Auto steigt, herumbrüllt und die Lage ein für allemal klarmacht. Stressbewältigung auf Italienisch – großartig! Nichts mit Ruhe bewahren und lösungsorientiert denken. Das geht auch gar nicht, denn unter Stress schaltet unser Großhirn ab und das Reptilienhirn übernimmt.

Der Vorteil: Jetzt bist du in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen. Der Nachteil: Die Fehlerquote ist unglaublich hoch. Übrigens schaltest du auch dann in diesen Reptilienhirn-Modus um, wenn du verliebt bist. Wie war das noch gleich? Dann bist du in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen, aber die Fehlerquote ...

Egal, ob Verliebtsein, Hochzeit oder eine Fahrt mit der Achterbahn – die Stresskette wird aktiviert. Dein Körper macht keinen Unterschied, ob es sich um sog. positiven oder negativen Stress handelt. Es läuft immer aufs Gleiche hinaus. Kalte Hände, Kurzatmigkeit, das Herz schlägt dir bis zum Hals – nichts als Stress-Symptome.

Wer hat sich für das Verliebtsein nur das schöne Bild von Schmetterlingen im Bauch ausgedacht? Du wirst mir zustimmen, es handelt sich eher um einen Tornado, der in einem tobt. Auch beim „Stress“ durch Verliebtsein wird ein hohes Maß an Energie zur Verfügung gestellt, um blitzschnell auf die „Gefahr“ mit Kampf oder Flucht reagieren zu können. Wissen wir zu diesem Zeitpunkt etwa schon, dass es besser wäre, jetzt schleunigst die Beine in die Hand zu nehmen und zu flüchten, um später dem ganzen Herzschmerz, Leid und Ärger zu entkommen?

Tanz der Hormone

Was denkst du, wie lange sind die Stresshormone in deinem Körper noch aktiv, wenn du sie aussitzt und nicht körperlich abreagierst? Was glaubst du, wie lange braucht die Biochemie, bis die Hormone wieder abgebaut sind? Anders gefragt: Wie lange fühlst du dich gestresst? Sechs Stunden? Eine Nacht? Drei Tage? Eine ganze Woche?

Im Prinzip sind es nur 1,5 bis 2 Stunden, bis der Körper sich wieder reguliert hat. Aber machen wir uns nichts vor: Bei deinem stressigen Alltag steht in dieser Zeit doch schon der nächste Stress vor der Tür, klopft an und macht dir das Leben zur Hölle. Also steigen die Stresshormone wieder an, denn der moderne, hektische Lebensstil erlaubt keine Pausen. Der Cortisol-Spiegel im Blutkreislauf bleibt erhöht und der Stress wird chronisch.

Es gibt Menschen, die von Stresshormonen abhängig sind, um überhaupt ein Gefühl von Lebendigkeit zu spüren, und das lassen sie sich von niemandem nehmen. Es ist die Sucht nach Adrenalin, um sich wach und leistungsfähig zu fühlen.

70 % der Menschen in den westlichen Ländern sind permanent gestresst, leben also immer in einer Art Überlebensmodus. Bei ihnen befindet sich der Körper grundsätzlich im Ausnahmezustand, als ginge es um Leben oder Tod.

Gehörst du auch dazu?

Aber es ist nicht die Menge der Arbeit, die den alltäglichen Stress verursacht, sondern der Mensch, der sich deswegen unter Druck setzt.

Dieser Mensch, der bist du – oder?

Marlis Maria Brehmer:
Die Verführung aus dem Bauch – 1001 Geheimnisse für ein stressfreies Leben.

Der autobiografische Ratgeber zeigt, wie einfach moderne Stressbewältigung sein kann, um langfristig Burnout und Erschöpfung zu vermeiden. Dabei geht es im Buch alles andere als schwermütig zu. Neben den praktischen Tipps gibt es unterhaltsame Geschichten aus Orient und Okzident.

Das Buch ist eine gute Empfehlung für Patienten als Einstieg in die Thematik Stressbewältigung und Burnout.

Marlis Maria Brehmer
Dipl.-Pädagogin, Keynote-Speakerin, Heilpraktikerin und Bauchtänzerin

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