Das Seelenfenster
Das Seelenfenster ist ein in vielseitiges Werkzeug für einen gelungenen Therapiebeginn. Es ist ein leicht verständliches Therapietool, das durch ein klares Bewertungssystem problematische Lebensthemen, aber auch Ressourcen sichtbar macht. Gerade mit therapieunerfahrenen Klienten kommen Sie mit diesem Tool auch bei schwierigen Themen leicht ins Gespräch. Es ist ein in liebevoller Handarbeit hergestelltes Tool aus Holz, das Wärme und Natürlichkeit ausstrahlt.#
Mit den sieben Edelsteinen, die jeweils einen bestimmten Lebensbereich symbolisieren, entsteht ein individuelles und aussagekräftiges Bild über die „Baustellen“ und Ressourcen der Klienten, das als Ausgangspunkt für tiefergehende Gespräche dienen kann – gerade beim Therapiebeginn.
Wie funktioniert das Seelenfenster in der Therapie?
In der Therapiesitzung wird das Seelenfenster als eine Art „Landkarte“ der inneren Welt genutzt. Die Ratsuchenden werden eingeladen, die Kugeln entsprechend für die einzelnen Lebensbereiche so anzuordnen, dass sie ihre aktuelle Lebenssituation widerspiegeln. Dazu werden klare Bewertungskriterien wie: sehr gut, gut, neutral weniger gut und schlecht verwendet. Durch die freie Anordnung der Kugeln entsteht ein individuelles und aussagekräftiges Bild über die aktuelle Lebenslage und es können sowohl positive Aspekte (z. B. Ressourcen, Ziele) als auch Herausforderungen (z. B. Konflikte, Ängste) visualisiert werden. Vorteile des Seelenfensters für den Therapiebeginn
Schnelle Beziehungsgestaltung: Das Seelenfenster schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre und ermöglicht einen schnellen Zugang zur Lebenssituation des Klienten. Ressourcenaktivierung: Indem sich die Klienten ihre Stärken und Ressourcen bewusst machen, wird ein Gefühl der Selbstwirksamkeit gefördert. Das Seelenfenster kann dabei helfen, verborgene Potenziale zu entdecken und zu nutzen.
Problemklärung: Durch die Visualisierung der aktuellen Situation können komplexe Probleme vereinfacht und besser verstanden werden. Das Seelenfenster bietet eine strukturierte Möglichkeit, die verschiedenen Aspekte der Lebensbereiche zu betrachten.
Motivationssteigerung: Die aktive Gestaltung des Seelenfensters gibt den Klienten ein Gefühl der Kontrolle und Eigenverantwortung. Dies kann die Motivation zur Veränderung erheblich steigern.
Praxisbeispiel: Der überforderte Vater
Frank M., 32 Jahre alt, verheiratet, Vater einer kleinen Tochter, momentan arbeitslos, fühlt sich immer öfter mit seinen Problemen überfordert, zieht sich zurück und bekommt oft Streit mit seiner Frau. Er kommt zur Therapie, weil er aus eigener Kraft keinen Ausweg aus seiner Lage sieht.
Der Einsatz des Seelenfensters
1. Vorstellung: Der Therapeut stellt Frank das Seelenfenster vor und erklärt die Möglichkeit, einzelne Lebensbereiche mithilfe der Kugeln zu bewerten.
2. Anordnung der Kugeln: Er wird gebeten, die Kugeln so anzuordnen, dass sie seine aktuelle Situation in sieben Lebensbereichen widerspiegeln. Die Lebensbereiche
Beziehung zu sich: Hier erzählt Frank, dass er sich oft bis über seine Grenzen belastet. Der momentane Umbau des kürzlich gekauften Hauses lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Er setzt sich sehr unter Druck mit allem. Diesen Lebensbereich bewertet er mit „schlecht“.
Soziale Kontakte: Er bedauert, dass er sich seit einiger Zeit immer mehr zurückgezogen hat und seine guten Kontakte und Freundschaften, die ihn gerne unterstützen würden, sehr vernachlässigt hat. Er bewertet diesen Bereich mit gut.
Beziehung: Er streitet häufig mit seiner Frau, weil er sich oft zurückzieht und sie dann gar nicht weiß, was mit ihm los ist und wie sie damit umgehen soll. Das bedauert Frank sehr, weiß aber nicht, wie er das ändern kann. Denn eigentlich hat er einen sehr guten Kontakt zu seiner Frau und sie unterstützt ihn, wo sie kann. Diesen Lebensbereich bewertet er mit „sehr gut“. Geld: Durch seine Arbeitslosigkeit spürt er deutlich die finanziellen Einbußen. Der Umbau des Hauses gerät ins Stocken und das macht ihn unzufrieden. Andererseits reicht das Geld aber zum Leben und sie kommen trotz allem über die Runden. Diesen Bereich bewertet er mit „weniger gut“. Freizeit: Dieses Thema ist ihm momentan nicht so wichtig. Er hat zwar nicht viel Zeit zur freien Verfügung, aber Frank kümmert sich dafür sehr um seine kleine Tochter. Diesen Bereich bewertet er mit „neutral“. Gesundheit: Er hält sich für körperlich leistungsfähig, fühlt sich aber oft müde und überfordert. Er bewertet ihn mit „neutral“.
Beruf: Seinen festen Job hat er vor einem Jahr gekündigt, weil er dort schon länger sehr unzufrieden war. Bei den letzten beiden Anstellungen wurde ihm während der Probezeit gekündigt. Das wirkt sich negativ auf sein Selbstvertrauen aus und er zweifelt oft an sich. Darum bewertet er diesen Bereich mit „schlecht“ Dieses Bild ergibt sich:
Je nachdem, wie die Kugeln gelegt wurden, neigt sich die bewegliche Platte entweder in Richtung Sonne oder in Richtung Wolken. Mithilfe des Zeigers kann die Gesamtsituation abgelesen werden. In diesem Fall liegt der Zeiger im Bereich der Wolken. Oft sind Klienten vom Ergebnis überrascht, da sie ihre Situation zu Beginn viel schlechter eingeschätzt hätten.
Mögliche therapeutische Interventionen
1. Gespräch: Der Therapeut beginnt ein offenes Gespräch über die Anordnung der
Kugeln: „Ich sehe, dass Sie die Beziehung zu sich und Ihre berufliche Situation als sehr belastend einschätzen. Ich denke, dass das die Baustellen sind, die wir uns gleich genauer ansehen sollten. Andererseits kann ich auch wahrnehmen, dass Ihre Beziehung und Ihre sozialen Kontakte große Ressourcen für Sie darstellen“.
2. Tiefere Exploration: Der Therapeut schlägt vor, zunächst an der Beziehung zu sich zu arbeiten und Strategien zu entwickeln, wie er lernen kann, seine Grenzen zu respektieren.
3. Ressourcenaktivierung: Frank ist klar geworden, dass seine Frau eine große Stütze für ihn ist, und er hat erkannt, dass er mit seinem Rückzug seine Frau sehr verunsichert, was oft zu Streitereien geführt hat. Er nimmt sich vor, offen mit ihr über seine Probleme, Ängste und Sorgen zu sprechen.
4. Motivation: Frank ist am Ende der Sitzung erleichtert. Er hat jetzt einen Leitfaden, wie er mit belastenden Situationen anders umgehen kann, und sieht wieder positiv in seine Zukunft.
Dieses Beispiel zeigt, wie das Seelenfenster als ein visuelles und interaktives Werkzeug genutzt werden kann, um
– einen schnellen Zugang zur inneren Welt des Klienten zu erhalten – komplexe Themen zu vereinfachen und zu strukturieren
– Ressourcen zu aktivieren und neue Perspektiven zu eröffnen – Motivation zur Veränderung zu fördern. Tipp: Mit dem Seelenfenster lassen sich auch sehr gut Therapieerfolge sichtbar machen. Wiederholen Sie die Anwendung nach etwa einem Vierteljahr mit denselben Themen und schauen Sie, wie sich die Situation verändert und in den meisten Fällen verbessert hat. Dies ist für den Klienten ein wichtiger Aha-Effekt, wenn er sehen kann, wie sich die Situation verbessert hat.
Weitere Settings
Settings, in denen sich das Seelenfenster weiter einsetzen lässt, sind z. B. das Coaching oder die Kinder- und Jugendlichentherapie sowie die Paartherapie. Hier bewerten die Partner abwechselnd individuelle Lebensbereiche ihrer Partnerschaft. Dabei wird deutlich, welche Bereiche gut funktionieren und welche konfliktbeladen sind. Außerdem kann es wichtig sein, zu sehen, welche Dynamik entsteht, wenn ein bestimmtes Thema von den Partnern unterschiedlich bewertet wird.
Die sieben Faktoren der Resilienz und das Seelenfenster
Das Seelenfenster bietet nicht nur einen Zugang zu den Ressourcen unserer Klienten, sondern auch eine Möglichkeit, ihre Resilienz zu stärken. Resilienz, die Fähigkeit, mit Krisen umzugehen und gestärkt daraus hervorzugehen, ist ein wichtiger Faktor für ein erfülltes Leben. Wie kann das Seelenfenster dabei unterstützen?
Bei diesem Setting wird nicht geschaut, was eher gut und was eher schlecht ist, sondern wovon habe ich zu viel beziehungsweise zu wenig und was ist das rechte Maß.
Das können wir uns beispielhaft am Resilienzfaktor Optimismus näher anschauen.
Optimismus + + Zu viel davon.
Ich rede mir alles schön, will der Wahrheit nicht ins Auge blicken, positives Denken.
- Zu wenig davon.
Ich sehe schwarz, habe keinen Glauben an die Zukunft.
0 Das rechte Maß.
Ich glaube, dass das Leben auf lange Sicht mehr Gutes als Schlechtes bringt, dass Krisen vorübergehen und überwunden werden können. Ich halte für möglich, dass die Dinge auch positiv ausgehen können. Dies lässt sich in dieser Form ebenso bei allen weiteren Resilienzfaktoren wie Akzeptanz, Lösungsorientierung, Opferrolle, Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung anwenden.
Fazit
Das Seelenfenster ist ein vielseitiges und wirkungsvolles Werkzeug, das den Therapiebeginn erleichtert und bereichert. Durch die aktive Gestaltung und die gemeinsame Reflexion entsteht ein gemeinsamer Bezugsrahmen für die therapeutische Arbeit, der die Veränderungsprozesse unterstützt und begleitet. Durch seine Flexibilität und seine Fähigkeit, sowohl positive als auch negative Aspekte des Lebens zu berücksichtigen, eignet sich das Seelenfenster für eine Vielzahl von therapeutischen Settings. Das Seelenfensterset enthält Dokumentationsvorlagen für sieben unterschiedliche Settings und eine Arbeitsanleitung.
Stefan Putz