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Gefühle

2016 02 Gefuehle1

Wissen Sie was? Es geht immer um Gefühle. Aufrichtige Gefühle. Benutzte Gefühle. Aufkeimende und aufblühende Gefühle. Verletzte Gefühle. Gefühle der Macht und der Ohnmacht. Gefühle der Angst und der Besorgnis. Hochgefühle. Minderwertigkeitsgefühle. Schuldgefühle. Mitgefühle. Verwirrte Gefühle. Lustgefühle. Gefühle aus der Vergangenheit bezogen auf die Zukunft. Es gibt sogar das Gefühl der Gefühllosigkeit ...

fotolia©tourneeEs ist uns oder sagen wir manchen nicht bewusst (denn jaja, wir alle sind wunderbare Verdränger) – aber das ganze Leben, der ganze Mensch richtet sich nach Gefühlen, nach Bedürfnissen aus, verwoben mit der einfachen Tatsache, dass sich der Mensch seiner selbst bewusst ist und fühlt, sich fühlt. Umso wichtiger ist es, dass man seine Gefühle wahrnimmt und kennt. Der Mensch wird sich seiner Gefühle bewusst und lebt im Einklang mit ihnen. Oder eben auch nicht.

Selbst der – sagen wir mal abgeklärteste, skrupelloseste Manager mit abgestumpften Gefühlen hat ein Herz – und wohl ein Problem. Je nach Ursprung und Vergangenheit, nach Gedankenmustern und Lebenswelten empfinden wir Menschen und fühlen uns durchs Leben. So wie wir uns fühlen, so gehen wir mit uns selbst um – aber nicht nur mit uns selbst, sondern auch mit anderen. Auch wenn sich komischerweise das Gerücht in einigen Fällen hartnäckig hält, Gefühle hätten etwas mit Schwäche zu tun und würden „nur Ärger machen“: ein Leben ohne Gefühle? Was wäre das für ein Leben?

Sie haben ein natürliches Navigationssystem: Ihre Gefühle!

Warum fühlen wir uns manchmal unbehaglich, sind wütend, unsicher, fühlen Antipathien oder Missstimmungen? Warum sind wir eigentlich nicht dankbar dafür, dass wir aus diesem Gefühl heraus ins Denken und dadurch vielleicht ins Umdenken kommen? Unser Leben wird durch Gefühle gelenkt. Wir streben – wie soll es auch anders sein – nach dem Gefühl, einen Platz in dieser Welt zu haben, und nach Glücksgefühlen. Nach dieser Art von Bedürfnisstillung. Wir lassen Gefühlen freien Lauf und lassen sie zu oder negieren und unterdrücken sie. Man hält Gefühle aus, lernt mit ihnen umzugehen und manch einer spricht sogar über sie.

Wann haben Sie denn das letzte Mal über Ihre wahren Gefühle gesprochen? Sie wissen ja: Gefühle schaffen Beziehung. Gefühle können sie aber auch zerstören oder eine Beziehung zerbricht, wenn man nicht über seine Gefühle und Bedürfnisse spricht. Gefühle navigieren durchs Leben und wer auf sein Gefühl hört, wählt nicht immer den schlechtesten Weg. Gefühle machen etwas mit uns und wir machen etwas mit Gefühl(en). Jedes Gespräch mit psychotherapeutischem Hintergrund ... ach, was sage ich. Alles, was wichtig ist ... ist immer mit im Spiel: Gefühle. Gefühle. Gefüüühle.

Da merkt man erst, welchen Stellenwert Gefühle in unserem Leben haben und entwickelt vielleicht ein Gespür dafür, wie wichtig es ist, Menschen aufzufangen, die sich ihrer Gefühle nicht sicher sind oder nicht wissen, ob sie so fühlen dürfen, wie sie fühlen. Menschen und ihre Gefühle – das ist nicht nur mein Thema. Das ist das Thema von uns allen. Jeden Tag. Also sollten wir uns auch die Mühe machen, unsere Gefühlswelt zu erkunden und eingehend zu betrachten. Das ist nicht immer leicht oder von positiven Gefühlen geprägt – hat ja auch keiner behauptet. Doch es gibt viele Menschen, die das für sich möchten.

Vor einiger Zeit benötigte ich für eine Projektarbeit eine emotionalansprechende Anzeige. Ich suchte Probanden, die das Gefühl der Ruhelosigkeit bearbeiten würden. Ich wollte eine Zweitmeinung zu meiner Aufgabe einholen und fuhr zu einer Bekannten. Sie ist Künstlerin. Wir tauschen uns hin und wieder gerne darüber aus, wie wirkungsvoll Kunsttherapie zum Einsatz gebracht werden kann. Gefühle, das Innen, wird nach außen gebracht – werden zum Ausdruck und zur Momentaufnahme. Man bannt seine Gefühle auf die Leinwand. Man kommt durch das Gespräch über das Gemalte an Gefühle heran. Wann haben Sie das letzte Mal frei gemalt und gestaltet?

Keine Ahnung, welche Gefühle Sie gerade hegen. Gemischte? Ich habe dann jedenfalls nach unserem Gespräch entschieden, meine Annonce selbst zu gestalten. Ich brauchte einen Hintergrund für meinen Text. Es sollte etwas Persönliches und Authentisches sein. Ich malte ohne nachzudenken drauflos: eine sattgrüne Blumenwiese mit einem wolkenlosen türkisfarbenem Himmel.

Und: eine absolut unrealistische, das halbe Blatt ausfüllende Riesen-super-duper-Wonne-Sonne. Ich grinste über beide Ohren und fühlte mich mit meiner Botschaft gut, als wäre ich diesem Traumszenario gerade eben entsprungen. Zum Schluss schrieb ich mit einem dünnen Pinsel eine Headline in das Gelb:

„Bist du wirklich glücklich?“

Sind Sie wirklich glücklich? Ich glaube, dass man mal öfter in sich hineinschauen und sich (hinter)fragen sollte: Bin ich wirklich glücklich? Und wenn nicht – warum? Die Frage zu meinem Projekt diente jedenfalls vielen Menschen als Ansatzpunkt. Zwei Stunden nachdem ich die Anzeige veröffentlicht hatte, heizte sich mein E-Mail-Postfach auf, denn da wollten ganz viele Menschen über ihre Gefühle reden. Über Gefühle, die sie beunruhigten oder quälten. Sie alle wollten ihre Gefühle bearbeiten und sich besser kennenlernen, um dem Glück näherzukommen.

Über Gefühle sprechen – gar nicht so einfach. Gefühle verstehen? Noch schwieriger. Aber: Es gibt Unterstützung.

Kann ich mich und meine Gefühle ändern? Will ich etwas ändern? Mit wem kann ich darüber sprechen? Kann ich darüber sprechen? Möchte ich für die Gefühle anderer Menschen leben oder für meine eigenen?

Das sind Fragen verbunden mit Gefühlen. Darum geht‘s. Warum sprechen die Menschen nicht über ihre Bedürfnisse und Gefühle in ihren Beziehungen? Warum stehen da so oft enttäuschte Erwartungen? Warum fühlen wir uns nicht gut genug? Warum sind wir annehmend, statt selbst unsere Gefühle zu leben? Warum fällt es uns doch immer wieder so schwer, die richtigen Worte, den richtigen Zeitpunkt oder die Ruhe und Zeit dafür zu finden, auszusprechen und anzunehmen, was da ist? Warum stecken wir so oft im Gefühlschaos fest? Warum gehen wir so durch das Leben und nicht anders? Menschen und ihre Gefühle treffen aufeinander. Das ist doch das Leben. Deshalb tun wir das, was wir tun. Oder nicht?

Ist auch echt anstrengend, nicht wahr? Manchmal. Und so schön! So facettenreich.

In uns allein steckt alles, was wir brauchen!

Wie fühlen Sie sich denn heute? Oder gebräuchlicher: Wie geht es Ihnen? Gut? Schlecht? Geht so? Weiß nicht? Aber was heißt das genau? Was heißt denn „sich gut fühlen“? Schauen Sie nicht so irritiert. Die Frage habe ich auch schon gestellt bekommen. Ich denke, es gibt unwichtigere Dinge, für die man seinen Kopf zum Einsatz bringen könnte. Aber wie heißt es so oft: „Kopf aus, Herz an.“ Bauchgefühl ein. 7. Sinn auf Testmodus.

Menschen möchten über Gefühle reden und dann doch wieder nicht. Menschen sind dankbar dafür, Unterstützung dabei zu finden, über Gefühle und ihre Bedürfnisse sprechen zu lernen. Und es gibt Menschen, die dafür dankbar sind, Unterstützung dabei zu geben, über Gefühle und Bedürfnisse sprechen zu lernen und sich seiner Gefühle, seines Egos bewusst zu werden. Wir sind selbst für unsere Gefühle verantwortlich. Für unser Leben. Denn in uns allein steckt alles, was wir brauchen. Und das alles, das ist, was wir fühlen, denken und tun. Noch Fragen?

Gefühle werden verletzt oder Gefühle werden entfl ammt. Gefühle sind unkontrolliert und doch lassen sie sich kontrollieren. Gefühle fördern das Marketing, den Kapitalismus und sind Grundlage für so viel Schönes, aber auch Unschönes in dieser Welt wie Kampf, Krieg und Kummer. Wer schaltet bei diesen ganzen Gefühlen denn mal den Kopf aus, wenn man darüber so viel nachdenken muss? Aber lassen Sie sich sagen: Es ist nicht allein das Nachdenken. Nein, damit ist es nicht getan. Es sind das Herz und ebenso der Verstand, die zusammenspielen sollten. Schauen Sie mal in sich hinein. Wie oft dachten Sie im Nachhinein: „Hätte ich doch auf mein Bauchgefühl gehört.“

Das ist schon so `ne Sache: unsere Gefühle und die Gefühle der anderen Menschen

Warum gibt es Fremdenhass? Warum gibt es Konkurrenz und Neidgefühle, überall wo man hinschaut und hineinfühlt? Warum sind wir nicht zufrieden mit dem, was wir haben? Warum konzentrieren wir uns auf die Fehler anderer Menschen und nicht auf uns? Warum, frage ich Sie, verletzen wir andere Menschen mit Absicht? Warum gestehen wir anderen Menschen nicht andere Gefühle zu? Immer mehr Menschen sind ziellos und vertrauen ihren Gefühlen nicht. Sie vertrauen nicht sich selbst und anderen Menschen schon gar nicht. Letzten Endes und eigentlich ganz einfach immer auf der Suche nach sich und dem Gefühl, das einem sagt: Alles ist gut. Alles wird gut.

Doch nur der Stärkste gewinnt das Weibchen, das Geld oder das Land und wird mit subjektiv für gut befundenen Gefühlen belohnt. Nur wer sich gegen seine Konkurrenz im Markt behauptet und durch Emotionalisierung und Aufwertung Versprechen über seine eigene Person oder das Subjekt als solches kreiert – nur der macht Gewinne. Gewinne treiben den Neurotransmitter- und den Hormonhaushalt an. Tschüss Minimalismus und Empathie. Hallo Egoismus. Und jetzt defi nieren Sie mir doch mal Menschlichkeit im Jahre 2016? Mancher Philosoph ist über dergleichen Gedanken gestolpert und letzten Endes in eine Melancholie hineingefallen.

Na gut, es gibt auch immer Treppen und Unterstützer heraus aus dem dunklen Loch einer Sinnkrise oder Depression. Aber das Bewusstsein über Gefühle und der Verstand – das sind kostbare Gaben, die man gut zu betrachten hat. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen nicht mehr hinsehen und hinhören möchten. Aber gerade jetzt, liebe Menschen, lasst uns hinsehen, hinhören und fühlen. Für mehr Menschlichkeit. Für Sie. Für uns. Fürs gute Gefühl.

Jenny Miosga Jenny Miosga
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Geprüfte Psychologische Beraterin, Dozentin, Journalistin

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