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Hochsensibilität in der Partnerschaft

fotolia©vasabiPartnerschaften und Beziehungen sind für hochsensible Menschen besonders intensiv. Das gilt vor allem für Liebesbeziehungen. Aufgrund ihres starken Einfühlungsvermögens, der umfassenden Wahrnehmung und ihres Weitblicks sind Hochsensible einerseits wertvolle und bereichernde Lebenspartner; andererseits hat schon mancher Partner auch darüber gestöhnt, wie „anstrengend“ sie sein können.

Das gilt vor allem für Beziehungen zwischen hochsensiblen und nicht hochsensiblen Menschen. Aber auch die Beziehungen zwischen Hochsensiblen und Hochsensiblen haben ihre Tücken. Besonderheiten und Herausforderungen beider Konstellationen sind deshalb Thema dieses Artikels. Vieles des hier Gesagten gilt natürlich generell für Partner- und Freundschaften. Es sollen aber vor allem die Besonderheiten unter Einbeziehung der Hochsensibilität thematisiert werden.

Hochsensible Personen und ihre Beziehungen

Für hochsensible Menschen (im Folgenden HSP (Hochsensible Personen) sind Freundschaften sehr intensiv und wichtig. Sie haben oft nur wenige Freunde, mit denen sie jedoch sehr tief gehende und langlebige Beziehungen pflegen. Bei Beziehungen zu nicht hochsensiblen Menschen, NHSP (Nicht Hochsensible Personen) ziehen sich einerseits die Gegensätze an, andererseits kann es aber auch zu Problemen kommen, die beim Umgang und bei der Kommunikation zwischen den Partnern berücksichtigt werden sollten.

Zu den persönlichen Qualitäten, die HSP grundsätzlich kennzeichnen und die ihren Beziehungen sehr zugutekommen können, zählen eine intensive Wahrnehmung und ein Blick für Details sowie eine ausgeprägte Intuition und Empathie. Die Dinge, die HSP wahrnehmen, verarbeiten sie sehr gründlich, was sie befähigt, sehr wohlüberlegt und nachhaltig zu handeln. Darüber hinaus sind sie durch ihre Vorsicht und Voraussicht begabte Krisenmanager. Obwohl sie im normalen Leben sehr empfindlich sind und sich schnell überlastet fühlen, sind sie oft diejenigen, die in Krisensituationen nicht den Kopf verlieren, sondern über sich hinauswachsen. HSP fühlen sich in der Regel der Welt und ihren Mitmenschen gegenüber verantwortlich und verpflichtet. Partner können sich bei ihnen also sehr verstanden und gut aufgehoben fühlen. Weitere Details finden Sie in meinem Artikel „Hochsensibilität als Chance“, Freie Psychotherapie, 04.2015.

Wie so vieles hat jedoch auch die Hochsensibilität eine Schattenseite, die sich auf Beziehungen auswirken kann. Dazu gehört der Umgang hochsensibler Menschen mit Reizüberflutung. Ihre gesteigerte Wahrnehmung führt dazu, dass HSP sich schnell überlastet fühlen und dann den Rückzug antreten, was für ihre Partner manchmal nicht einfach nachvollziehbar ist. Zudem ringen HSP aufgrund ihrer emotionalen Intensität stärker um eine Balance zwischen dem Innen und Außen. In Partnerschaften macht es ihnen dabei häufig Probleme, Grenzen zu setzen. Hinzu kommt die persönliche Tendenz, eher die Erwartungen anderer erfüllen zu wollen als die eigenen. HSP stellen sich dabei oft selbst ein Bein. Sie haben sehr hohe Ansprüche an sich selbst, aber auch an andere.

Konstellation: HSP-HSP-Beziehungen

fotolia©HalfpointDas Besondere
Schauen wir uns die besonderen Vorteile an, die sich ergeben, wenn hochsensible Menschen eine Partnerschaft mit einem ebenfalls hochsensiblen Menschen eingehen.

Was diese Beziehung zunächst einmal auszeichnet, ist ein tiefes gegenseitiges Verständnis für sowie die Rücksichtnahme auf die Eigenheiten des andere. Vor allem jene, die aus der Hochsensibilität resultieren, wie die überwältigenden Bedürfnisse, sich zurückzuziehen und Zeit mit sich selbst zu verbringen oder größere Gruppen und Menschenansammlungen zu meiden. Die gemeinsame Freude an den kleinen Dingen des Lebens wird vorgezogen. Ihre ausgeprägte Empathie und ihr Einfühlungsvermögen sorgen für ein rasches Erkennen von Problemen und Stimmungen in der Beziehung. Dies bietet die Chance, Unstimmigkeiten wahrzunehmen und zu besprechen, bevor sie eskalieren. Das Verhältnis der Beziehungspartner zueinander ist ohnehin oft geprägt durch eine gute Kommunikation, den gemeinsamen Hang zu tiefsinnigen Gesprächen und einfach ein Mehr an verbalem und emotionalem Austausch. Auch ist wenig gegenseitige Anpassung nötig, weil HSP in vielen Fällen sehr ähnlich „ticken“ und es dadurch im Schnitt seltener Missverständnisse gibt. Sie können gut gemeinsame Entscheidungen treffen und ihre Gefühls- und Handlungsebenen in Einklang bringen.

Das bedeutet nun nicht, dass hochsensible Partner in allem einer Meinung sind, zumal der Grad der Hochsensibilität und ihre Ausprägung durchaus sehr unterschiedlich sein können. Das bringt die nötige Dynamik in eine Beziehung, und da HSP sehr an lebenslangem Lernen und persönlicher Weiterentwicklung interessiert sind, können sie sich oft auch gegenseitig ergänzen und voneinander lernen.

Eine wichtige Grundlage von HSP-HSP-Beziehungen ist das große Vertrauen in das Gespür des Partners, das die Voraussetzung dafür schafft, sich gegenseitig die bestmögliche Unterstützung geben und diese auch zulassen zu können. Wie bereits erwähnt, neigen Hochsensible eher zu einem ruhigen Leben anstatt des ständigen „Bads in der Menge“. Das bringt Ruhe in die Beziehung, von der beide Partner profitieren können und die zum persönlichen Wohlgefühl beiträgt. Ihre angeborene Zurückhaltung und Vorsicht bringt sie dazu, nichts zu überstürzen und ein eigenes Lebenstempo zu entwickeln.

Wenn man Hochsensible fragt, was sie in einer Beziehung zu einem anderen Hochsensiblen am meisten schätzen, kommt als häufige Antwort, dass sie sich von ihrem Partner verstanden und angenommen fühlen. Im Gegensatz zu vielen der HSP-NHSPBeziehungen müssen sie sich nicht fortwährend erklären und rechtfertigen oder um ihre besonderen Bedürfnisse und ihre Selbstbehauptung kämpfen. Zu dem Bedürfnis nach ständiger Weiterentwicklung und lebenslangem Lernen kommen die Bedürfnisse nach Freiraum, Naturerfahrung, künstlerischer Betätigung etc. Da dies bei beiden Partnern ausgeprägt ist, gestehen sie sich dafür auch den jeweiligen Freiraum zu. Es herrscht ein gegenseitiges tiefes Verständnis für eine Eigenheit, die eigentlich alle HSP haben: Überlastung und Überreizung sind nur bis zu einem gewissen Punkt tragbar, darüber hinaus geht nichts mehr – dann ist Rückzug angesagt!

Auch was persönliche Werte angeht, haben Hochsensible oft ähnliche Ansichten, wie beispielsweise Verantwortung für andere und für die Gesellschaft im Allgemeinen sowie eine Abneigung gegen Ungerechtigkeiten jeder Art. Häufig hat ihnen die frühere Nichtakzeptanz ihrer Umgebung – das Anders-und-komisch-Sein, das sie seit ihrer Kindheit begleitet – die Möglichkeit eröffnet, eine gewisse innere und äußere Unabhängigkeit und Unkonventionalität zu entwickeln. Sozusagen als Reaktion auf den Gedanken: „Die anderen halten mich sowieso schon für komisch – dann leiste ich mir das auch, ohne wie ein Lemming der Masse hinterherzurennen.“

Diese Unkonventionalität macht es für die Partner auch einfacher, immer noch vorhandene Rollenklischees aufzubrechen. HSP-Frauen dürfen auch mal tough sein und HSP-Männer ihre sensiblen Seiten betonen. Letztlich sind dadurch wirkliche Partnerschaften möglich, die sich nicht an Rollenzuordnungen orientieren, sondern in denen jeder Partner eben das tut, was er oder sie gut kann.

Die Herausforderungen

Kommen wir nun zur Kehrseite der Medaille, nämlich zu den Punkten, bei denen sich Probleme ergeben können, die in HSP-HSP-Partnerschaften besondere Aufmerksamkeit finden sollten. So ist in der Kommunikation untereinander das „Sichblind-Verstehen“ einerseits ein positiver Aspekt. Eine Gefahr besteht jedoch, wenn sich die Partner zu sehr darauf verlassen und in der Folge über manches zu wenig oder gar nicht sprechen. Missverständnisse sind damit vorprogrammiert. Auch kann das starke Harmoniebedürfnis dazu führen, dass Hochsensible Auseinandersetzungen oft von vornherein vermeiden. Auf der anderen Seite kann bei Auseinandersetzungen auch die Wahrnehmung der empfindlichen Punkte des Partners, die HSP sehr genau kennen, dazu eingesetzt werden, den Partner gezielt zu verletzen.

Ein anderes Problemfeld ergibt sich durch die mangelnde Abgrenzung, die sich auch im Kontakt mit NHSP zeigt. Ihre ausgeprägte Empathie kann hier dazu führen, dass sich einer der Partner mit „runterziehen“ lässt, wenn es dem anderen schlecht geht.

Da Stimmungen auf beiden Seiten sehr detailliert wahrgenommen werden, führt dies zwangsläufig dazu, dass die Partner sich gegenseitig permanent ein offenes Buch sind und deshalb der einzelne Partner sehr darauf achten muss, sich von schlechten Befindlichkeiten des anderen auch mal zu distanzieren. Damit hilft er/sie nicht nur sich selbst, sondern trägt auch dazu bei, dass der Partner solche Stimmungen besser verarbeitet.

HSP können schnell überreizt und überempfindlich reagieren. Wenn das bei beiden Beziehungspartnern zur gleichen Zeit geschieht, führt das zu zusätzlichen Belastungen. Probleme können sich auch ergeben, wenn beide HSP in jeweils unterschiedlichen Bereichen hochsensibel reagieren und das dann eventuell beim jeweils anderen Partner auf Unverständnis stößt.

Eine ganz andere Besonderheit ergibt sich aus dem Umstand, dass in diesen Beziehungen der Gegenpart fürs „Grobe“ bzw. für die Bodenhaftung fehlt, der sonst durch eine NHSP ausgefüllt wird. Man bestätigt sich gegenseitig in seiner Wesensart – auf Kosten der eigenen Durchsetzungsfähigkeit in der Außenwelt; die gemeinsamen Vorlieben bei der Erledigung des Alltags lassen manche Bereiche schwächeln (Beispiel: Keiner streitet sich gern mit dem Handwerker …). Das eigene Sicherheitsbedürfnis kann zudem eine große Zaghaftigkeit, übergroße Vorsicht und das Vermeiden vieler Herausforderungen zur Folge haben.

Das gemeinsame Wesen, die gemeinsame Tendenz zum Rückzug bei Überreizung und die ausgiebige Zeit, die HSP für sich selbst brauchen, ist häufig Anlass für HSP-HSPPartner, sich als Paar selbst genug zu sein und sich zu Hause „einzuigeln“. Der Motor für Unternehmungen fehlt und es ergibt sich die Gefahr einer symbiotischen Beziehung, in der das Außen und damit der Kontakt zu anderen Menschen vernachlässigt wird.

Tipps für HSP-HSP-Partner

Keine Problemzone ohne Lösung! Einiges an Strategien ist schon angeklungen. Diese möchte ich hier noch einmal kurz zusammenfassen und ergänzen. Da HSP-HSP sich in vielen Dingen sehr ähnlich sind, ist es gut, auch einmal einen Blick auf die Unterschiede zwischen beiden Partnern zu werfen und sich diese zunutze zu machen. Kein Hochsensibler gleicht dem anderen, so wie generell kein Individuum dem anderen gleicht. Dazu gehört auch – entgegen dem gemeinsamen Harmoniebedürfnis – zu lernen, sich konstruktiv zu streiten, wenn man einmal nicht einer Meinung ist. Wichtig ist außerdem, verstärkt Impulse von außen in die Beziehung zu holen, um das gemeinsame „Einigeln“ aufzulockern und sich gegenseitig zu ermutigen, auch mal Herausforderungen in der Welt „da draußen“ anzunehmen. Werden die individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Partner einbezogen, ist es auch möglich, sich z. B. bei Planungen, Verhandlungen oder der Koordination von ungeliebten Aufgaben abzuwechseln oder diese gemeinsam zu bewältigen.

Auf der emotionalen Ebene ist es für beide Partner wichtig, Grenzen zu setzen und sich weder von der Stimmung des anderen in der eigenen Befindlichkeit zu sehr beeinflussen zu lassen, noch den Partner in die eigene Stimmungslage einzuspannen.

Konstellation: HSP-NHSP-Beziehungen

fotolia©Viacheslaw IakobchukDas Besondere
Das große Plus der Beziehung HSP-NHSP ist die (oft) große Vielfalt an Vorlieben, Interessen, Verhaltensweisen und Perspektiven. Beide Partner haben die Möglichkeit, viel voneinander zu lernen und ihren eigenen Horizont zu erweitern. Voraussetzung dafür ist beiderseitige liebevolle Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung der Unterschiede.

Die NHSP gibt der HSP Bodenhaftung und bietet Gelassenheit, Stabilität und gleichzeitig eine gewisse Leichtigkeit und Unbeschwertheit. NHSP sind relativ pflegeleicht in ihren Ansprüchen und Bedürfnissen – zumindest verglichen mit einer HSP. Es entsteht ein Austausch; man könnte auch sagen: Die NHSP zeigt der HSP den Weg nach „außen“, die HSP der NHSP den Weg nach „innen“. HSP bringen Ruhe ins Leben der NHSP. Auch erkennen sie z. B. drohende Gefahren oder Ärger früher und können die NHSP deshalb rechtzeitig warnen und sie vor Enttäuschungen bewahren.

Beide Partner erhalten in einer solchen Beziehung neue Impulse und Sichtweisen. Die HSP weist auf Details hin, die die NHSP unter Umständen gar nicht wahrnimmt. Dadurch lernt die NHSP auch, achtsamer und sensibler mit sich selbst umzugehen, was ihre Bedürfnisse, Gefühle, den Körper und die Gesundheit angeht. Im Zusammensein mit der HSP kann die NHSP mehr eigene Individualität leben. Die HSP schenkt der NHSP die Möglichkeit, eine sehr tiefe Beziehung zu führen. Das durchaus vorhandene Konfliktpotenzial der beiden Partner gibt Anlass zum Perspektivwechsel und zur Weiterentwicklung auf beiden Seiten.

Die Herausforderung

Grundlegende Probleme in dieser Konstellation entstehen durch mangelndes Verständnis und mangelnde gegenseitige Wertschätzung bzw. Toleranz. Hinzu kommt der unterschiedliche Stimulationsgrad der Partner in Bezug auf Über- und Unterforderung. Wo die HSP schon an den Rand ihrer Belastbarkeit gerät, läuft eine NHSP gerade erst warm. Die HSP hätte gerne mehr Zeit für sich allein, fühlt sich häufig unverstanden und unter einem ständigen Erklärungs- und Rechtfertigungszwang. Im Gegenzug betrachtet die NHSP die Hochsensibilität unter Umständen als etwas Anomales und hält die Reaktionen der HSP für übertrieben.

Im Extremfall ist die NHSP ein ruheloser und ständig beschäftigter „Multitasker“, während die HSP gern mehr Ruhe hätte und Überraschungen und „Überfälle“, z. B. spontane Vorschläge, etwas zu unternehmen, überhaupt nicht schätzt. Für sie sind Unternehmungen etwas, das eine gründliche vorherige Planung erfordert. Die Empfindlichkeiten der HSP gegen Lärm, große Menschenmengen etc. verlangen wiederum dem NHSP Anpassung ab.

Die Spontanität der NHSP mit der Zaghaftigkeit und dem Sicherheitsbedürfnis der HSP unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach – es kommt zu Verzögerungen und Schwierigkeiten im Alltag. Als Folge ist die NHSP häufig davon genervt, dass die speziellen Bedürfnisse der HSP „ständig“ berücksichtigt werden müssen, und macht dieser im Gegenzug Vorwürfe. Die HSP fühlt sich dann unter Druck gesetzt und reagiert mit schlechtem Gewissen, Schuldund Minderwertigkeitsgefühlen.

In der Kommunikation miteinander kommt es zu Missverständnissen durch unterschiedliche Herangehensweisen an ein Thema. Sagt die NHSP z. B.: „Kein Problem!“, so hat die HSP viele Einwände und weist darauf hin, dass es da doch noch einiges zu bedenken gäbe. Oft endet es damit, dass – um des lieben Friedens willen – die HSP sich anpasst, zumal hochsensible Menschen ohnehin eher Probleme damit haben, Grenzen zu ziehen und ihre eigene Position geltend zu machen.

Tipps für HSP-NHSP

Das A und O einer solchen Beziehung ist ein rücksichtsvolles Miteinander und ein liebevolles Annehmen der Unterschiede ohne Abwertung der Andersartigkeit des Partners. Wichtig ist, die jeweiligen Bedürfnisse des Partners zu verstehen und zu akzeptieren. Dazu gehört sowohl, sich Zeit füreinander zu nehmen, als auch, sich gegenseitig genügend Freiraum zu lassen. HSP und NHSP können sich bestärken und bestätigen – nicht jedoch, ohne sich gelegentlich auch einmal herauszufordern. Ideal ist ein angenehmer Austausch, bei dem von den jeweiligen Stärken des anderen profitiert wird. So kann die HSP sich z. B. bei der NHSP abschauen, wie man die Dinge etwas leichter nimmt. Die NHSP kann lernen, verstärkt auf Details zu achten und den Dingen mehr auf den Grund zu gehen. Dabei ist auch nicht zu vergessen, dass der Grad der Hochsensibilität ziemlich variabel sein kann, das heißt es gibt HSP, die durchaus im täglichen Leben etwas robuster sind, genauso wie es NHSP mit einem hohen Sensibilitätsgrad gibt – die Grenzen sind fließend.

Partnerlose HSP auf Partnersuche

Was Partnerschaften angeht, sind viele HSP ausgesprochene Spätzünder. Das mag einerseits daran liegen, dass sie in der Regel im sozialen Kontakt sehr zurückhaltend sind, andererseits auch daran, dass sie an sich selbst und ihre potenziellen Partner sehr hohe Ansprüche stellen. HSP verlieben sich eher selten, aber wenn, dann umso heftiger. Wenn sie zurückgewiesen oder verlassen werden, leiden sie oft jahrelang darunter, und das befeuert ihren natürlichen Hang zum Rückzug. Sie ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück und vermeiden es, sich auf neue Beziehungen einzulassen. Im Prozess des Kennenlernens erweisen sich vor allem ihre Zurückhaltung und ihr mangelnder Selbstwert als Hindernisse. Darunter leiden besonders HSP-Männer, da sie oft nicht der klassischen Männerrolle entsprechen. Beim Kennenlernen können die sozialen Gepflogenheiten, die „Spielchen“, die standardmäßig gespielt werden, sehr verwirrend sein. Außerdem durchschauen HSP dank ihrer ausgeprägt feinen Wahrnehmung die Absichten anderer Menschen sehr schnell und fühlen sich häufig davon abgestoßen oder haben das Gefühl, nicht mithalten zu können („Die anderen finden mich bestimmt total langweilig.“). Die mangelnde Übung im sozialen Umgang verstärkt dieses Empfinden. Hinzu kommt, dass sie sehr intensiv über Partnerfindung und Partnerschaft nachdenken und sich dadurch oft selbst im Weg stehen.

Das Kennenlernen

Im Grunde kommt HSP das Singledasein an sich entgegen. Meist sind sie ohnehin einfach gerne mit sich allein. Das Bad in der Menge ist sowieso nicht ihr Ding; sie beschränken sich gerne auf wenige, aber gute Freunde, mit denen sie sich in Ruhe und Tiefe austauschen können. Wenn sie sich dann doch auf Partnersuche begeben, lieben sie das allmähliche „Warmlaufen“ durch ernsthafte Gespräche und das Entdecken vieler Gemeinsamkeiten. „Anbaggern“ ist nicht ihre Sache. Oft bevorzugen sie HSP-Partner, da sie sich dort mehr Verständnis erwarten und sich vor unliebsamen Überraschungen, wie z. B. spontane Unternehmungen, sicher wähnen. Aber auch das Gegenteil kann zutreffen. Manche HSP bevorzugen NHSP-Partner gerade wegen der Gegensätzlichkeit und als geschätzte Ergänzung zu den eigenen Fähigkeiten. Oder weil sie keinen Partner möchten, der sie ständig durchschaut, wie das bei HSP-Partnern häufig der Fall ist.

Die Problemfelder

Wie bereits erwähnt, haben HSP hohe Ansprüche und klare Vorstellungen an eine Partnerschaft. HSP suchen vor allem einen Partner, bei dem sie authentisch sein können, verstanden werden und sich nicht ständig verstellen müssen. Sie haben das Bedürfnis über Eindrücke und Gefühle zu sprechen und fühlen sich dementsprechend bei oberflächlichen Unterhaltungen und Small Talk weniger wohl. So kommt es oft zum Aneinander-Vorbeireden und zu Missverständnissen. HSP brauchen länger, um sich in einer neuen Umgebung zu akklimatisieren und aufzutauen und glauben deshalb, dass andere sie uninteressant, uninteressiert und dumm finden. „Anmache“ verschreckt sie und durch die damit einhergehenden sozialen Rituale fühlen sie sich unter Druck gesetzt. Sie machen sich über Beziehungen sehr viele Gedanken, stehen sich dadurch selbst im Weg und verpassen Gelegenheiten zum Kennenlernen, weil ihnen der Mut fehlt, auf Menschen zuzugehen. Das grundsätzliche Bedürfnis nach sozialem Rückzug ist dabei auch nicht eben förderlich. Innerhalb einer Partnerschaft ergeben sich oft Probleme dadurch, dass HSP sich zu Beginn der Beziehung zu sehr auf den Partner einstellen und dadurch an eigenem Boden verlieren, was später unter Umständen nicht mehr zu korrigieren ist. Durch ihre ausgeprägte Empathie laufen sie außerdem Gefahr, in die Rolle der ewigen Beraterin oder die Bemutterungs-Rolle zu geraten. Viele HSP lösen das Problem dadurch, dass sie sich erst gar nicht auf eine Beziehung einlassen, um sich ihre Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit zu bewahren.

Tipps

HSP kann es bei der Partnersuche helfen, wenn sie sich jemanden suchen, der die eigene Haltung zum Leben teilt, sei er/sie nun HSP oder nicht. Beim Kennenlernen ist einfach etwas Mut gefragt – der Mut, von Anfang an authentisch zu sein, sich nicht zurückzuziehen, sondern die eigenen Grenzen abzustecken. Dazu gehört auch, genü- gend Zeit fürs Kennenlernen einzufordern und sich nicht „überrumpeln“ zu lassen. Dies ist wieder eine Situation, in der HSP auch einmal über ihren Schatten springen müssen.

Literaturempfehlungen

  • Aron, Elaine N.: Sind Sie hochsensibel?, mvg Verlag, 2013, (Grundlagenbuch zum Thema)
  • Aron, Elaine N.: Hochsensibilität in der Liebe, mvg Verlag, 2015
  • Skarics, Marianne: Sensibilität und Partnerschaft, Festland Verlag, 2010
  • Sellin, Rolf: Bis hierher und nicht weiter – wie Sie sich zentrieren, Grenzen setzen und gut für sich sorgen. Kösel Verlag, 2014

Silke HelbichSilke Helbich
Psychologische Beraterin (VFP), Systemischer Coach, NLP-Master (DVNLP), Konfliktlotse

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Fotos: fotolia©vasabi, fotolia©Halfpoint, fotolia©Viacheslaw Iakobchuk