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Ein Ressourcen-Team erstellen

Die Methode

Ich beschreibe nachfolgend meine eigene Interpretation und Anwendung einer Übung von Michaela Huber aus dem Buch „Der innere Garten“ (Junfermann Verlag). Diese Übung ist eine der Methoden, die ich in meinem Buch „10 Systemische Methoden für die Praxis“ darstelle.

Ich wende sie dann an, wenn Klienten (immer m/w/d) vor einer Situation stehen, die es zu bewältigen gilt und die momentan Unsicherheit, Angst o. Ä. auslöst, z. B. ein Termin beim Chef, ein Gespräch mit dem Partner, ein anstehender Krankenhausaufenthalt usw. Somit dient diese Übung zur Stärkung und kann durchaus bei allen Klienten angewendet werden.

Das Arbeitsmaterial

Bodenscheiben, Teppichfilze z. B. in quadratischer, rechteckiger und dreieckiger Form und in verschiedenen Farben.

Live-Arbeit: Ressourcen-Team erstellen (hier ein „Mut-Team“)

Der Klient, Herr Clemens, 43 Jahre, verheiratet. Er ist in führender Position eines Automobilherstellers tätig. Ihm unterstehen 50 Mitarbeiter und er kommt mit folgendem Thema: Er möchte einen Teilprojektleiter, Herrn Grünwald, der ein Technik-Team in einem Projekt führt, umpositionieren zum Sachbearbeiter im Engineering, was quasi eine „Degradierung“ des Mitarbeiters mit sich bringt.

Therapeutin: Herr Clemens, wie geht es Ihnen mit dieser Situation jetzt?

Klient: Ich weiß nicht so recht, wie ich das Ganze angehen soll. Herr Grünwald ist jetzt sechs Monate auf dieser Position und ich gehe davon aus, dass er nicht begeistert sein wird, wenn ich ihm mitteile, dass ich ihn auf seiner jetzigen Stelle nicht mehr haben möchte.

Was für ein Gefühl spüren Sie möglicherweise gerade in Ihrem Körper?

Unsicherheit und, ja, ich fühle mich auch nicht wohl bei dem Gedanken, dieses Gespräch mit Herrn Grünwald führen zu müssen.

Die Zielformulierung – der Auftrag

Was wäre ein gutes Ergebnis für Sie nach dieser Stunde mit mir?

Dass ich mich irgendwie sicherer fühle und auch gestärkter.

Sie möchten sich sicherer und gestärkter fühlen? Wenn Sie sich vorstellen, Ihr Mitarbeiter kommt zum Gespräch – welche Eigenschaft würden Sie dann gerne in sich spüren?

Mut! Gleich schon mal im Vorfeld mutig genug zu sein, dieses Gespräch zu erbitten bzw. zu fordern und dann auch während des Gespräches diesen Mut in mir zu spüren.

Ich habe gerade den Gedanken, mit Ihnen eine Übung durchzuführen, die sich „Ressourcen-Team erstellen“ nennt. In Ihrem Fall ist es ein Mut-Team, das ich mit Ihnen erarbeiten möchte. Dabei verwende ich diese Teppichfilze ... (ich zeige auf die verschiedenfarbigen Teppichzuschnitte, die am Boden liegen). Am Ende der Übung werden diese stellvertretend für verschiedene Personen usw. irgendwo um Sie herum liegen. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht verraten … Können Sie sich vorstellen, sich auf diese Übung mit mir einzulassen?

Ja, warum nicht, auch wenn ich nicht weiß, was da jetzt genau passieren wird.

Prima, dann dürfen Sie zunächst mit mir aufstehen und sich hier im Raum einen Platz suchen. Reisen Sie gedanklich mal zurück, bis Sie zu einer Situation kommen, in der Sie mutig gewesen sind. Und wenn Sie eine Situation gefunden haben, dann schildern Sie mir diese bitte.

Ich bin für meine Firma vor einigen Jahren für zwei Jahre im Ausland gewesen. Damals bat ich meinen Vorgesetzten um eine Aussprache. Er hatte mich zuvor in für mich kritischen Situationen nicht unterstützt. Ich beschrieb ihm die entsprechende Situation und seine Rolle dabei, auch wie ich mich dabei gefühlt hatte und was die Auswirkungen seines Verhaltens für mich waren.

Wie haben Sie sich in dem Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten gefühlt?

Zuvor etwas aufgeregt, aber im Gespräch ging es mir dann zunehmend besser und ich war klar und selbstsicher.

Und mutig!

Herr Clemens lächelt.

Dann dürfen Sie sich stellvertretend für diese Situation, in der Sie damals mutig gewesen sind, einen Teppichfilz aussuchen.

Der Klient wählt einen gelben Kreis.

Stellen Sie sich bitte auf diesen Teppichfilz. An der Stelle waren Sie mutig und haben Ihren Vorgesetzten um ein Gespräch gebeten. Sie waren klar und selbstsicher im Gespräch. Wie fühlt sich das für Sie an auf diesem Platz?

Gut.

Haben Sie auch andere Worte für „gut“?

Ich fühle mich sehr stabil hier, stehe mit beiden Beinen auf dem Boden.

Gibt es sonst ein Gefühl, vielleicht auch ein Körpergefühl?

Wie ich schon sagte, ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden. Und ich fühle mich auch sicher.

Sie stehen auch ganz aufrecht da. Gibt es eine Person aus Ihrer Vergangenheit, die mutig war?

Ein früherer Chef von mir, Herr Gonzalez.

Aha, und Herr Gonzalez war ein mutiger Mann?

Ja, wenn ich jetzt so an ihn denke, sehe ich ihn stets als klaren und aufrechten Mann, der jede Situation erhobenen Hauptes und voller Kraft angegangen ist. Er hatte scheinbar keine Angst – vor nichts. Er lacht und schüttelt dabei den Kopf. Der Mann war schon unglaublich!

Ich sehe schon, der Mann hat Sie beeindruckt ... Dann suchen Sie sich bitte stellvertretend für Herrn Gonzalez einen weiteren Teppichfilz aus.

Herr Clemens wählt ein rotes Quadrat.

Legen Sie den Teppichfilz da um sich herum hin, wo es für Sie passend erscheint.

Der Klient legt ihn links neben sich.

Links von Ihnen steht jetzt Herr Gonzalez. Können Sie ihn wahrnehmen und sehen?

Herr Clemens grinst … Erstaunlicherweise ja.

Wie fühlt sich das jetzt an für Sie?

Da kommt jetzt so eine kraftvolle Energie von links.

O.k. Welche Person aus dem öffentlichen Leben würden Sie als mutig bezeichnen? Das kann ein Schauspieler, eine Schauspielerin sein, ein Politiker, eine Politikerin …

Peter Sagan.

Wer ist das?

Peter Sagan ist einer der besten Radfahrer. Der Profi-Radsport ist ein hartes Geschäft und Peter Sagan ist stark und kraftvoll, er optimiert sich und sein Material fortwährend, hat ein gutes Gespür für das Rennen und greift mutig und konsequent an.

Suchen Sie sich bitte für Peter Sagan wieder einen Filz aus und legen Sie ihn dahin, wo es passend für Sie erscheint.

Er wählt ein grünes Rechteck und legt dieses rechts von sich auf den Boden.

An welches Tier denken Sie, wenn es um ein mutiges Tier geht?

An einen Tiger.

Wählen Sie auch für einen Tiger wieder einen Teppichfilz aus und legen Sie ihn wieder an den entsprechenden Platz.

Er wählt ein rotes Dreieck und legt es rechts schräg hinter sich.

Wie ist das jetzt für Sie, wenn Sie sich so umsehen?

Da verändert sich schon etwas. Das fühlt sich jetzt schon anders an für mich.

Wie denn?

Kraftvoller.

Ah, o.k. Dann kommen wir jetzt zur letzten Auswahl. Wer kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an eine weise alte Frau oder an einen weisen alten Mann denken?

Gandhi.

Welchen Teppichfilz möchten Sie für ihn wählen?

Er wählt einen grauen Kreis und legt ihn links hinter sich.

Jetzt ist Ihr Mut-Team komplett. Schauen Sie sich um und fühlen Sie hin, wie das jetzt für Sie ist.

Ja, das ist interessant und spannend, die alle neben mir und um mich herum zu haben.

Und wie fühlt es sich an?

Ich fühle mich nicht mehr alleine, sondern begleitet und dadurch gestärkt.

Ihr Blick ist gerade. Ihre ganze Haltung ist aufrechter. Sie fühlen sich gestärkt, das kann ich erkennen. Gibt es sonst noch eine Empfindung, jetzt, wo Sie Ihr MutTeam um sich herum stehen haben, also Herrn Gonzalez, Peter Sagan, den Tiger und Gandhi?

Es ist fast so, als würde ich von hinten geschoben werden. Ich kann gar nicht anders, als vorwärtszulaufen. Lächelt.

Fühlen Sie sich selbst jetzt auch mutiger?

Ja klar, ich könnte jetzt sofort loslaufen.

Dann kommen wir jetzt zur zweiten Runde dieser Übung. Da geht es darum, dass Ihnen von den Mitgliedern Ihres Mut-Teams jetzt jeweils ein Satz gesagt wird. Jedes Mitglied kennt Ihre Situation und darf Ihnen jetzt einen Satz dazu sagen, einen Rat, eine Weisheit … Was sagt Ihnen Herr Gonzalez?

„Go on!“

Und was sagt Peter Sagan?

„Improve your business.“ (Verbessern Sie Ihr Geschäft/Ihre Tätigkeit/Ihre Aufgabe.)

Und der Tiger?

„Greif an!“

Was sagt Gandhi zu Ihnen?

„Tu, was zu tun ist.“

Gut, wir kommen jetzt langsam zum Abschluss. Ich lese Ihnen jetzt alle Sätze, die von den Mitgliedern Ihres Mut-Teams gesagt wurden, zweimal vor. Sie können dabei die Augen schließen, wenn Sie möchten. Ich spreche langsam, mit kurzen Pausen dazwischen und wiederhole zweimal hintereinander alle formulierten Sätze. Danach verweilt Herr Clemens noch etwas.

Wie war das jetzt für Sie, die Sätze noch mal zu hören?

Das ging richtig rein, das war spannend.

Beschreiben Sie mir ein letztes Mal, wie Sie sich fühlen?

Es ist so eine Kraft von allen Seiten da, ich fühle mich stark und mutig.

Im Hinblick auf das anstehende Gespräch, was Sie mit Ihrem Mitarbeiter, Herrn Grünwald, führen müssen – was kommt Ihnen da jetzt?

Los geht’s! Wir lachen beide.

Gibt es ein Wort, einen Satz oder eine Geste, die es Ihnen ermöglicht, sich dieses Gefühl immer wieder herholen zu können? Das nennt man „einen Anker setzen“.

Ich speichere mir die Sätze als Hintergrund in meinem Smartphone ab.

Das ist eine gute Idee. An dieser Stelle beende ich die Übung und Sie können sich gerne mit mir hinsetzen. Wir setzen uns wieder gegenüber.

Was an der Übung war möglicherweise hilfreich für Sie?

Ich hätte es ja nicht geglaubt, aber ich konnte die verschiedenen Personen und den Tiger sehr gut wahrnehmen neben mir und um mich herum. Hilfreich waren auch die gesprochenen Sätze.

Sie können jetzt im Alltag versuchen, sich Ihr Mut-Team immer wieder herzuholen. So, dass es keine Schwierigkeit sein wird, alle zu aktivieren, wenn Sie das Gespräch mit Ihrem Mitarbeiter führen oder auch sonstige herausfordernde Situationen zu bewältigen haben.

O.k, ja, werde ich ausprobieren.

Dann sind wir mit der Übung fertig und Sie können die Bodenfilze gerne fotografieren, wenn Sie das möchten.

Dann sag ich erst mal vielen Dank.

Sehr gerne!

Hinweis: Sie können Klienten auch ermuntern, zu Hause eine Collage zu erstellen oder das Team zu malen.

Jacqueline Kienast-Klinger:
10 Systemische Methoden für die Praxis
– lesen, verstehen üben, anwenden.
Verlag epubli

Jacqueline Kienast-Klinger
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Familien-Aufstellungsarbeit, Systemische Beratung, Lebens- und Sozialberaterin Dozentin an den Paracelsus Schulen
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